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Die Orakel-Geister, böse Schauspieler sanfter Geheimnisse, Schlagen mit falschen schwarzen Teigen und Zeichen Dunkel bedruckte, lügende pharisäische Bücher auf, Den bleiernen fleischigen Finger auf einen Satz Hieroglyphen gerichtet, Und sagen: Bekenne dich, Sünder! Du bist nicht mehr rein — du Frevler! Die Jungfrau wird deiner sich schämen, du Sünderin! Bekennet euch, Sünder! sonst seid ihr unrettbar verloren. Sie lügen dich an! Du bist nicht verloren und nie! Sind die blutigen Mörder unter den weißen Propheten verloren? Als alte Kaiser sterben sie sanft und wie schuldlos, Immer geduldet nach Krieg und Weltkrieg - sie und die Ihren. Sind sie selbst vo verloren, die Trinker des sündigen Weines? Sie segnen die Waffen, die feige den fremden Bruder vernichten, Sie segnen das Töten, sie dulden es wortlos und ohne Bann. Sie segnen die mörderisch dunkle Lüge im Schweigen und Reden! Ihr aber, der Gute, die Gute, ihr sollet verloren sein? [..] So kommen die Weißen: Länder raubend, unterjochend, Menschen versklavend auf eigener Erde, mit böser Gewalt Und mit Gewalt nach Buchstaben, Büchern und Schriften. Sie kommen: Peiniger, Mörder; Männer der Zeugung beraubend, Augen zerstechend, Herzen durchbohrend Frauen schwängernd und dann zerstampfend! So kommen die Weißen: Blindheit des Geistes in Blindheit der Seele nur stiftend, Deinem Willen, o schwarzer Mensch, und deinem Körper Schändlich Zerstörung Dir wie Geschwistern, mißachtet als „farbiges Volk“. Dem weißen „Farbigen“, Knecht unter Herren, ergeht es wie euch. L...] Die Weißen waren gekommen, raubten Schiffe voll Sklaven, Man log sie der Welt aus als finstere Geister und Fresser. Ihre Kinder und Kindeskinder werden noch heute geschlagen — In fernen Städten und Pflanzungen, in tollen Häusern Der tollsten Länder von Tag und Nacht in der Freiheit, Nur halb erst erwachten Ländern des Schönen. Die Weißen verheeren alle die Gründe der Seßhaften — Der ‚„Eingeborenen“, in aller Welt des „farbigen Volks"; Die Weißen verheeren die Gründe der Arbeit, des Friedens — Die Gründe der Welt wie die alleinigen Gründe der Neger. Neger! Bleibt schwarz in der Kraft, in der Haltung! Bleibt ohne die „weiße Kultur"! [+] Eine Zeit geht hin - dann sind wir einig, ihr und wir: Die Farbigen mit den Weißen, die da Geschwister der Neger sind! Es wird geschrieben: Gleichheit spricht das erste Wort! Dann wird geschrieben: Wir treten die Freie Erde an, Mit gleichem Blut und gleichem Herz ihr so wie wir! Wandert mit Zungen und Füßen, die Welt ist offen, Wandert mit Ländern und euerem Gott, der offenen Schöpfung, Bis alle Menschheit frei und farbig auf Erden versammelt ist! Töchter, Söhne und Mütter, Väter der Menschheit im Bunde! Gekittete Steine nur die Tempel der Weißen, die Dome, Gekittete Steine nur die Altare, die Grotten, die Städte, Gekittete Steine nur die Burgen der Könige und Präsidenten; Gekittete Steine ohne Gedanken, mit Waffen und Waren. Nicht wie die weiße Gefahr sein! „Abhold allen Cliquen ...“ Otto Basil über Rudolf Geist „Aber des Dichters eigenbrötlerisch-querköpfiges Verhalten, seine Aversion gegen alles Kommerzielle ließen die verheißungsvollsten Projekte scheitern. Dazu kam, daß dieser wahrhaft revolutionäre Dichter, der noch am ehesten mit Grabbe, Büchner und Rimbaud verglichen werden kann, alle modischen, importierten, surreal schillernden „Avantgardismen“ ablehnte und sich nirgends einordnen ließ. Die seltsame Formlosigkeit, das genialische Unmaß seiner zahllosen, eruptiv und meteorhaft auflodernden dichterischen und denkerischen Gebilde, darunter das unter Kanalstrottern spielende filmische Mammutszenarium „Die Gezeichneten“, schreckten die führenden Verlage und Theater ab. Uns so wurde aus dem großen Comeback [nach 1945] des Dichters so gut wie gar nichts; Geist verzettelte sich mit allerlei Verlagsplänen und Zeitschriftengriindungen — er erstrebte, nach [Upton] Sinclairs Vorbild, einen eigenen, konjunkturfernen, nur dem Dichterischen geweihten Verlag - und geriet allmählich in Vergessenheit. Er erlitt das Schicksal des ihm wesensgleichen, auch lyrisch verwandten Jakob Haringer: schon bei Lebzeiten abgeschieden zu sein. Überflüssig zu erwähnen, daß weder der österreichische Staat noch des Dichters Heimatstadt Wien es je der Mühe Wert fanden, sich mit Geists Werk näher zu befassen. Weder da noch dort wurde er in den Akten und Schemata als Dichter - als preiswürdiger Dichter - geführt. Abhold allen Cliquen, blieb der Mann, den so sichtbar der Genius gezeichnet hatte von der österreichischen Kulturbürokratie unausgezeichnet.“ Aus: O. Basil: Rudolf Geist gestorben. In: Neues Osterreich (Wien), 26.4. 1957. Arthur West Anrufungen Israels 1. 2. So du Driick nicht ab, gepanzerter an einen Gott glaubst, Israel, israelischer Riese, an den deinen, natürlich, irgendwo auf den palästinensichen Knaben, droben: der ausholt zum Steinwurf wider schände ihn nicht, indem du ihn dir dich: als dein Stück Lehm zurechtknetest Nimm ihm nach deinem Ebenbild! nicht sein Leben; nimm ihm Glaub nicht, jeglichen Grund für den Wurf! dein Gott könnte frohlocken, Drück nicht ab, gepanzerter wenn Allah, Goliath Israels, sein himmlicher Bruder, auf den palästinensischen David! weint. Lern ihn begreifen: Du trägst in deinem Wappen immerhin seinen Stern. Arthur West, geboren als A. Rosenthal 1922 in Wien, flüchtete 1939 nach Großbritannien, wurde 1940 als ,,enemy alien“ nach Australien deportiert, schloß sich, 1941 nach London zurückgekehrt, der Exilorganisation „Freie Österreichische Jugend“ an. 1943-46 Soldat derbritischen Armee. Ab 1946 wieder in Wien; Kommunist, Lektor des Globus-Verlages und Kulturredakteur der ,, Volksstimme“, Schriftsteller und Übersetzer. 1980 erschienen, mit einem Vorwort von Erich Fried, seine „Israel-Sprüche“, zuletzt ,,Reimweh und Liederkehr“ (Wien 1995 ) u. a.- Am 2. Juli 1998 wird ihm ein österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst verliehen.. 29