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zu überprüfen beginne, was er außerhalb meines Hauses tut, oder ihm vorschreibe, wie er sein Zimmer einzurichten hat. Die CDU-Volksbefragung knüpft an obrigkeitsstaatliche, vordemokratische, ja totalitäre Konzepte an. In ihr offenbart sich zudem ein Wunsch nach Eindeutigkeit und nach Sicherheit, der in einer modernen Gesellschaft letztlich illusorisch bleiben muß. Der Fremde soll einschätzbarer, kontrollierbarer und anpassungsfähiger werden, indem er sich ent-fremdet. Deshalb wird Loyalität nicht nur im Sinne von Gesetzestreue oder der Wahrnehmung bürgerlicher Rechte und Pflichten eingefordert, sondern als uneingeschränktes, andere Loyalitäten ausschließendes Bekenntnis zu einer Volksgemeinschaft verstanden. Dieses Bekenntnis soll bedingungslos sein, nicht nur den Menschen als Bürger, sondern die gesamte Persönlichkeit umfassen. Deshalb wird auf CDUPlakaten die Ablehnung der Doppelstaatsbürgerschaft immer auch mit dem Schlagwort „Integration“ verbunden. Der ,,Aufstieg“ zum Staatsbürger kann demnach nur durch Verzicht (auf frühere Loyalitäten und Bindungen), durch ein Opfer erreicht werden. Die Einbürgerung bekommt einen pseudosakralen Charakter. In Österreich war dieser Aspekt bis vor kurzem daran erkennbar, daß die zuständige Behörde nach ihrem Ermessen Staatsbürgerschaften verlieh. Es gab keine eindeutigen, gesetzlichen Richtlinien, die sie dabei zu befolgen hatte, und der Antragsteller hatte keinerlei Rechtsansprüche. Das Verhältnis zwischen potentiellem Neubürger und Behörde war wie in früheren Zeiten jenes zwischen Untertan und Herrscher, dem es freistand, den Untertan in den Adelsstand zu erheben oder nicht. Der ritualisierte, feierliche Vorgang betonte (nicht anders als heute bei den meisten Einbürgerungszeremonien), daß es sich nicht um etwas Selbstverständliches oder gar Alltägliches handelte. Renata M. Erich „Rausländer“ Roma, das unerwünschte Volk Ganz selbstverständlich, beinahe emotionslos, hält das kleine Mädchen fest, woran sich Roma seit Jahrhunderten gewöhnt haben. Schon im 14. Jahrhundert, als ‘Zigeuner’ auf der Suche nach einer Bleibe in Mitteleuropa aufkreuzten, wurden die Dunkelhäutigen weitergewiesen, gejagt, verurteilt, verstümmelt und umgebracht. Immer mußten sie außerhalb der Stadtmauern siedeln und Berufe ergreifen, die andere nicht wollten, auch weil diese oft mit Wandern verbunden waren. Sie wurden Kupferschmiede, Bürstenbinder, Korbmacher und Löffelschnitzer, handelten mit Pferden, später mit Teppichen, wurden Musiker und Schausteller. Die alten Frauen verkauften ihre Kenntnis der Natur, verstanden viel von Kräutern und Heilmethoden. Damit erwarben sie sich aber auch den Ruf, mit Teufeln und Hexen im Bunde zu stehen, ja selbst über Kräfte zu verfügen, die die ‘*braven’ Bürger bedrohten. Immer wieder gab es Versuche die “Zigeuner zu zivilisieren’. Kaiserin Maria Theresia zum Beispiel nahm ihnen ihre Kinder weg, auf daß sie in gut katholischen Bauernhäusern zu braven Christenmenschen erzogen würden, verbot ihre traditionelle Kleidung und wollte sie inmitten der Mehrheitsbevölkerung ansiedeln. Mit solchen Methoden konnte das freilich kaum gelingen. Nur in Westungarn, heute Burgenland, sind Roma tatsächlich seit etwa 300 Jahren seßhaft. Aber auch das hat ihr Schicksal kaum 4 Nun erscheint mir aber die Einbürgerung nicht als Privileg und auch nicht als Gnade, sondern als ein fundamentales Menschenrecht. Wer sich eine bestimmte Zeit legal in einem Land aufhält und die Gesetze dieses Landes respektiert, müßte in einer Demokratie alle Rechte der Einwohner dieses Landes besitzen, ganz egal wie seine politischen Ansichten sind, welchem Kulturkreis er angehört, wie er aussieht oder welche anderen Staatsbürgerschaften er noch hat. In Österreich sprechen sich beide Regierungsparteien und die größte Oppositionspartei, die FPÖ, in seltener ideologischer Eintracht gegen die Doppelstaatsbürgerschaft aus. Entgegen der Ansicht von Haiders Paladin Ewald Stadler, die er in einer ORFDiskussion geäußert hat, ist für mich die österreichische Staatsbürgerschaft kein „‚wertvolles Gut“, das etwas Besonderes darstellt und das man deshalb nicht ‚‚auf dem Basar erwerben dürfe“. Der Hinweis auf den Basar offenbart Stadlers Menschenbild (im Klartext: Ausländer schachern wie im Orient, sie sind Betrüger, eigentlich minderwertige Menschen, die es nicht verdienen, Österreicher zu werden). Und das ‚‚wertvolle Gut“ erhebt dessen Besitzer über andere. Zweifelsohne fühlt sich Stadler über die in Österreich lebenden Ausländer erhaben. Für mich aber ist die Staatsbürgerschaft nichts weiter als eine Selbstverständlichkeit. Sie macht mich weder besser noch schlechter als andere. Deshalb bin ich auch nicht stolz darauf, Österreicher zu sein, denn mit etwas, das sich von selbst versteht und das nicht mein Verdienst ist, kann ich mich schwer brüsten. Daß ich mich diesem Land verbunden fühle und gern hier lebe, steht dazu in keinem Widerspruch. Von Vladimir Vertlib ist soeben der Roman ,, Zwischenstationen“ im Verlag Deuticke, Wien, erschienen. verbessert. Immer an den Rand der Städte und Dörfer verbannt, wurden sie sehr bald nach dem Einmarsch der Nazis in Österreich Opfer der rassischen Verfolgung, nur wenige kehrten aus den Lagern in ihre immer noch feindliche Heimat zurück. Des Beweises der Oberwarter Tragödie hätte es gar nicht bedurft. In Deutschland begann die Menschenhatz in Bayern schon vor der hitlerschen Diktatur. Alle Roma und Sinti wurden als potentielle Kriminelle registriert. Einige ‘reinrassige’ Roma verschonten die Nazis zwar zunächst als eine Art Museumsstück, weil sie ursprünglich aus Indien gekommen, also keine Semiten waren. Bald wurden aber alle, derer sie habhaft werden konnten, in Konzentrationslager verschleppt und bis heute weiß man nicht genau, wieviele dort ihr Leben lassen mußten. Die Bestrebungen eines Teiles der Ärzteschaft im Nationalsozialismus „als fanatische Jünger alles Krankhafte, Unreine und Verderbbringende auszurotten“, richteten sich in überproportionalem Ausmaß gegen die sogenannten ‘Zigeuner’ [...] Schon vor der beschlossenen „Endlösung der Zigeunerfrage“, 1942, dem Programm zur Ermordung aller Roma und Sinti, wurden sie als ,,minderwertig“, „lebensunwert“, ‚‚erbkrank“ und als ‚‚anlagebedingt kriminell“, ,,asozial“ und ,,schwachsinnig“ stigmatisiert und ausgegrenzt, in Sterilisationsversuche und -projekte eingebunden und so der Dezimierung und Ausrottung ,,zugefiihrt“(Vgl. Erika