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Lebenslauf des Arnold Weisz/Peter Kubinéan Geboren am 3. März 1898 in Ujslie (Polen) als Sohn von Samuel Weisz und seiner Gattin Julia, geb. Simon. Geschwister: Manfred, Valerieund Viktoria. 1904-13 besuchte er die Volks- und Bürgerschule in Dolny Kubin (Slowakei) und dann bis 1917 die Kunstgewerbeschule in Budapest (dekorative Bildhauerei bei L. Matrai und I. Simai). 1917 mußte er zum Militär einrücken, war eingestzt auf dem Balkan und an der italienischen Front. Von 1918 an studierte er Malerei und Graphik an der Akademie der bildenden Künste in Berlin. Die neuen künstlerischen Bewegungen interessierten ihn sehr: die Berliner Künstlergruppe „Die Brücke‘, „‚Der blaue Reiter“ in München, das expressionistisch geprägte Künstlerleben Dresdens mit seiner Kunstakademie und der Gartenstadt Hellerau. Besonders Oskar Kokoschka und Alfred Kubin beeindruckten ihn mit ihren Arbeiten. 1923 nach Dolny Kubin zurückgekehrt, sah er die Heimat mit anderen Augen. Die OravaLandschaft und ihre Umgebung zeichnete und malte er in dem ihm eigenen Stil: konzentriert auf symbolische Zeichenhaftigkeit. Menschen, Tiere und Gebäude faßte er nicht mehr nur als räumliche oder körperliche Gegebenheiten auf, sondern als geschichtliche und geistige. Er brach auch den Dialog mit den Kunstwerken der Vergangenheit nicht ab, versuchte, den Bruch zwischen Tradition und Moderne zu überwinden, Kontinuität zu gewinnen. 1933 übersiedelte Weisz zu seinen Künstlerfreunden J. Alexy, M. Bazovsky und L. Odrejov in die Gebirgsstadt Martin. 1933 aber kam auch sein Schwager, der Maler und Graphiker Helmut Krommer, als Fliichtling aus Berlin zu ihm und erzählte, was in Deutschland vorgeht. Arnold Weisz nimmt das Pseudonyn Peter Kubinéan an. Als sich 1939 die Slowakei von der Tschechoslowakei abspaltet und ein Vasall Hitlerdeutschlands wird, geht Weisz in die ,,Innere Emigration“. Zu seinen Freunden gehören der Bildhauer Frafio Stefunko und der Maler Martin Benka, der über Weisz-Kubin£an in seinen Erinnerungen schreibt: „Wenn niemand singen wollte, kam es zum Gespräch. In dieser Hinsicht hatten wir den Maler A. Weisz-Kubinéan sehr gern. Mit ihm konnten wir über ästhetische und soziale Fragen sprechen. Im ‘Slowakischen Staat” schützen wir ihn vor rassistischen Verfolgungen, halfen ihm moralisch und materiell. Er konnte in Freiheit leben; aber zuletzt war er nicht vorsichtig genug, verließ seinen Unterschlupf und fiel durch einen unglücklichen Zufall der Gestapo in die Hände. Niemand wußte, wo der arme Mensch hingekommen war, und er kehrte auch nicht wieder.“ Weisz-Kubinéan wurde offenbar im Zusammenhang mit dem ,,Slowakischen Nationalaufstand“ und der Besetzung der Slowakei durch die deutsche Wehrmacht verhaftet. 27. November 1944 in Auschwitz: Der aus Theresienstadt gekommene Maler und Graphiker Leo Haas 46. erinnert sich: ,, Wir standen beim Appell neben Slowaken. Unmittelbar neben mir stand ein sehr alter Mann. Je langer ich ihn betrachtete, desto bekannter kam er mir vor. Und auch er erkannte mich. Es war der Bildhauer Arnold Weisz aus Dolny Kubin, den ich wahrend meiner Studienzeit in Berlin getroffen hatte. Damals hatte er die Bildhauerei aufgegeben und sich der Malerei zugewandt. [...] Nach dem Appell trafen wir uns im Block. Wir teilten unsere Decken und das Brot, doch schon am nächsten Tag gingen alle Slowaken auf Transport. Später erfuhren wir, daß sie alle umgebracht worden sind.“ Arnold Weisz starb unter ungeklärten Umständen im KZ Sachsenhausen. So endete das Leben eines großen Künstlers, der seine Umwelt vorbehaltlos beobachtete und Werke schuf, die ein lebendiger Spiegel der Zeit sind. Anna Krommer Kellerwohnung Am Tage dunkel, erst im Dunkel hell, des Kellerfensters tiefliegender Raum — unheimlich düster wie ein böser Traum verirrter Kinder. Bei fahler Leuchte unscharf Unterwelt, auf die von draußen huschende Kreaturen flüchtig starren. Arnold Weisz, Selbstportrait, Federzeichnung 1927. - Vom 7.5. bis 30.6. 1998 wurde im Begegnungszentrum Troppau (Tschechien) eine von Jeronym Foltyn zusammengestellte Ausstellung des 1944 im KZ Sachsenhausen ermordeten oder umgekommenen Malers und Graphikers Arnold Weisz gezeigt. Foltyn hat das Material für die Ausstellung schon seit Jahren überall auf der Welt zusammengetragen, und es ist ihm gelungen, den Lebenslauf des Künstlers zu rekonstruieren und 28 seiner Werke ausfindig zu machen. — Weisz ist ein Bruder von Anna Krommers Mutter Valerie; fünf seiner Zeichnungen sind in Krommers Lyrikband ‚Staub von Städten“ abgebildet.