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MIT DER ZIEHHARMONIKA Zeitschrift für Literatur des Exils und des Widerstands A-1020 Wien, Engerthstraße 204/14. Tel. (0043 1 bzw. 01) 729 80 12 Fax: 729 75 04 E-Mail:TKG@COMPUSERVE.COM Erscheint vierteljährlich. Herausgeber: Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser. Redaktion: Evelyn Adunka (E.A.), S. Bolbecher (S.B.), K. Kaiser (K.K.), Bernhard Kuschey, Marcus G. Patka, Peter Roessler, Vladimir Vertlib. Preis der Einzelnummer: öS 60,-/DM 9,SFr 8,-. Jahresabonnement 1998: öS 180,(Österreich), 6S 210,-/DM 30,-/SFr 28,USD 20,-(A usland). Konto: Theodor Kramer Gesellschaft: Bank Austria Nr. 671 074 805. Abonnements und Mitgliedsbeiträge für die Theodor Kramer Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland bitte auf das Konto: Erika Achberger — Theodor Kramer Gesellschaft, Bezirkssparkasse Heidelberg, Bankleitzahl 672 500 20, Konto Nr. 30 72550. Druck: Hoffmann, 1020 Wien. Satz: Axel Filippovits. Umschlaggestaltung: Astrid d’Auzers. Drucklegung gefördert durch das Bundesministerium fiir Wissenschaft und Verkehr, das Wissenschaftsreferat der MA 18/Stadt Wien, das Land Niederösterreich und das Bundeskanzleramt. Eigentümer, Verleger: Theodor Kramer Gesellschaft, A-1210 Wien, Obere Jungenbergg.27, Tel. (0043 bzw. 01) 2946727. Die Zeitschrift dient den in Paragraph 2 des Statuts genannten Aufgaben der Theodor Kramer Gesellschaft: 1) Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt die Erforschung, Pflege und Verbreitung des Werkes Theodor Kramers sowie die Erweiterung der Kenntnisse über den literarischen und gesellschaftlichen Kontext, in dem dieses Werk geschrieben und aufgenommen worden ist und weiterhin rezipiert wird. 2) Der Verein sucht in diesem Sinne das Zusammenwirken und den Kontakt mit allen Initiativen, die dem Studium und der Verbreitung antifaschistischer und demokratischer Literatur, bzw. der Arbeiter- und Exilliteratur dienen. Vorstand der Theodor Kramer Gesellschaft: Karl Müller (V orsitzender), S. Bolbecher (Stellv. Vorsitzende), P. Roessler (Schriftführer), Herbert Staud (Kassier), Werner Josef Grüner, Erich Hackl, Harald Maria Höfinger, Gabriele Holzer, Primus-Heinz Kucher, M.G. Patka, Ilse Pollack, Gerhard Scheit. Sekretär: K. Kaiser. “Die Wand entlang“ - Ehrung für Else Feldmann Von der Wallensteinstraße Richtung Augarten verläuft die Staudingergasse. Keine große, breite oder langgezogene Straße, diemeisten Zinshäuser zeigen offen durch die Gestaltung von Stiegenhaus, Gängen, Lichthof und Fassaden was schon bei ihrer Errichtung eingeplant war: die Häßlichkeit des immer zu Knappen. Eine Hauptschule befindet sich dort und seit dem 24. Juni 1998 eine Gedenktafel für die Schriftstellerin Else Feldmann: Im Haus Nr. 9, Tür 10, wohnte die jüdische Proletarierfamilie Ignatz und Fanny Feldmann mit ihren sieben Kindern. Else Feldmann, geboren am 25. Februar 1884, blieb im Leben wie in ihrer Literaturdieser Welt verpflichtet. Es ist aber nicht das Milieu allein, das in Feldmanns Romanwelt lebendig wird, wenn auch die beklemmenden Verhältnisse, der Mangel und auch die Rohheit immer präsent bleiben. In ihrer ersten selbständigen Publikation „Löwenzahn“ (1921) erlebt die ‚„‚Ich-Erzahlerin“ Marianne, warum Olga, eine Mitschülerin, die Überschuhe und ein samtenes Kleid trug, nicht ihre Freundin werden kann, denn ihre Mama erlaube es nicht, daß sie mit armen Kindern verkehre. Ein armes Kind ist ein Kind, dessen Eltern kein Geld haben. ,,Ja, das begriff ich ... hatte auch nicht mehr den Mut, eine andere zu fragen, sondern ging fortan al lein, die Wand entlang.“ Für Erich Hackl besteht „Feldmanns Kunst darin, die Sprache von den Erscheinungen auf deren Ursache zu lenken: Sie schreibt in kurzen Sätzen, deren Rhythmus wie das gepreßte Atmen eines Kindes ist, das sich seine Anstrengung nicht anmerken lassen will.“ Schülerinnen und Schüler — großteils internationaler Herkunft und in Wien aufgewachsen — der musisch-kreativen Hauptschule in der Staudingergasse bereiteten einen besonderen Festakt für die Tafelenthüllung vor. Sie gestalteten eine Ausstellung über Widerstand und Verfolgung in der Brigittenau und zitierten aus Berichten von Verfolgten, die 1938 im zweckentfremdeten benachbarten Schulhaus in der Karajangasse inhaftiert waren, und aus Briefen, Dokumenten sowie amtlichen Mitteilungen über Verfolgungsmethoden der Nazis im 20. Bezirk. Herbert Exenberger berichtete über Else Feldmanns Leben und die tragischen, furchtbaren Umstände ihres Todes, Cécile Cordon las aus ihrem literarischen Werk. Durch eine von Schiilern gebildete Menschenkette, die gegen Vorurteil, Rassismus und Nationalismus demonstrierte, wurden die Festgäste auf die Straße geleitet, wo sie von über 90 Schüler und Schülerinnen erwartet wurden. Jeder von ihnen hielt eine Tafel in Händen, versehen mit dem Namen, den Geburtsdaten, der Adresse und dem Todesort und -zeitpunkt eines der Ermordeten. Denn allein in der Staudingergasse werden über 90 Opfer des NS-Regimes gezählt. Else Feldmann wünschte sich, daß der Ertrag ihrer Bücher armen Kindern zugute komme: dies ist mit Anstrengung und Ergriffenheit in einem umfassenden Sinn an diesem Tag geschehen. Siglinde Bolbecher Else Feldmanns Roman ‚Löwenzahn — Eine Kindheit.“ (Wien 1993, 188 S.) ist auch über die Theodor Kramer Gesellschaft um ÖS 228,- erhältlich. Jakob Haringer in Köniz 100. Geburtstag und 50. Todestag Haringers, der seine letzten Lebensjahre in Köniz in der Schweiz verbrachte, fallen ins Jahr 1998. In Köniz werden daher eine von Walter Dettwiler initiierte Ausstellung gezeigt und u.a. Arnold Schönbergs HaringerVertonungen aufgeführt. Wir werden in MdZ Nr.4/1998 (,,Exilland Österreich“) ausführlich über Jakob Haringer berichten. “In memoriam Erich Fried (1921-1988)“ Von 18.-21.11 1998 planen das Österreichische Literaturarchiv, das Bezirksmuseum Alsergrund und das Bundesrealgymnasium Glasergasse zahlreiche Veranstaltungen, unter anderem mit Unterstützung der Theodor Kramer Gesellschaft. Einladungen liegen einem Teil der Auflage dieses Heftes bei. Das Bundesrealgymnasium Glasergasse wird nach Erich Fried benannt und es wird in der Schule eine Gedenktafel enthüllt, die an die Schüler erinnert, die zwischen 1938 und 1945 vertrieben oder ermordet worden sind.