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Die goldene Stadt

Ein bedeutender Dokumentarfilm

In den bisher aufgefundenen Kisten befanden sich
Tausende von goldenen Eheringen mit israeliti¬
schen Namenszügen, die, wie man mit Entsetzen
feststellte, zum Teil braune Flecken aufwiesen,

- was den Schluß zuläßt, daß die Ringe mit dem
Fingerglied abgetrennt wurden. Weitere Kisten
enthielten Goldzähne, die Zangenspuren aufwie¬
sen, während sich unter der Masse von Gold auch
natürliche Zähne befanden — ein Beweis, daß sie
mit roher Gewalt entfernt worden waren.

Dies zitiert der Schriftsteller und Filmemacher
Norbert Prettenthaler, Drehbuchautor und zu¬
sammen mit Herbert Tucmandl auch Regisseur
des Dokumentarfilms ‚Die goldene Stadt“, aus
einem Artikel der „Tiroler Tageszeitung“ aus
dem Jahre 1946. Über das Filmprojekt, damals
noch unter dem Arbeitstitel „Das goldene
Dorf“, und über die Geschichte selbst haben
Prettenthaler und der Tiroler Schriftsteller Os¬
wald Perktold schon in MdZ Nr. 1/1997, S.
SIf., berichtet. Inzwischen wurde der Film fer¬
tiggestellt und am 11.6. 1998 im Rahmen der
„Jüdischen Filmwochen“ in Wien uraufge¬
führt.

Ungarische Pfeilkreuzler-Faschisten hatten im
März 1945 einen bei den über 400.000 depor¬
tierten ungarischen Juden zusammengeraubten
Goldschatz in Richtung Schweiz zu transportie¬
ren versucht. Ein Teil des Transportes kam nur
bis zu dem kleinen Dorf Schnann am Arlberg;
dort vergruben die Pfeilkreuzler die Kisten mit
dem Gold. Einheimische, die dies beobachtet
hatten, zeigten wenig später alle Anzeichen
neuen Reichtums. Im Volksmund hieß Schnann
fortan ironisch „‚Die goldene Stadt“. 1946 be¬
gann die französische Besatzungsmacht nach¬

zuforschen, die österreichische Gendarmerie
griff ein, Verhaftungen wurden vorgenommen,
acht Kisten teils von der Gendarmerie, teils von
der Besatzungsmacht beschlagnahmt. Ein Teil
wurde 1948 Ungarn zurückgegeben und dort
eingeschmolzen. Verwische die Spuren! Ein
anderer Teil des beschlagnahmten Goldschat¬
zes verblieb in Österreich und scheint sich in
Luft aufgelöst zu haben. Einzelne Stücke wur¬
den in Innsbruck gerichtlich versteigert. Die
betreffenden französischen Archivbestände
sind vorläufig bis 2046 gesperrt.

Der Dokumentarfilm erzählt die Geschichte be¬
hutsam in Gesprächen mit Dorfbewohnern von
Schnann und Flirsch, in den Erinnerungen von
Oswald Perktold und des Malers und Bildhauers
Reinhold Traxl. Vereinzelt werden in knappen
Bildern die Vorgänge veranschaulicht, besonders
gelungen in den Szenen, in denen die Kinder des
Dorfes die Vorgänge in ihrem Theaäterspiel verar¬
beiten. Der Film folgt gewissermaßen der Struktur
der Überlieferung: dem Auftauchen einer schier
unglaublichen Geschichte aus einem durch nichts
belegbaren Gerücht, von dem der Autor aus einer
Nebenbemerkung eines Einheimischen erfährt,
einer Geschichte, die von den Beteiligten und den
Behörden verleugnet wird, deren Akten plötzlich
einer 100jährigen Archivsperre unterliegen... Das
ganze Ausmaß der hinter dieser Geschichte stek¬
kenden Verbrechen, Machinationen und Berei¬
cherungen wird fühlbar, ohne daß das Grauen in
plakativer Weise beschworen wird. Der Film be¬
richtet Sensationelles denkbar unsensationell.
Und daß sich in Osterreich niemand sonst für die
Geschichte interessiert, dürfte seine Gründe ha¬
ben. Die französiche Schriftstellerin Anne Mei¬
stersheim, die sich aus französischer Sicht mit der
Geschichte befaßt hat, schreibt in ihrem Roman
„Der einäugige Adler“:

Ja, es ist gut möglich, daß eine neunte Kiste
existiert... aufmeinen Reisen wurde mir berichtet:
daß das eine oder andere Hotel in der Nähe von
St. Anton mit der Ausbeute dieser Kiste gebaut
wurde.

Vielleicht soll vor der Schiweltmeisterschaft
am Arlberg über das Zahngold ermordeter Jü¬
dinnen und Juden nicht geredet werden. Und so
mußte der Film auch ohne staatliche Förderung
gedreht werden, zeigte sich das österreichische
Fernsehen (ORF) desinteressiert, fehlen dem
Produzenten die 400.000 6S, die er investiert
hat, und dem Drehbuchautor und dem Regis¬
seur die Honorare. Immerhin: Der Film wird
beim ‚Internationalen Berg- und Abenteuer¬
filmfestival‘“, 12.-14. November 1998 in Graz,
wieder gezeigt.

Konstantin Kaiser

Die goldene Stadt. Dokumentarfilm. 38 Minu¬
ten. Österreich 1998. Produktion: Heinz Zeggl.
Regie: N. Prettenthaler, H. Tucmandl. Dreh¬
buch, Recherche: N. Prettenthaler. Kamera,
Schnitt: H. Tucmandl. Musik: Christof Dienz,
„Die Knödel“. (Anfragen an: Heinz Zeggl
Filmproduktion, A-1140 Wien, Gudeng.9-11.)

Zerstörte Kultur

ist der Titel einer auf 15 Litfaßsäulen verteilten
Ausstellung, die vom 18. Oktober bis 9. Novem¬
ber 1998 im Wiener Bezirk Leopoldstadt gezeigt
werden wird. In der Leopoldstadt, auf deren Ge¬
biet ja auch das 1670 aufgelöste Judengetto am
„Unteren Werd“ lag, war bis 1938 über ein Drittel
der Bevökerung jüdischer Herkunft. Veranstalter
der Ausstellung sind die Gebietsbetreuungen Kar¬
meliterviertel und Leopoldstadt (von der Stadt
Wien/Stadtplanung finanzierte Einrichtungen, die
sich mit der Revitalisierung und Sanierung alter
Wohnviertel befassen) in Zusammenarbeit mit
der Aktion gegen den Antisemitismus. Die Litfa߬
säulen sind aufgestellt, wo sich ehemals Stätten
jüdischer Kultur befanden: Synagogen, Schulen,
Theater... Der Schriftsteller wird vor dem Haus
Heinestraße 4 gedacht, dem Geburtshaus Jura
Soyfers.

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