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nisch beschreibt sie darin die möglichen Reaktionen auf einen selbstbestimmten Tod. In den nachfolgenden Gedichten „Abends in einer fremden Stadt“, ,,Dorfabend“, ,,Betrunkene Nacht“ endet das Makabre, Schaurige im Ausweglosen. Hinter allem ‚‚ist eine Wirklichkeit, die sich nicht erfüllt.“ Der erste Prosapreis für das Pariser Tagebuch, welcher ihr vom Neue Wege-Publikum zuerkannt wurde, und Hans Weigels Bemühungen, ihr durch kleine Publikationserfolge und Kontakte das Leben zu erleichtern, zeigten nicht die erhoffte Wirkung. Im September 1951 berichtete sie Anatol, sie habe in einer Halluzination ihren toten Vater gesehen: ,,Nun werdet ihr mich nicht mehr lange haben.“ Den Tod der Liebe verhinderte sie durch das Aufrechterhalten der Distanz. Indem sie sich kurz vor ihrem Selbstmord durch Veronal am 13. November 1951 endgültig von Anatol lossagte, erteilte sie der Wirklichkeit eine letzte und deutliche Absage. Als Opfer ihrer Männer tröstete sie sich mit der einzigen Macht, die sie hatte: durch die Sprache vermochte sie ihr Lebenskonzept, ihre Weltanschauung in der Imagination zu realisieren. Aus dem, was sie gegeben hat, hätte man erkennen müssen, was sie wollte: „Ich konnte nicht alles haben, so will ich auch kein Etwas.“ Sabine Gruber Hertha Kräftner: Kühle Sterne. Gedichte, Prosa, Briefe. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Gerhard Altmann und Max Blaeulich. Mit zwei Nachworten. Klagenfurt, Salzburg: Wieser Verlag 1997. 386 S. ÖS 298, -. Jean Améry in ,, Mittelweg 36" »Mittelweg 36“ ist die Zeitschrift des von Jan Philipp Reemtsma gesponserten Hamburger Instituts für Sozialforschung; sie erscheint zweimonatlich, 1998 im 7. Jahrgang, und weist — zumindest nach oberflächlicher Durchsicht - eine gewisse Verwandtschaft, besser gesagt: Parallelität zu MdZ auf. Ein bloß archivalischer, ‚„‚musealer“ Umgang mit der sogenannten „Vergangenheit“ istihr ebenso fremd, wie ihr die Interdisziplinarität der Forschung eine Selbstverständlichkeit ist. Die Ausgabe von August/September 1997 z.B. bietet nicht nur eine ausführliche Auseinandersetzung zur Literatur über die Schweizer Goldgeschäfte während des Zweiten Weltkrieges, sondern geht mit Beiträgen von Gerhard Scheit und J.Ph. Reemtsma direkt in den Bereich von Widerstand/Exil/Literatur. J.Ph. Reemtsma vermutet in seinem Aufsatz in den ,,Memoiren Uberlebender“ eine neue ,,Literaturgattung“, in der er zwar immer um Deutschland als den historischen Ort der NSVerbrechen geht, die aber weltweit in den verschiedensten Sprachen, also nicht nur in der deutschen, zur Geltung gelangt ist. Die Autobiographie werde in den „Überlebensmemoiren“ erstmals wirklich zur literarischen Gattung, kraft der „Deutungsautorität“, die ‚wir den Texten und ihren Verfassern einräumen“. Diese ,, Uberlebensmemoiren“ seien Zeugnisse 64. einer Zivilisation, deren historische Erwartungen durch die Barbarei des Nationalsozialismus zerstört wurden; sie bezeugen diese Zivilisation in der Vergegenwärtigung ihrer Zerstörung. Erst jetzt werde nach und nach bewußt, daß mit der NS-Zeit die im Begriff der „‚Neuzeit“ liegende zuversichtliche Abgrenzung vom „,finsteren Mittelalter“ ihre Berechtigung verloren habe und die Einheit des Menschengeschlechts aufs Spiel gesetzt worden sei. — Es läßt sich hier natürlich fragen, warum diese neue weltweite Literaturgattung (Reemtsma führt u.a. Robert Antelme, Roman Frister, Ruth Klüger, Primo Levi, Ladislaus Sziics an) sich auf ,,Uberlebensmemoiren“ beschränken und nicht auch andere Literaturgattungen einschließen solle; von einer Gattung läßt sich sinnvoll nur im Zusammenhang mit anderen Gattungen sprechen. Doch der wesentliche Impuls, der von Reemtsma ausgeht, ist, etwas trocken gesagt, daß sich die Literaturwissenschaft sehr wohl den Kopf über diese Literatur zu zerbrechen hat und dies nur komparatistisch, nicht auf eine nationale Tradition fixiert tun kann. G. Scheit diskutiert J. Amerys „Jenseits von Schuld und Sühne. Bewältigungsversuche eines Überwältigten“ (1966). Amery widersteht dem Konformitätsdruck, sich in eine als heil ausgegebene Gegenwart als hilfsbedürftiger Beschädigter (der gefoltert wurde, Auschwitz überlebt hat) einzugliedern, mit dem von Friedrich Nietzsche als Ausdruck unmännlicher Ohnmacht denunzierten Ressentiment — Ressentiment gegen die Nachfolgestaaten des Deutschen Reiches, gegen ,,die Deutschen“ ‚als Ausdruck der Unversöhnlichkeit: „Meine Ressentiments ... sind da, damit das Verbrechen moralische Realität werde für den Verbrecher.“ Amerys Ressentiment, könnte man sagen, ist ein Festhalten des dennoch bestehenden Unterschieds gegen den Duktus jener falschen Verallgemeinerung, die einen KZ-Überlebenden und seine Probleme auf die gleiche Stufe mit dem traumatisierten Opfer eines Verkehrsunfalls stellt. Ame£ry deklariert (seine) „, Verbogenheit ... als eine sowohl moralisch als auch geschichtlich der gesunden Geradheit gegenüber ranghöhere Form des Menschlichen‘. In die ,, Verbogenheit“ ist ein der Geradheit fehlt. Der Gedanke korrespondiert mit der „„Unerwachsenheit“, die die Exilierten nach Günther Anders als Tribut für ihre Standhaftigkeit zu entrichten hatten. In einer Welt, die alles mögliche als Gesetz ihrer Entwicklung proklamiert, nur nicht jenes, nach dem sie angetreten, kann jene andere Menschlichkeit, die in paradoxer Weise an der durch den Nationalsozialismus zerbrochenen Zivilisation festhält, sich nicht an den Kraftlinienen der gegebenen Verhältnisse hochranken. Konstantin Kaiser Mittelweg 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Erscheint zweimonatlich. Redaktion: Thomas Neumann, Gaby Zipfel. Redaktionsanschrift: D-20148 Hamburg, Mittelweg 36. Preis des Einzelheftes (ca. 100 $.): DM 18,- (im Abonnement DM 16,-). Bestellungen an: Extra Verlag GmbH, D-65183 Wiesbaden, Langg.24H. Die Gedichte des Albert Ehrenstein Jahrzehntelang war sein Name vergessen, waren seine Werke im Buchhandel nicht präsent. Albert Ehrenstein teilte das Schicksal all jener Autoren, die aufgrund der Verfolgung durch die Nationalsozialisten sowie der in den Jahren danach praktizierten Ignoranz nachhaltig aus der Literaturgeschichte verdrängt worden waren. Mit der auf fünf Bände konzipierten Werkausgabe, herausgegeben von Hanni Mittelmann, sollte Albert Ehrenstein endlich die ihm gebührende Beachtung eines breiten Publikums erfahren. Nach den Briefen, Erzählungen und Nachdichtungen chinesischer Lyrik liegt nun das Kernstück von Albert Ehrensteins literarischem Werk vor: seine Gedichte. Der erste Teilband dieser repräsentativen Ausgabe enthält jene neun Gedichtsammlungen, die Albert Ehrenstein zwischen 1914 und 1931 publiziert hatte, während im zweiten Teilband neben unveröffentlichten sowie verstreut publizierten Arbeiten erstmals sämtliche Gedichte aus der Zeit seines Schweizer und New Yorker Exils vorgelegt werden. Nachdem die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht gekommen waren, war Ehrensteins letztes Buch, „Das gelbe Lied“, Nachdichtungen chinesischer Lyrik, 1933 zwar noch gedruckt, jedoch nicht mehr ausgeliefert worden. Fast dreißig Jahre sollte es dauern, bis wieder ein Buch Ehrensteins publiziert wurde, eine Auswahl der Gedichte und Prosa, herausgegeben 1961 von Karl Otten. Verbittert und vereinsamt war Albert Ehrenstein am 8. April 1950 in einem New Yorker Armenhospital verstorben. Als ältester Sohn des Brauereikassiers Alexander Ehrenstein wurde Albert Ehrenstein am 25. Dezember 1886 im Wiener Arbeiterbezirk Ottakring geboren. Das Ehepaar bekam noch vier weitere Kinder, wobei Alberts Bruder Carl ebenfalls dichterisch tätig war. Um deren Urteil einzuholen, schickte Albert Ehrenstein seine Arbeiten an Arthur Schnitzler und Karl Kraus, der 1910 in der „Fackel“ das Gedicht ‚‚Wanderers Lied“ des vierundzwanzigjährigen Dichters veröffentlichte, der damit einiges Aufsehen erregte. Denn da meldete sich eine Stimme zu Wort, welche die Lyrik um einen neuen Ton bereicherte. „Töte dich! spricht mein Messer zu mir. / Im Kote liege ich; / hoch über mir, in Karossen befahren / meine Feinde den Mondregenbogen.“ Das Motiv des Todes, ebenso literarisches Spiel wie subjektive Sublimierung, beschäftigte den Autor in dieser Zeit wiederholte Male. Programmatisch lautete der Titel eines Gedichts: ‚Ich bin des Lebens und des Todes müde“. Das Pathos des Todeswunsches wurde jedoch von einer ironischen Komponente gebrochen und derart relativiert, setzte den herrschenden Zuständen die Kraft des Widerstands entgegen. ‚Wer weiß, ob nicht / Leben Sterben ist, / Atem Erwürgung, / Sonne die Nacht?“ („Unentrinnbar“) Zur Isolation jüdischer Exi