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Alexander Viehauser Wie fremd geworden ist mir die Heimat Rechtliche Grundlagen des Asyl- und Fremdenrechtes in Österreich zwischen 1933 und 1938 Auf die Frage nach der politischen Haltung der Einwohnerschaft antwortete der staatlich installierte Würdenträger hinter vorgehaltener Hand, es seien ungefähr 40 % Nazi, 40 % Sozi und 20 % alte Christlichsoziale. Und bei der Vaterländischen Front sei niemand? „Ahja!“ beeilte sich der Befragte voll pflichtbewußten Eifers. „Bei der Vaterländischen Front san’s alle!“ Friedrich Torberg! Österreich hätte in der international schwierigen Situation der Zeit von 1933 bis 1938 ein geachtetes Asyl- und Transitland sein können. In diesem Artikel wird, ausgehend von der rechtlichen Lage, versucht darzustellen, wie es das damalige Regime zu verhindern wußte, daß politisch wie sozial oder religiös motivierte Flüchtlinge Österreich als sicheres Asylland, als neue oder alte Heimat überhaupt in Betracht zogen. Warum hätten sich auch Betroffene überhaupt angesichts der bekannten Vorgehensweisen der handelnden Behörden in ein Land begeben sollen, in dem „unerwünschten“ Personen die existenzielle Grundlage mit allen (Un-) Rechtsmitteln sukzessive entzogen wurde und aus dem selbst eine Fluchtwelle im Gange war? Nüchtern betrachtet bedeutet das Ende der Zwischenkriegszeit nichts anderes als den Beginn eines Massenexodus, und zwar von politisch oder religiös verfolgten Menschen: Otto Bauer, Richard Berczeller, Marie Jahoda, Hans Kelsen (der angesehenste Verfassungsrechtler seiner Zeit), Bruno Kreisky, Ernst Kfenek, Leo Perutz, Karl Popper, Arnold Schönberg, Billy Wilder, um nur ein paar Prominentere aus der Masse der für uns vielleicht „Namenlosen“ zu nennen. Vorweg eine Begriffsklärung: Auch wenn die meisten, die jemals im Rahmen des Geschichtsunterrichts soweit gebracht wurden, sich mit der österreichischen Geschichte im 20. Jahrhundert auseinanderzusetzen, die Ära der „austrofaschistischen“ Diktatur in den Jahren 1934 bis 1938 als „Ständestaat“ definiert bekamen, der Begriff ist doch in der wissenschaftlichen Literatur durchwegs umstritten. Das, was uns die Sozialgeschichte überliefert, gibt vielmehr Anlaß, sich der Meinung anzuschließen, welcher der Begriff „Ständestaat“ als Verschleierung des tatsächlichen Charakters der Herrschaft 1934-38, nämlich dem eines „diktatorischen Regimes mit faschistischen Tendenzen‘“, gilt. Der hier in weiterer Folge verwendete Begriff „Austrofaschischmus‘“ umschreibt das Wesen der politischen Herrschaft und die gesellschaftlichen Realität eindeutiger, obwohl auch wesentliche Unterschiede zwischen dem österreichischen Regime und dem Faschismus deutscher bzw. italienischer Ausprägung bestanden.’ Wirtschaftliche und soziale Entwicklung Die braune Welle können wir nur auffangen, wenn wir das, was die Nazi versprechen und in Deutschland getan haben, was ohnehin gemildert wird durch verschiedene Richtungen bei uns, selber machen ... Engelbert Dollfuß* Die (Wirtschafts-)Welt schreibt das Jahr 1929. Die bisher schwerste Weltwirtschaftskrise hat ihren absoluten Höhepunkt mit dem sogenannten „Schwarzen Freitag‘ an der New Yorker Börse (29. Oktober); sie wirkt sich weit in die 1930er Jahre hinein aus. Man/frau hat gut gelebt in den „Golden Twenties‘, gut gelebt, hoch gespielt und alles verloren. Zurück blieb ein geschocktes Bewußtsein, das erste Mal die Vernetzungen von politischen und wirtschaftlichen Systemen an der eigenen (arbeitslosen) Haut zu spüren. Obwohl bei weitem noch nicht so schnell und konsequent durch Datenhighways verbunden, weicht die wirtschaftliche, politische und in Folge auch soziale Krise nicht vor Europa, ja nicht einmal vor den Kolonialgebieten zurück. Zusammenbrüche von Firmen und Banken, Rückgang der Produktion und Die Polizei und die doutichen Flüchtlinge. Die Polizei veranftaltet in der legten Beit faft an jedem Morgen Razaien in den Maffenquartieren, wie etiva im Dännerheim in ber *Burligergalte oder im Seim der Heildarmee. Die Sriminalbeamten forunen fdjon um 6 Uhr früh in die Heime, um bor alem nah deutihen KReidh3angebörigen zu fuchen, die vor dem braunen Mordterror der Nazi nad) Deiterreich geflüchtet find. Alfe Reihsdeutichen, aud wenn fie fih mit einem ak ausweifen fonnen, werden mitgenommen, Bejonders intereffiert fi Die Polizei für die Barteizuge börigkeit der Berbafteten. Den licht: lingen wird von den Beamten in Wusficht geftellt, daß fie einige Tage in Arreit bleiben und dann an die deutfhe Grenze gebradt werden follen. Die Polizei weiß wohl recht gut, daß für politifhe Slüdtlinge in Deiterrei wie in allen zivilifierten Ländern da3 Afylcedt gilt. ES fann fi) daher nur um Drohungen handeln, die freilich be fonder8. bösartig find, meil fie dte Bee froffenen in Bucht und Schreden nerfegen muiffen: jebem diefer Ylücjllinge brobt Sergite, fobald er den Boden Nazi-Teutidlands betritt und in die Sünde der Terrorbanden gerät. E8 wird notwendig fein, bie Flüchtlinge, die don der Polizei mit fo fürdterlihen Drohungen gefoltert erden, zu beraten, daß ihnen gegen bie Abfchiebung die Berufung an den Landes: bauptmann guftebt, und dab ihnen, feleit wenn fle aus Oeiterreid auggerviefen werden, die Wahl der G@renge fret geftellt werden muß. Nach der Verfügung, gegen alle Deutschen in Österreich, die keine Papiere besaßen, das ‚Schubverfahren‘ einzuleiten, führte die Polizei in Wiener Männerasylen Razzien durch: Arbeiter-Zeitung, 4. April 1933, 5. 4 Gellt den Kindern de deutfihen aläntlinge Aufrul bes Sundes proletariider Solidarität Kinder von deutfhen Wldtlingen find obbdadlos und Hungern. Heljet den dente iden Genolfen und unterftüßt fie in ihrem Kampf, indem ihe ihren Kindern Helfet. Der Bund proletariiher. Solidarität organifiert eine Rinderpilfs aktion. Kinder zevolutionäcer Genofjen werden nad) Defterreih gebradt und müflen bier im Pflege gegeben werden. Nah der Schweiz und nad Holland wurs den bereits Kindertrausporte organifiert. ud wie in Defterreih müllen unfere Solidarität mit den deutiden Klafjens tämpfern, den Opfern des Kaldismus, bemeifen. Der Bund proletariiher Solidarität appelliert an alle Werktätigen, die imftandbe find, ein Kind zu ih in Pflege zu nehmen, NG fofort bei dem Kinderhilfstomitee des BpS. Wien, 1. Bez, Köllnerhofgaffe 3/14, zu melden. BYE. Aus: Rote Fahne, Wien 5