Der Nichtuntersagungsbescheid (so heißt das in
Österreich) der Bundespolizeidirektion Wien
wurde am 6. April 1988 ausgestellt, so konnte
der gemeinnützige Verein „Hermann Hakel
Gesellschaft“ seine Tätigkeit beginnen: Ge¬
meinsam mit dem österreichischen P.E.N.-Club
veranstaltete er am 31. Mai 1988 einen Erinne¬
rungsabend. Angelica Schütz und (der vor kur¬
zem verunglückte) Clemens Eich lasen Lyrik
und Prosatexte, aber auch schon Proben aus
Hakels nachgelassenen Schriften und Tagebü¬
chern.
Vorbild für die Gründung einer literarischen
Gesellschaft um die Person Hermann Hakels
war die Theodor Kramer Gesellschaft'. Auch
wir wollten uns der Erforschung, Pflege und
Verbreitung des literarischen Werkes widmen,
sowie für die Erweiterung der Kenntnisse über
seine Person und seine Stellung in der Literatur
und Gesellschaft einsetzen.
Was wir aber nicht „nachahmten“ war die
Herausgabe einer eigenen periodischen Zeit¬
schrift oder zumindest eines regelmäßigen Mit¬
teilungsblattes, wie wires jaz.B. mitdem LYN¬
KEUS? hätten tun können. Für die Handvoll
Mitglieder schien sie uns zu aufwendig, und für
den Gewinn eines größeren Leserkreises fehl¬
ten uns Impulse und Qualität, Heute, zehn Jahre
nach der Gründung der Gesellschaft, glauben
wir zu wissen, daß dies eine falsche Entschei¬
dung war. Es fehlt nämlich die Brücke zu jenen,
die ständig informiert werden wollen, was aus
dem Nachlaß erarbeitet und publiziert wird,
welche Reaktionen es in der Öffentlichkeit gibt
und wo etwas im Zusammenhang mit dem
Dichter veranstaltet wird.
Inzwischen sind viele Mitglieder verstorben”
und neue (junge) kaum hinzugekommen. Was
gleich blieb, sind die Vorstandsmitglieder und
ständigen Mitarbeiter der Gesellschaft wie Ger¬
hard Amanshauser, Richard Kovacevic, Hans
Raimund und meine Wenigkeit.
Unsere damalige Überlegung, den Interessier¬
ten eine Mitgliedschaft in der Form anzubieten,
daß sie sich lediglich zu verpflichten brauchten,
einmal jährlich eine Publikation des von der
Gesellschaft geführten Verlages zu einem Vor¬
zugspreis zu erwerben, fiel nur in den ersten
Jahren auf fruchtbaren ‚Boden. Wir brachten
einen Erinnerungsband*, drei Sammelbinde
(aus den nachgelassenen Tagebiichern)” sowie
eine Wiener Reihe® auf den Buchmarkt. Der
Erfolg war recht unterschiedlich. Einzig der
Band mit Hakels Begegnungen mit Literaten
und seinen Bemerkungen zur Literatur’ war
nach kurzer Zeit vergriffen und deckte die Her¬
stellungskosten. Das Defizit der anderen Publi¬
kationen® fiihrte zu einem, hoffentlich nur vor¬
übergehenden, Stillstand in der Herausgebertä¬
tigkeit. Auch der für Ende 1997 (zum 10. To¬
desjahr von Hermann Hakel) geplante Lyrik¬
band mußte daher auf unbestimmte Zeit ver¬
schoben werden. Zuletzt verhalf uns der Wiener
Löcker-Verlag mit einer kleinen Ausgabe der
von Hakel gesammelten ostjüdischen Witze”
dazu, daß der Autor ‚,weiterleben‘ konnte. Und
für Anfang 1999 verdanken wir es dem Verlag
der Theodor Kramer Gesellschaft, daß Hakels
Übertragungen jiddischer Lyrik in einer von
dem Experten Armin Eidherr betreuten Ausga¬
be erscheinen werden.
Wir bleiben der Theodor Kramer Gesellschaft
und den Herausgebern dieser Zeitschrift schon
deshalb besonders verbunden, weil - von eini¬
gen Rezensenten und Redakteuren abgesehen
— sie allein es sind, die den Anliegen unserer
Gesellschaft in der einen oder anderen Art stets
Rechnung tragen und von ihr berichten.'?
Die von unserer Gesellschaft fiir Ende 1997/¬
Anfang 1998 geplante Gediichtnisausstellung.
vor allem um auch einmal die Vielseitigkeit des
verstorbenen Schriftstellers dokumentieren zu
können, scheiterte sowohl im Jüdischen Mu¬
seum der Stadt Wien als auch im Wiener Lite¬
raturhaus. Fiir das Museum diirfte der in Wien
(!) wirkende Jude (!) einen international zu
wenig prominenten Namen und für das Litera¬
turhaus einen zu heiklen Ruf als Kritiker haben.
der seine Konfrontationen mit den Zeitgenos¬
sen und dem Literaturbetrieb womöglich nach
über seinen Tod hinaus fortsetzen könnte. Was
immer auch die Gründe gewesen sein mögen ¬
mit der Ausstellung entfielen auch die begies¬
tenden Veranstaltungen, wie z.B. Lesungen und
Diskussionen, bei denen uns die Theodor Kra¬
mer Gesellschaft ebenfalls unterstützt hätte,
Die nächste Gelegenheit, sich seiner zu erin¬
nern ist der 100. Geburtstag, der in das Jabe
2011 fällt! Wer es noch erleben kann, wind
dann vielleicht feststellen müssen, daß ein
„Unbequemer“ endlich verstummt ist,
Hakel selbst meinte, daß solche runde Geburts¬
oder Todesjahre bloß geschichtliche Bezie¬
hungen für ein geschichtsloses Publikum wor¬
täuschen, um für Verlage, Zeitungen, Thester
oder Konzertsäle Anlässe zur kommerziellen
Ausbeutung zu schaffen. Durch Propaganda
und Reklame wird zur Teilnahme animiert, als
ob es sich um Wahlen oder Ferienreisen han¬
deln würde:
Die Zufälligkeit der nicht zusammenhängen¬
den Personen und Ereignisse macht aus dieser
Zahlenmanie ein groteskes Wachsfigurenkabi¬
nett, ein Panoptikum, das von Jahr us Jahr
verändert wird, aber mit den gleichen Mitteln
und Resultaten immer nur beweist, daß die
heraufgerufenen Toten nichts mehr mit der Zeit
und ihren Repräsentanten gemein haben. Die
Toten bestätigen nicht die Gegenwart- und die
Gegenwart bestätigt nicht die Toten. Alles ist
nur noch Regie, Spektakel und Konsum.”
Emmerich Kolovic ist Rechisnachfolger und
Verwalter des Nachlasses von Hermann Ha¬
kel, Obmann der Hermann Hakel Gesellschaft,
Geschäftsführer des Verlages LYNKEUS. Ge¬
boren 1933 in Wien, Justizbeamter i.R./Schrift¬
Steller.
1 Siehe MdZ 6 (1989) 4 (Dezember), S. 12.
2 Zuletzt war H. Hakel Herausgeber der Lite¬
raturzeitschrift LYNKEUS, die zwischen 1948
und 1951 (Nr. 1-8) erschien und Gedichte sowie
Prosa von Nachkriegsautoren wie Ingeborg
Bachmann, Marlen Haushofer, Hertha Krift¬
ner, Gerhard Fritsch oder Walter Toman verif¬
fentlichte. Nach einer Unterbrechung von fast
30 Jahren nahm Hakel die Herausgebertätigkeit
zwischen 1979 und 1986 wieder auf (Nr. 9-38
und zwei Sonderhefte), um ‚an Vergessenes zu
erinnern, Fernes anzunähern, Fremdes be¬
kanntzumachen und junge Autoren kritisch zu
sichten und zu veröffentlichen“. In diesen sie¬
ben Jahren erschienen 22 Hefte im Gesamtum¬
fang von 1.248 Seiten. Unter den 278 vertrete¬
nen Autoren und Autorinnen waren rund 60
junge, unbekannte, von denen etwa ein Dutzend
erstmals im LYNKEUS publizierte.
3 Allein 20 aus der schreibenden und darstel¬
lenden Zunft, wie Fritz Brainin, Georg Eisler,
Vera Ferra-Mikura, Alfred Frisch, Anton
Fuchs, Mimi Grossberg, Edwin Hartl, Franz
Hicsel, Albert Janetschek, Hans Jaray, Ernst
Jünger, Florian Kalbeck, Alfred Kittner, Ilse
Lestenberger, Viktor Matejka, Herbert Selko¬
lon. Hugo Wiener, Eva Zilcher.
4% Ean besonderer Mensch. Erinnerungen an
Hermann Hakel. Wien: Verlag LYNKEUS
1968. ISBN 3-900924-00-7. 213 S. ÖS 248,-.
$ Suche Anmerkungen 8 und 9.
& Woener Literaritäten. Aus alten Wiener
Wissbdamern 4 Bande. Verlag LYNKEUS
1990 wed 1991. Je 112 S.. illustriert, pro Band
OS 128...
KEUS I,
8 Der wuleilbanı Wahn. Denkprozesse. Ver¬
lag LYNKEUS 1993. 275 S. OS 296,-.
Zu Fuß duschs Rote Meer. Impressionen und
Träume. Verlag LYNKEUS 1995. 250 S. ÖS
282...
9 Siehe hiezu die Rezension von Hermann
Schueiber ,, Hermann Hakel und der ostjiidische
Humor“ in diesem Heft der MdZ.
10 Siehe MdZ 14 (1997) 2 (Mai), S.12f.
11 Siehe MdZ 5 (1988) 2 (Mai), S.2f., MdZ 6
(1989) 2 (Juni) S.6, MdZ 8 (1991) 3 (Oktober)
S.20, MdZ 12 (1995) 1 (Mai), S.32f.
12 Zitat aus Hermann Hakels Tagebuchauf¬
zeichnungen aus dem Jahre 1983.
Der neue Laden voll EXTRAPLATTEN.
Info 310 1084 oder