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Ne naeh schen Krieges“ geführt worden. Daß eine Gesellschaft sich vor allem über die Täterrolle der eigenen Väter- und Großvätergeneration Klarheit verschafft, erscheint mir jedenfalls wichüger als durch den Hinweis auf ,,andere“, diese Täterrolle zu relativieren, zu verallgemeinern und eine notwendige Diskussion womöglich von Anfang an zu neutralisieren. Politische und gesellschaftliche Ursachen sowie die Folgen von Verbrechen und der eigene „Beitrag“ dazu gehen dann schnell im global betrachteten ,, Naturereignis Krieg unter. Das Hamburger Institut fiir Sozialforschung hat sich deshalb bei der Gestaltung der Ausstellung bewuBt auf die Verbrechen der deutschen Wehrmacht beschränkt. Letztlich hat sich die Taktik der Ausstellungsgegner nicht bezahlt gemacht. Zu Demonstrationen oder gar Ausschreitungen, wie letztes Jahr in München, ist es in Salzburg nicht gekommen. Viele Lokalzeitungen, allen voran die Salzburger Nachrichten, haben sich um eine objektive Berichterstattung bemüht. Rund 20.000 Salzburgerinnen und Salzburger haben die Ausstellung besucht — eine große Zahl für eine Stadt mit nicht ganz 150.000 Einwohnern. An keinem anderen Ausstellungsort in Österreich, nicht einmal in Wien, waren so viele Besucher zu verzeichnen. Das Budget in der Höhe von 1,5 Millionen Schilling konnte deshalb zu 55% durch Eintrittsgelder abgedeckt werden. Die mit unverhältnismäßiger Gehässigkeit vorgetragenen Angriffe der Neuen Kronen Zeitung, des Landeshauptmanns und des Bürgermeisters haben das Interesse der Bevölkerung an der Ausstellung jedenfalls mehr zu wecken vermocht als die Aufrufe des Vereins Erinnern!. Das aggressive Klima offenbarte sich zwar in den ersten Tagen nach der Ausstellungseröffnung sehr deutlich, als unbekannte Täter eine Stellwand zerkratzten und Photos beschädigten. Die daraufhin eingeführten eher symbolischen „Sicherheitsmaßnahmen“ (Taschen und Jacken waren in der Garderobe abzugeben) hätten weiteren Übergriffen nicht wirklich vorbeugen können. Einige Besucher haben lautstark ihren Unmut iiber die ,, Verunglimpfung der Kriegsgeneration“ geäußert. Die meisten Salzburgerinnen und Salzburger machte das Gezeigte aber eher betroffen, was auch in zunehmendem Maße der Tenor vieler Leserbriefe in der Lokalpresse und der Eintragungen ins Gästebuch der Ausstellung war, und viele chemalige Wehrmachtsangehörige konnten das Gezeigte durch den Hinweis auf eigene Beobachtungen bestätigen. Von den etwa 400 Führungen fanden 300 mit Schulklassen statt. Auch die 35 Begleitveranstaltungen waren gut besucht. Sie reichten von wissenschaftlichen Vorträgen über Diskussionsrunden, bei denen auch ehemalige Soldaten zu Wort kamen, bis zu Filmen wie dem Antikriegsklassiker Die Brükke. Die Bereitschaft, sich mit dem Thema kritisch und sachlich auseinanderzusetzen, scheint gerade im „konservativen“ Salzburg besonders groß gewesen zu sein. Helga Embacher sprach von einer „zivilgesellschaftlichen Mobilisierung ..., die deutlich machte, daß es auch ein anderes Salzburg gibt“.'? Anmerkungen 1 Siehe Hannes Heer, Klaus Naumann (Hg.): Vernichtungskrieg: Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944. Hamburg: Hamburger Edition 1995, S, 57-77. 2 MdZ berichtete darüber. Siehe v.a.: Interview von Bernhard Kuschey mit dem Mitorganisator der Ausstellung Walter Manoschek (MdZ Nr.1/1996, 3-9), sowie Bernhard Kuscheys Artikel Der schwierige Weg der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" nach Graz (MdZ Nr.1/1997, 59f.) 3 Salzburger Fenster Nr.6, 4.3. 1998. 4 Profil (Wien) Nr.11, 9.3. 1998. 5 Ebenda. 6 Ebenda. 7 Kameradschaft Akuv. Nr. 1/2, Jänner/Februar 1998. 8 Siehe unter anderem: Profil, wie oben; Der Neue Mahnruf (W ien) Nr.4, April 1998; FlachMitteilungsblatt Karl Pfeifer gauer Nachrichten (St. Johann i.P.) Nr. 13, 26.3. 1998; etc. 9 Salzburger Fenster, wie oben. 10 Die Diskussion fand im Salzburger Europark am 6. März 1998 statt. 11 Bei dem Bild handelt es sich um eine ziemlich unscharfe Photographie, so daß eine einwandfreie Identifikation des Abgebildeten unmöglich ist. Trotzdem, meinte Lichtblau, könnte es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um ein Massengrab handeln. 12 Kameradschaft Aktiv, wie oben. 13 Im Offenen Brief von Simon Wiesenthal, Albert Lichtblau und Walter Manoschek vom 5.3. 1998 an Bundeskanzler Viktor Klima wird auf Groß’ Vergangenheit hingewiesen. 14 Die Grüne (Zeitschrift der Bürgerliste Salzburg) Nr.2, April 1998. 15 Falter (Wien) Nr.15, April 1998. 16 Salzburger Nachrichten, 20.3. 1998. 17 Salzburger Fenster, wie oben. 18 Kurier (Wien), 16.4. 1998. Im Jahrbuch der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), die von Bundespräsident Thomas Klestil kurz vor der letzten Wahl einen Persilschein erhielt, sind ‚„Nazitöne“ und „„Nazidiktion“ enthalten. Das wurde durch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 4. Mai 1998 rechtskräftig bestätigt. Als Redakteur der GEMEINDE, der Zeitschrift der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, rezensierte ich für die Februarausgabe 1995 das , Jahrbuch fiir politische Emeuerung 1995" ‚das vom Freiheitlichen Bildungswerk und der Politischen Akademie der FPÖ verlegt wurde. Da ich nicht einmal ganze zwei Spalten für meine Rezension zur Verfügung hatte, mußte ich mich auf den Aufsatz von Dr. Wemer Pfeifenberger, Professor für Politikwissenschaften an der Fachhochschule Münster (Nordrhein-Westfalen), „Intemationalismus gegen Nationalismus/Eine unendliche Todfeindschaft“ beschränken. Beim ersten Überfliegen seines Textes fiel mir der Name Tucholski (sic!) auf. Und so las ich diese den Nationalsozialismus entlastende Geschichtsdarstellung, in welcher die wissenschaftliche Geschichtsschreibung ve rmhöhnt! wird, mit wachsendem Unbehagen. Werner Pfeifenberger versucht auf 52 Seiten die europäische Geschichte als eine Todfeindschaft des Internationalismus gegen den Nationalismus darzustellen, wobei das Wort Internationalist einigemale für das Wort Jude und Nationalismus für Nationalsozialismus steht. Pfeifenberger beklagt das ,,Einsickern des orientalischen (jüdischen) Messianismus in Gestalt des missionarisch-offensiven Frühchristentums“ und meint, das wesentliche ,,Kennzeichen dieses gedanklichen Fremdkörpers war schließlich die ausgeprägt sozialistische Weltanschauung, die als orientalische Denkungsart erst durch das Urchristentum in die klassische Welt gelangte und von der metaphysischen Gleichheit aller Menschen ausging“. Paulus — so Pfeifenberger — „sammelte die gesellschaftlichen Aussteiger seiner Zeit ... in dem Bestreben, eine Erhebung der Minderwertigen zu schüren ...“ Über das Papsttum gelangt Pfeifenberger bis zur Französischen Revolution, die laut diesem Professor, der sogar Geschichte an einer deutschen Universität lehrte, auch von Juden geführt wurde. Hinter der Französischen und der Amerikanischen Revolution steckten natürlich die Freimaurerund andere geheime Gesellschaften, und so geht es dann weiter bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten, die er mit Begeisterung schildert, wobei er sich kommentarlos auf Joseph Goebbels stützt. Werner Pfeifenbergers Text zeichnet sich durch ressentimentfördernde und emotional aufgeladene Sprache aus. Wie andere seiner Denkungsart widmet auch er viele Seiten der , Umerziehung‘“ und beanstandet den in die USA geflüchteten deutschen Schriftsteller Emil Ludwig: „Alte Universitätsbräuche, waffentragende Studentenverbindungen und übermäßiges Biertrinken seien zu verbieten. Ein Mensurschmiß im Gesicht müsse von Arbeitgebern als Anstellungshindernis betrachtet werden. Mit diesen strengen Sitten eiferte Ludwig Hitler nicht nur nach, sondern übertraf ihn sogar noch.“ Zwei Gerichtsverfahren in Wien Die Verbreitung des aggressiv-demagogischen Sprachstils eines Pfeifenberger und seinesglei39