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wägungen heraus wechselt er von seiner Lieblingsdiziplin, der Vergleichenden Literaturwissenschaft, zur Deutschen Literatur und schreibt schließlich eine Dissertation über „The Writer’s Image of the Writer. A Study in the Ideologies of Six German Authors, 1918-1933“. Die nach ihrer politischen Tendenz ausgewählten Autoren — Bert Brecht, der Kommunist; Ernst Toller, der utopische Sozialist; Thomas Mann und Hermann Hesse, die Humanisten; Hans Grimm, der Nationalsozialist; Ernst Jünger, der elitiire Faschist — sollten in ihrem poetischen Selbstverstandnis erfaßt bzw. kontrastiert und dergestalt wiederum in ihrer ideologiegeschichtlichen Markanz dargestellt werden. Gegenstand, Argumentationsverfahren und Erkenntnisintention der Studie wollten in manchem durchaus nicht dem entsprechen, was an US-amerikanischen German Departments mit ihrem radikalen Antimarxismus und latenten Deutschnationalismus gefordert bzw. üblich war (von der deutschen und österreichischen Germanistik, die sich nach 1945 in textimmanentes Mit- und Einfühlen zurückgezogen hatte, ganz zu schweigen). Die Autoren Brecht, Toller, Hesse und Thomas Mann wurden in der Folge zu repräsentativen Wegmarken fiir die literaturwissenschaftlichen und ideengeschichtlichen Forschungen Peter Hellers. Während die Publikationen in der Folge kein Interesse mehr an nationalsozialistischer oder faschistischer Literatur erkennen lassen, kommt Heller auf die humanistischen und ‚linken’ Dissertationsautoren noch Jahrzehnte nach seiner akademischen Debütantenarbeit zu sprechen: Nach und nach erscheinen je zwei Aufsätze über Brecht!’ und Hesse'®, ein Aufsatz und ein Gedicht über Toller (das Gedicht ist dem Gedenken an Tollers Freitod am 22. Mai 1939 in New York gewidmet)", schließlich zehn Beiträge zu Thomas Mann.” Seit 1946 weist Peter Hellers universitäre Karriere steil nach oben. „Und dann hab ich halt ‚Karriere gemacht’“, wird er aus der Retrospektive nicht ohne Ironie bemerken. Der akademische Weg führt den Debütanten vorderhand von der Rutgers Univerer 1947-1948 als Tutor arbeitet. 1948-1951 ist er als Instructor an der Columbia University, N.Y., tätig („Ich war, glaube ich, der erste jüdische ‚instructor’ in Columbia.“), 1951-1954 an der Harvard University (Cambridge, Mass.), 1956-1968 als Associate Professor, dann Professor und Commonwealth Professor an der University of Massachusetts at Amherst (Mass.). Auch privat haben sich einschneidende Veränderungen ergeben: Die Ehe mit Tinky Burlingham, aus der ein Kind stammt (Anne, geb. New York 1944), gerät in eine Krise und wird schließlich 1951 geschieden; im selben Jahr schließt Peter Heller seine zweite Ehe mit der deutschen Austauschstudentin Christiane V. Menzel (Magdeburg 1927 — Williamsville, N.Y. 1996), die er 1950 an der Columbia University kennengelernt hat. Ihr wird er das Gedicht ‚Variation auf ein Gedicht von Stefan George” a den Sammelband ‚Dialectics and Nihilism”?? sowie die 1995 erschiene Erzählprosa- und Gedichtanthologie ‚In Transit”? — gleichsam Quintessenz und Summe seiner Dichtungen - widmen. Aus der 45 Jahre dauernden Verbindung (Chrstiane Heller verstarb im Juni 1996) gingen vier Kinder hervor: Joan Humphreys (geb. Boston 1952), Vivian D. (geb. München 1954), Stephen (geb. 1960) und Eve (geb. 1961). So hat der Familienvater in den 1960er Jahren bei der Wahl der ihm angebotenen Professuren auch ans Finanzielle zu denken, weshalb er 1968 von der University of Massachusetts in Amherst an die State University of New York in Buffalo wechselt. Dafür gibt er auch die ehrenvolle Commonwealth-Professor auf — „dummerweise“, wie er einräumt, „‚aber ich hatte vier Kinder“. Bereits Mitte der 1950er Jahre beginnt sich Peter Heller analysierend jener Menschenkonzeption und Kulturtheorie zu nähern, mit deren Instrumentarien man ihn als Kind analysiert hatte: der Psychoanalyse Sigmund und Anna Freuds. „Der Wert der Psychoanalyse“ liegt nach Heller „in dem Sinn für die Dynamik psychischer Vorgänge, den sie fordert und ausbildet, sowie in spezifischen Beobachtungen, Einzelentdeckungen und eng zu begrenzenden Hypothesen; er liegt nicht in der ungenauen, durchwegs metaphysischen Terminologie, in der Freud seine Anschauungsweise und seine Funde mitzuteilen sich genötigt fühlte.””* Was in den europäischen Literaturwissenschaften bei der Beschäftigung mit psychoanalytischen Theoremen Übung und Pflicht werden sollte, nämlich die halbgebildete Pflege von „Kult und Orthodoxismus” 25 ‚steht Heller fern. Schließlich weiß er um die Vorzüge und Schwächen psychoanalytischer Konzeptionen und ihrer Umsetzungen aus eigener Erfahrung ganz genau, hat auch die Grunderväter und -mütter aus nächster Nähe miterlebt und bringt sein nunmehr erworbenes analytisches Rüstzeug und sein historisches Wissen in die ideengeschichtliche Durchdringung und Überprüfung von Freuds Theoremen ein. Zu Sigmund Freud erscheinen die Beiträge ‚‚Zur Biographie Freuds” 26. „Zu Freuds Briefen”?’, „Freud as a Phenomenon of the Fin de Siécle” 8, „Retrospektive Bemerkungen zum Thema ‚Freud in Amerika’”” und „Freud in seinem Verhältnis zu Nietzsche;” *° zu und von Anna Freud der erwähnte Erfahrungs- und Materialienband „Eine Kinderanalyse bei Anna Freud (1929-1932)”°', , Reflections on a Child Analysis with Anna Freud and an Adult Analysis with Ernst Kris” 32 Der Kopf des Bandwurms’. Anna Freuds ‚Nachtrag zu Peters Analyse’”*?, „Anna Freud’s Letters 23