OCR
Geschichte zu untermauern suchte. Schausberger, meinten die Mitarbeiter des Instituts, vermenge seine wissenschaftliche und politische Tätigkeit auf unzulässige Weise, weil er mit seiner Argumentation „als Historiker“ eindeutig parteipolitische Ziele verfolge. Die von Bürgermeister Josef Dechant (ÖVP) regierte Stadt Salzburg war nicht bereit, auf die sogenannte „‚Vergnügungssteuer“ (durch welche die Stadt an allen ,,Freizeitveranstaltungen“ mitverdient) zu verzichten. Fünf Prozent aller eingenommenen Eintrittsgelder (insgesamt etwa 40.000 Schilling) mußten die Ausstellungsbetreiber an das Stadtsteueramt abführen. Der Antrag von SPÖ und Bürgerliste, auf diese Steuer wegen des Ausstellungsthemas zu verzichten, fand im Gemeinderat keine Mehrheit. War die ablehnende Haltung der ÖVP-Spitzenpolitiker, zu denen, neben Schausberger und Dechant, insbesondere auch Landtagspräsident Helmut Schreiner zu rechnen ist, offenkundig, so fuhr die Haider-FPÖ mit noch schwererem Geschütz auf. Für den freiheitlichen Stadtrat Siegfried Mitterdorfer war die Ausstellung „ein linksideologischer Wanderzirkus“ , und die FPLandesrätin Margot Hofer, Fahnenmutter der Europafahne im Salzburger Kameradschaftsbund, hat den Landeshauptmann gar aufgefordert, in seiner Eigenschaft als Präsident des Landesschulrats, ‚dafür zu sorgen, daß es Lehrern untersagt wird, Schulkinder im Rahmen des Unterrichts mit dem Besuch der Wehrmachtsausstellung zwangszubeglücken.“® Dies war dann aber sogar Schausberger zuviel. Er wies das Ansinnen der FPÖ-Politikerin zurück. Diese Koalition von Bürgermeister, Landeshauptmann, Landtagspräsident und Kameradschaftsbund sei eine Salzburger Besonderheit, erklärte die Historikerin Helga Embacher in einem Interview für das Landesmagazin Salzburger Fenster’. ,, Salzburg hat eine sehr natio'nale Geschichte und extrem antisemitische Traditionen. Es gibt hier vielleicht weniger Mitleid mit den Opfern des Nationalsozialismus und vie] Verständnis für die Täter.“ In einer solchen Atmosphäre treten die Täter und ihre Sympathisanten entsprechend selbstbewußt auf. Vor zwanzig Jahren, meinte ein Kriegsteilnehmer bei einer öffentlichen Diskussion, wäre eine solche Veranstaltung wie die Wehrmachtsausstellung nicht möglich gewesen. „Da hätten wir die Veranstalter mit nassen Fetzen davongejagt“ , verkündete er.' Bei dem am 6. März 1998 in der Aula der Salzburger Universität erfolgten Festakt zur Ausstellungseröffnung, an dem auch Verkehrsminister Caspar Einem, der zweite Präsident des Salzburger Landtages Walter Thaler (SPÖ) und Karoline Hochreiter, Landtagsabgeordnete der Bürgerliste, teilnahmen, bemühten sich alle Redner, vor allem den Vorwurf der „Pauschalierung“ zu entkräften. Helga Emabcher und Albert Lichtblau betonten, daß die Ausstellung in Salzburg zum Dialog zwischen den Generationen beitragen solle und, nach fünfzig Jahren der Tabuisierung und des Schweigens, der Kriegsgeneration im Rahmen der Begleitveranstaltungen die nun vielleicht letzte Chance 38. biete, endlich über ihre traumatischen Erlebnisse zu berichten. Besonders bewegend waren die Worte des 1927 geborenen Historikers Fritz Besl, der, aus einer Salzburger NS-Familie stammend, sich als Siebzehnjähriger freiwillig an die Front meldete, in Jugoslawien Terror und Gegenterror erlebte und in jugoslawischer Kriegsgefangenschaft, wo er 1945 von den Dimensionen der NS-Verbrechen erfuhr, zum kompromißlosen Antifaschisten wurde. _ Wie sehr die Kriegsvergangenheit auch für die sogenannten „Nachgeborenen“ immer noch gegenwärtig ist, wurde deutlich, als Albert Lichtblau dem Publikum das Photo eines Massengrabes'' zeigte, das er im Besitz seines verstorbenen Vaters, der Wehrmachtssoldat gewesen war, gefunden hatte. Gewißheit darüber, wie das Photo in den Besitz des Vaters gelangt sei, werde er nie mehr erlangen können, erklärte Lichtblau. Nun bleibe er mit dem Photo und seinen Gefühlen allein. Nicht nur hatten sich fast alle regierenden Spitzenpolitiker von der „Wehrmachtsausstellung“ distanziert, wurde gleich noch eine ..Gegenausstellung“ auf die Beine gestellt. Im Februar fand ich ein Mitteilungsblatt des Salzburger Kameradschaftsbundes in meinem Briefkasten. Diese Gratispostsendung mit der Auflage von 82.000 war flächendeckend an alle Haushalte der Stadt Salzburg verschickt worden. Neben den üblichen Angriffen auf due „Wehrmachtsausstellung“ mit einer catsprechenden Kolumne des Landeshauptmanns (Z>tat: „Ich werde mich schützend vor all dacgensgen stellen, deren Väter und Großväter Soklasen der Wehrmacht waren‘) und griffigen Shagase (,,Eltern, schützt Eure Kinder!" ), wurde dann quasi als Pendant zu den Exponaten jenes, dir angeblich „‚Zwietracht, insbesondere unser der Generationen und damit in den Famiben sen” - auf die Bilder von Walter Groß, Brigacher aD des österreichischen Bundesheeres, verwusen Groß war in den Jahren 1945-53 Kniegsgefangener und Zwangsarbeiter in der Sowjenumon. 1949 von einem MWD-Tribunal im Schneäverfahren als Kriegsverbrecher verurteilt, nach Stalins Tod freigelassen und 1992 von einem russischen Gericht rehabilitiert, hat er seine Erlebnisse in Rußland künstlerisch zu verarbeiten versucht. Seine Kunst beschreibt er als „in keiner Weise polemisch“, sondern als Beitrag zu einer „umfassenden und wahren Versöhnung zwischen den ehemaligen Feinden”. Groß’ Gemälde wurden zur selben Zeit wie die „Wehrmachtsausstellung“ in der Säulenhalle des Salzburger Rathauses unter dem Titel Die im Dunkeln sieht man nicht gezeigt. Die Halle war dem Künstler von Bürgermeister Dechant gratis zur Verfügung gestellt worden. Dieser übernahm zusammen mit FPÖ-Stadtrat Siegfried Mitterdorfer den Ehrenschutz. Den Betreibern der ,, Wehrmachtsausstellung* wurden keine Vergünstigungen dieser Art gewährt. Für ihren Ausstellungsort - das Salzburger Stadtkino — hatten sie die volle Miete in der Höhe von 180.000 Schilling zu bezahlen. Unterstützt wurde Groß vom sogenannten Arbeitskreis fiir Kultur und objektive Geschichtsschreibung, der aus dem Kameradschaftsbund hervorgegangen ist. Über die künstlerische Qualität der Bilder — Impressionen aus dem Kriegsgefangenenalltag in Rußland — möchte ich mich hier nicht auslassen. Die Tatsache, daß der ,,Kiinstler“ im Jahre 1940 freiwillig der SS beigetreten und Angehöriger jener J. S$-Panzer-Division Leibstandarte-SS-Adolf-Hitler gewesen ist!?, die nachweislich an Kriegsverbrechen beteiligt war, wäre an sich nicht skandalös. Schließlich hätte sich Groß von seiner freiwilligen Mitgliedschaft bei dieser kriminellen Vereinigung distanzieren, über seine eigene Rolle als SS-Offizier Rechenschaft ablegen und öffentlich sein Bedauern und seine Bestürzung angesichts der von der SS begangenen Verbrechen äußern können. Bedenklich ist allerdings, daß Groß seiner ursprünglichen Weltanschauung treu geblieben zu sein scheint. 1991 hat er als Referent an einer Veranstaltung der Aktionsgemeinschaft für demokratische | Politik teilgenommen, die als Plattform für ; rechtradikales und neonazistisches Gedankengut gedient hat!“ Der spanische Faschist Pedro Varela lobte bei jenem Treffen Hitler „als zweiten Erlöser der Menschheit“, dessen „Lösungen“ auch heute „‚ohne weiteres angewendet werden können“. Auch Groß selbst scheut klare Worte nicht. Bei der Eröffnung seiner Ausstellung in Salzburg verkündete der ehemalige SS-Mann in altbewährter Manier: „Mit dem Kumen kann man nicht reden wie mit einer ® Kundiergästnenn. Den Russen muß man anre- | den wıc cancn Hund, dann weicht er zurück.“ !° 4 Salstwegs Bürgermeiser Dechant lobte denmb des „große demmhratische Grundver- | wenn” den alwrnahgen SS: Manns. i Netom deen veelfiact gegen dec Ausstellung vor- { grtcactece Vorwurf, se ,.pauschaliere“;:wazen dar für ihre Zusammenstellung Verantwortlatecm oftmals auch mit jenem der „Einseitig- | kext” konfrontiert. Schließlich habe sich währead des Krieges die „Gegenseite“ gleichermaßen schuldig gemacht. Diesen Aspekt lasse | die Ausstellung außer Acht, so daß der Eindruck entstehe, nur die Wehrmacht habe Verbrechen begangen. „Warum zeigt man keine Bilder über die grausamen Verbrechen am Deutschen Volk in den Ost-Staaten, z.B. im ehemaligen Jugoslawien inderZivilbevölkerung von Titopartisanen und der Roten Armee?“ fragte eine Salzburgerin in einem Leserbrief." Es sei unbestritten, daß „sich die Brutalität gegenseitig aufgeschaukelt hat“ , betonte Helga Embacher.'’ Doch „einmarschiert und den Krieg begonnen hat die Wehrmacht.“ Den von Soldaten der Roten Armee vergewaltigten Frauen, den aus den Sudetengebieten Vertriebenen oder jenen, die in Dresden ihre Angehörigen verloren haben, wird dies kein Trost sein. Allerdings ist es in erster Linie eine Aufgabe der britischen Öffentlichkeit, über die Verantwortlichen der Bombardierung von Dresden zu urteilen. In Tschechien wäre eine Diskussion über die Vertreibung der Sudetendeutschen durchaus angebracht. Und auch in Rußland ist vor einigen Jahren eine sehr kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Roten Armee während des „Großen Vaterländi