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Gert Hofmann drückte dies so aus in seinem Interview: „Man darf nicht akzeptieren: Willkür, Unrecht, Benachteiligung und Diskriminierung der Schwächeren. Wann immer solche Fälle auftauchen, habe ich in meinem ganzen Leben — nicht immer mit Erfolg und nicht immer mit ausreichender Energie — aber ich habe mich doch immer dagegen gestellt.“ Da waren auch noch die Fotos von damals, chronologisch angeordnet, darin integriert einige Fotos aus dem Privatbesitz der Porträtierten. Fotos, auf denen Freiwillige der Regierungsmiliz im Gebrauch der Waffe unterwiesen werden, die kämpfende und trauernde Frauen zeigen, aufmarschierende marokkanische Truppen auf Seiten der Aufständischen, Schützengräben der Regierungstruppen vor Madrid etc. — schließlich, die Waffenhaufen der entwaffneten Republikaner an der spanisch-französischen Grenze 1938 — das Ende der Kämpfe und Illusionen. Eine vielsagende Gegenüberstellung zweier Fotos ließ mich Vergleiche anstellen: Das eine Foto zeigt die Ankunft von Auslandsspaniern, die sich Franco anschließen wollen, das andere „englische Freiwillige für die internationalen Brigaden auf dem Weg zum Bahnhof in London, 1937“. Das erstgenannte zeigt eine breit aufgefächert marschierende Gruppe von Männern, von einem erhöhten Standpunkt aus fotografiert, alle gut gekleidet mit Anzug, Weste, weißem Hemd und Krawatte, die rechte Hand zum Faschistengruß gestreckt, in der linken Hand die Hüte und am linken Arm eine Schleife, grau am Foto, welche Farbe sie in Wirklichkeit hatten, hätten gewiß einige der hier Porträtierten gewußt. Das andere Foto zeigt nur ein Dutzend Männer — das Auge der Kamera etwas unterhalb der Fotografierten plaziert —, die Rechte zur Faust geballt, durch die Straße eilen, ein bunter Haufen, „Proleten!“ (ich habe den Klang dieses Wortes deutlich in meinen Ohren, weil es auch 38. heute noch, mit einem Unterton der Geringschätzung, aus dem Munde gewisser Bürger, die sich keinen einzigen Schilling mit ihrer Hände Arbeit verdienen mußten, zu vernehmen ist), formationslos, mit Köfferchen oder umgehängten Taschen, uneinheitlich gekleidet in Jacken oder Mäntel, einige tragen einen Hut, einer eine Schirmkappe, wieder ein anderer eine Art Baskenmiitze, drei sind überhaupt barhäuptig, so als hätten sie in der Aufregung und Eile vergessen, sich vollständig zu bekleiden. Während das erste Foto wohlgenährte, würdevoll schreitende, ‚‚die wahren Werte Spaniens“ verkörpernde, ältere Männer zeigt, erscheinen die optimistisch zum Bahnhof und in den Kampf für das republikanische Spanien ziehenden, skeptisch, ja verunsichert in die Kamera blikkenden Engländer als ein bunter Haufen schmalgesichtiger Arbeiter oder Arbeitsloser, weitaus jiinger als die ,,honorigen“ Mannergestalten auf dem Foto darüber. Mir scheint, in diesen beiden Fotos ist schon der Verlauf und das Ende der Auseinandersetzung symbolisch angelegt: Dort die wohlgenährten Vertreter der alten autoritären Ordnung, verpflichtet dem intoleranten, martialischen Spanien von Ferdinand und Isabella, inmitten einer breiten Landstraße, sowohl in der Zahl als auch im Auftreten Überlegenheit ausstrahlend. Hier einan der Linse des Fotografen vorbeihuschendes, schlechtgenährtes Häuflein Idealisten, am Gehsteigeiner großstädtischen Hausmauer entlangeilend, zu einem mörderischen Krieg, der erst der Auftakt ist für einen noch weitaus brutaleren, perfideren und letztlich Unbegreiflicheren, und einer ungewissen Zukunft entgegen. November ‘98 Felicitas Kruse: Schieß gut, aber freu dich nicht! Österreicherinnen und Österreicher im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939. Photographien und Interviews. Mit einer Erzählung von Erich Hackl, Einführung von Uwe Schlégl, historischer Abriß von Herbert Schaden. Innsbruck: Haymon-Verlag 1998. 133 S. ÖS 398,/DM 56,-/SFr 53,-/Lit 54.000,Richard Wall, geboren 1953 in Engerwitzdorf (0Ö.). Studium der Kunstpädagogik, Malerei und Graphik in Linz. Werke: Ringsherum Schnee, Gedichte und Prosa aus der Pendlerprovinz. Bremen 1987; Die Nacht wird kalt, Gedichte. Linz 1988; Blackthorn, ein Irlandjournal. Bibliothek der Provinz: Wien, Linz, Weitra 1989; Sommerlich Dorf. Miniaturen — Variationen — Spaziergänge, Bibliothek der Provinz 1995; Steine Spuren Labyrinthe. Reiseskizzen und Essays. Grosser: Linz 1996; HerzAsphaltMérderGrubenRhapsodie, Ritter: Klagenfurt 1997.