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Der einleitende Satz von Doron Rabinovici trifft auch auf mich zu: auch ich bin ein Leser dieser Zeitschrift, die kürzlich ihr fünfzehntes Jubiläum beging: Zuweilen sieht man vor lauter Bäumen den Wald nicht. Heute, mehr als ein halbes Jahrhundert danach, bringt mir jede Nummer der MdZ jenen Teil meines Lebens ins Bewußtsein, der bei weitem nicht seinen größten, wohl aber seinen maßgebendsten Abschnitt betrifft. Die Erinnerung an die bangen Momente, da wir hinter dem Vorhang des Fensters unserer Wohnung am Friedrich Engels-Platz, in der Brigittenau, mit Entsetzen sahen, wie jüdische Männer und Frauen unten auf der Straße von einer verrohten Menge gedemütigt wurden, während sie gezwungen waren, das Straßenpflaster von Parolen gegen die Nazis zu säubern. Erinnerungen an Hausdurchsuchungen in der Nacht: an Flucht im letzten Augenblick. Aber auch die Erinnerung an das Leben als „refugees“ als „enemy aliens"; die Erinnerung an Veranstaltungen im ,,Refugee Club“, an den Verkauf des ,,Zeitspiegels"; an Vorstellungen des ,,Laternd]“ — mit Miller als ,,Schwejk"; an Konzerte mit dem Rosé-Quartett... Erinnerungen auch an Freunde meiner Familie MIT DER ZIEHHARMONIKA Zeitschrift fiir Literatur des Exils und des Widerstands A-1020 Wien, Engerthstr.204/14 Tel.: (0043 1 bzw. 01) 729 80 12 Fax: 729 75 04 E-Mail: TKG@Compuserve.com Erscheint vierteljährlich. Herausgeber: Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser. Redaktion: Evelyn Adunka, Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser, Bernhard Kuschey, Marcus G. Patka, Peter Roessler, Vladimir Vertlib. Eigentiimer, Verleger: Theodor Kramer Gesellschaft, A-1210 Wien, Obere Jungenbergg.27, Tel. (0043 bzw. 01) 2946727. Druck: Hoffmann, 1020 Wien. Satz: Axel Filippovits. Umschlaggestaltung: Astrid d’Auzers. Drucklegung gefördert durch die Stadt Wien, das Land Niederösterreich und das Bundeskanzleramt. Preis des Einzelheftes: öS 60,- (DM 9,-/SFr 8,-). Jahresabonnement 1998: 6S 180,- (Osterreich), 6S 210,- oder DM 30,-/SFr 28,- (auBerhalb Osterreichs). Konto: Theodor Kramer Gesellschaft, Bank Austria Nr. 671 074 805. Abonnements und Mitgliedsbeitrige in der Bundesrepublik Deutschland bitte auf das Konto: Erika Achberger — Theodor Kramer Gesellschaft, Bezirkssparkasse Heidelberg, Bankleitzahl 672 500 20, Konto Nr. 30 72550. und an die Menschen aus dem Kreis der Emigranten in England — damals für mich Namen, Gesichter, eben Menschen aus „unseren“ Kreisen - und von denen ich erst heute weiß, daß es sich um bekannte Schriftsteller, Schauspieler, Musiker oder Wissenschaftler handelte. Erinnerungen an die Stimmungen, Empfindungen, an Diskussionen, an Gespräche über Tagesthemen von damals, an Hoffnungen, Sehnsüchte, Träume und Vorhaben über das, was wir alle aus dem Leben nach dem Krieg, wieder zu Hause, machen wollten; und Gedanken an Enttäuschungen. Ich selber hatte bei dem Gedanken an ‚‚zu Hause in Wien“ immer das Bild vor Augen von dem, wie es war, als wir 1938 fortgehen mußten. Natürlich wußte ich, daß die Nazis und der Krieg viel verändert hatten, daß die meisten unserer Verwandten und Freunde nicht mehrda waren — emigriert, deportiert, umgekommen; aber als junger Mensch hatte ich immer davon geträumt, daß wir daheim gebraucht würden, daß uns dort etwas erwartete. Dabei kam alles ganz anders. Aber die Herausgeber und sehr viele Autoren und Autorinnen der MdZ, die schon einer anderen Generationen angehören, haben einen sehr viel besseren, nüchterneren Überblick über das, was „damals“ war. In jeder Nummer lerne ich Menschen zu würdigen, die jahrelang um mich herum gelebt und gewirkt hatten. Die Literatur des Exils, die Kunst und Musik. Die Bedeutung des 13. März 1938... i „Free Austria“ war in jenen Jahren des englischen Exils meine „Heimat“. Wir alle legten großen Wert darauf, daß wir Österreicher waren und in keiner Hinsicht etwas mit den den deutschen Nazis gemeinsam hätten. Dabei hatten wir doch am eigenen Leib erfahren, daß die österreichische Bevölkerung Hitler zugejubelt und sich in brutalster Weise an der Verfolgung aller Hitlergegner und Juden beteiligt hatte. Auch nach dem Krieg bewegte ich mich vor allem in Kreisen ‚‚unserer Leute“ — Emigranten, Überlebende aus den Lagern und aus dem Untergrund. Erst durch das Lesen der MdZ, der „Neuen Illustrierten Welt“, durch die Zusammenkünfte der „Internationalen Gesellschaft fiir Exilforschung“ ist mir in den letzten Jahren — mehrals ein halbes Jahrhundert danach - erst richtig klar geworden, wie viele bedeutende Zeitgenossen, die jetzt einer nach dem anderen wegsterben, ich gar nicht richtig zu schätzen wußte, weil ich von ihnen zu wenig wußte. Mir ist deutlich geworden — wie wenige wir eigentlich sind — und wie wenig man jenein den Ländern schätzt, in die Emigranten mit so groß- ° en Hoffnungen und Träumen zurückgekehit © waren! ‘ Und die Tatsache, daß wir weitgehend ,,Au8 enseiter“ sind. ei Es ist aber nie zu spät, die Wirklichkeit zu | erkennen und Konsequenzen daraus zu ziehen. © Dafür bin ich den Herausgebern dieser Zeit- | schrift dankbar. Vor allem aber auch dafür, daß durch die Vor- % stellung der vielen Schriftsteller, Künstler, Mu- * siker, Historiker, Philosophen mir das Gefühl * vermittelt wird: „Du bist nicht allein.“ ‘ Eva Brück, © Berlin Zu „Alfred Apsler (A.A.-r.; A-r). Pädagoge - = Schriftsteller-Volksbildner“ von Herbert Exen- | berger in MdZ Nr.3/1997, S. 15-17: Thank you for the work you have done; it is most accurate and complete. 4 We moved to the Westcoat of the United % States in 1943 and lived firstin Longview and % then in Vancouver (Washington). At Clark | history department and also gave courses in comparative religion and philosophy. As his hobby he wrote many articles for newspapers and magazines. He gave many lectures and also courses on Television, the one I' remember best was titled „Heroes without Weapons“ telling the story of inventor of Braille, the Red Cross and others. At the college he organized classes for senior citizens training various subjects and given by college professors. This has been very successful and continues up to this date. 4 In his later years, even before his retirement at % 65 he had became interested in the study of aging. He became an expert in the study of gerontology and was in great demand to speak before many groups. Clark College honors his memory by bringing an outstanding speaker at the beginning of each schoolyear in the Apsler Memorial Lecture. Erna Apsler, Portland (Oregon), 10. Mai 1998 „Fragen Sie weniger über Brecht hören Sie mehr von Eisler“ Am 6. Juli 1998 wäre der in Wien geborene Komponist Hanns Eisler 100 Jahre alt geworden. Das Jüdische Museum der Stadt Wien, 1010 Wien, Dorotheergasse 11, lädt daher für den Samstag, 5. Juli 1998, 20 Uhr zu einer Eisler-V eranstaltung ein, bei der es mehr um den eigenständigen großen Komponisten Eisler als um den musikalischen Weggefährten Bertolt Brechts gehen soll. Es spricht Gerhard Scheit. Gespielt werden u.a. die sogenannte „Reisesonate“ und die „‚Kanate zu Herrn MeiLiteraturhandlung im Jiidischen Museum, Tel. 5125361).