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Otto Tausig „Entwicklungshilfe der Künstler“ Ein Aufruf Mein ganzes Leben lang hatte ich die fixe Idee, daß ich etwas tun könnte, die Welt zu verbessern. Wie man sieht, war ich nicht sonderlich erfolgreich. Aber jetzt, auf meine alten Tage, habe ich doch etwas gefunden, wodurch ich zwar nicht die Welt, aber doch das Leben von ein paar Menschen auf ihr erheblich verbessern kann. Da ich ein wahrer Glückspilz bin, eine Pension beziehe, von der meine Frau und ich tadellos leben, und wir nebenbei immer noch arbeiten können, schicken wir das zusätzlich verdiente und nicht unbedingt benötigte Geld in die 3. Welt, um dort Menschen beim Überleben zu helfen. So werden ein paar hundert indischer Kinder eines Tages für sich selbst sorgen können, statt als Leibeigene chancenlos in Teppichfabriken, Ziegelwerken und Steinbrüchen zu krepieren. Ein paar Palästinenserkinder werden vielleicht studieren, statt sich selbst in die Luft sprengen zu wollen, um ein paar Juden mitzunehmen. Ein paar Straßenkinder in Bolivien und Brasilien werden in einem Bett schlafen, in der Sahelzone Bauern Gemüse anbauen, in Sri Lanka Kastenlose Reis ernten können, durch Wasserreservoirs, die sie ohne dieses Geld niemals anlegen hätten können. Allerdings, wenn wir auch ein paar hundert Kindern helfen konnten: Es sind Millionen Kinder, darunter Fünfjährige, die immer noch gezwungen sind unter schlimmsten Bedingungen zu arbeiten. Mit 2.500-3.000 Schilling pro Jahr kann man ein Kind aus dieser Hölle befreien, in ein Zentrum bringen, wo es Essen und Kleidung erhält, Lesen und Schreiben, einen Beruf erlernen und ein menschenwürdiges Leben führen kann. Es ist ein sehr kleines Opfer für uns, mit dem wir Menschenleben entscheidend zum Besseren verändern können. Daher haben sich zunächst ein paar Schauspieler bereit erklärt, eine Initiative mit Namen Entwicklungshilfe der Künstler zu gründen. Diesen haben sich bald ein paar Theaterdirektoren, Filmemacher, zwei ehemalige Minister, eine evangelische Superintendentin angeschlossen. Und nun schreibe ich Ihnen und einigen anderen Schriftstellern, weil Menschen Ihres Berufes sicher mehr als andere über den Zustand unserer Welt nachdenken und andere zum Nachdenken anregen können. Die Entwicklungshilfe der Künstler ist kein Verein mit Statuten, Buchhaltung, sondern eine ganz lose Verbindung von Menschen, die Notleidenden in Ländern der 3. Welt helfen wollen, sich aus dem Elend, in dem sie leben, durch eigene Kraft zu befreien. Die Teilnehmer ,,spenden“ nicht einfach, sondern ,,arbeiten“ für die 3. Welt. Allerdings nicht wie z.B. ein Karl-Heinz Böhm an Ort und Stelle, sondern in ihrem eigenen Beruf. Natürlich bestimmt jeder selbst, wie lange sie oder er für andere arbeiten will und kann. Eine Woche oder einen Tag pro Jahr. Einer verzichtet auf die Gage für eine Theatertournee. Andere auf das Honorar für einen Vortrag, für ein Konzert, für einen oder mehrere Drehtage. Die unumgängliche Verwaltungsarbeit macht der Entwicklungshilfe Klub, eine kleine Organisation, die weithin unbekannt ist, weil sie die Spendengelder nicht für Eigenreklame ausgibt, sondern zur Gänze an das Projekt überweist, für das es gespendet worden ist. Die Kosten für das kleine bescheidene Büro, das Informationsmaterial, die Gehälter der vier Angestellten, werden anderweitig aufgebracht. Kein Groschen wird verpulvert. 20 Der Entwicklungshilfe Klub betreut eine Reihe von Projekten, in aller Welt, die ständig kontrolliert und auf ihre Effektivität hin überprüft werden, die keine nur momentan wirksame Almosenverteilung darstellen, sondern den Notleidenden helfen, wieder dauernd auf die Beine zu kommen. Nach dem Prinzip: Es ist besser, dem Hungrigen eine Angel zu schenken als einen Fisch. Aus diesen Projekten sucht die Initiative einige besonders fördernswerte heraus und empfiehlt sie ihren Mitgliedern. Das wären Projekte, die nicht nur imstande sind, mit möglichst geringen Mitteln große Not zu beseitigen, sondern auch in unseren Breiten das Bewußtsein zu schärfen, wie dringend der Kampf gegen dieses Elend ist. Da die Mitglieder der Initiative ausschließlich Menschen sind, die in der Öffentlichkeit stehen, wird ihr Engagement nicht ohne Breitenwirkung bleiben. In Anerkennung dieser Tatsache vermehrt die Österreichische Regierung die Spenden für einige Projekte um 53 Prozent, ja in manchen Fällen sogar um 300 Prozent. Sehr zum Unterschied von vielen Hilfsorganisationen können wir dem Spender garantieren, daß sein Geld zur Gänze, bei den geförderten Projekten sogar zu mehr als 100 Prozent an die richtige Stelle gelangt und dort wirklich Menschen hilft zu überleben — und nicht nur dazu, das eigene Gewissen zu beruhigen, in einer Welt, in der alle zwei Sekunden ein Kind verhungertt. Bisher besteht die Initiative aus (alphabetisch und ohne Titel) Gertraud Knoll, Carmen R. Köper, Erika Pluhar, Elisabeth Spira, Julia v. Sell, Emmy Werner, Lida Winiewicz, Paul Blaha, Karl Blecha, Klaus Maria Brandauer, Peter A. Carpentier, Bruno Dallansky, Karl Heinz Hackl, Frank Hoffmann, Wolfgang Hübsch, Ferdinand Lacina, Fritz Muliar, Gerhard Ruiss, A. Schleppnik, Hermann Schmid, Werner Schneyder, Erwin Steinhauer, Otto Tausig, Peter Turrini, Peter Wolfsberger. - Wer mitmachen will, wende sich an: Otto Tausig, c/o Entwicklungshilfe Klub, 1020 Wien, Postfach 250, Böcklinstr. 44, Tel. 720 51 50, Fax 728 37, 93. Franz Kain-Kolloquium über Möglichkeiten und Grenzen des Schreibens gegen den Faschismus einst und heute Erich Hackl und Konstantin Kaiser planen in Zusammenarbeit mit Margit Kain aus Anlaß des zweiten Todestages Franz Kains ein Franz Kain-Kolloquium im Oktober 1999 in Wien. Ihre Teilnahme grundsätzlich zugesagt haben bereits Richard Wall und Walter Wippersberg, angefragt werden noch Autorinnen und Autoren, die sowohl mit Kain in produktiver Beziehung standen, als auch dem vielleicht neuerlich aktuellen Thema etwas abgewinnen können, wie Wulf Kirsten und Anna Mitgutsch. Das Erste Wiener Lesetheater wird voraussichtlich aus demselben Anlaß eine Franz Kain-Montage produzieren. Franz Kain, geboren 1922 bei Bad Goisern in Obersösterreich, wurde im „Ständestaat“ und im NS-Staat gleichermaßen als Widerstandskämpfer verfolgt. Im Gefängnis begann er zu schreiben. Man kann sein Werk neben das von Michael Guttenbrunner und das von Fred Wander stellen: Gemeinsam ist ihnen nicht nur die persönliche Erfahrung von Widerstand und Verfolgung in der NS-Zeit, sondern auch das Anschreiben gegen die physische und geistige Vernichtung, auch nach der NS-Zeit. Wer Interesse an weiteren Informationen oder Vorschläge hat, setze sich bitte mit Erich Hackl oder Konstantin Kaiser (erst ab Ende April wieder erreichbar) in Verbindung.