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Cafe Zur Mitternacht Am Leben gescheitert gestrandet im Nichts — Modergeruch herbstliche Nacht. Stadtstreicherschund. Verfahren. Die Schenke offen immer noch. Das Bier hat einen Nachgeschmack von abgestandenen Jahren. Streunender Kater fand sich ein und schnurrt auf meinem Schoß, vertrauensselig er sei mein. Andauernd strömt der Regen, naß, spiegelt sich, verschwimmt die Stadt. Die Ampel springt von Rot auf Grün: wo sich die Straßen kreuzen. Wo soll ich mit dem Kater hin — Harald-Maria Höfinger Ersatzgebiß dem gelernten hutmacher briefträger Wilhelm M. hinterließ der krieg ober- und unterkiefer zertriimmert. die chirurgen gaben ihm ein gesicht. vierundfiinfzig jahre später noch verflucht er den führer, wenn ein brösel blutig unter der prothese reibt. mehr durchlöchert wird. Dehnbare Rechtsbegriffe und die Suspendierbarkeit fundamentaler Grundrechte durch den Bundespräsidenten bzw. Gesetzesvorbehalte, wie die Durchbrechung des Rechtsgrundsatzes des Rückwirkungsverbotes für Strafgesetze und die Einschränkung der Rechtsmittel"? im Polizeistrafrecht, vor allem bei politischen Delikten, beschnitten Grundrechte des einzelnen. Die Regierung nützte die im „Notverordnungsrecht der Verwaltung“ (Artikel 147) festgelegte Handhabe, einige Grundrechte „zeitweilig und örtlich, ganz oder zum Teil“ zu beschränken nie, sondern ließ sie in der Theorie (und nach außen hin) aufrecht, höhlte wesentliche Teile davon sukzessive bis zur Bedeutungslosigkeit aus. Bis 1937 setzte die Regierung konsequent Maßnahmen zur Bekämpfung staats- und regierungsfeindlicher Bestrebungen, gegen jede Form der politischen Opposition: so das Anhaltegesetz, die Verschärfung der Bestimmungen gegen oppositionelle Drucksorten, das Staatsschutzgesetz und das „Ordnungsschutzgesetz“, und schuf dadurch den Verwaltungsbehörden genug „Freiraum“, den ohnehin beschwerlichen Alltag für die Betroffenen noch einmal zu verschärfen.'* Aufgrund des „Kriegswirtschaftlichen Ermächtungsgesetzes 1917“, das wieder in Kraft gesetzt worden war, wurden ab März 1933 an die 500 (!) zum Teil verfassungwidrige Verordnungen erlassen, wodurch die Regierung Schritt für Schritt verfassungsrechtliche Einrichtungen sowie eine fortschreitende Einschränkung der politischen Freiheitsrechte durchsetzte: die politische Gleichschaltung aller Medien; Einführung der Vorzensur: Verbot des öffentlichen Verkaufs bestimmter Zeitungen; Einschränkung des Versammlungsrechtes und der Demonstrationsfreiheit (Verbot von Streiks und Maiaufmärschen); Aussetzung aller Wahlen (mit der grandiosen Begründung, daß Wahlkämpfe den österreichischen Fremdenverkehr beeinträchtigten!); Annulierung aller Mandate der verbotenen politischen Parteien (Sozialdemokraten, KPÖ, NSDAP); Waffenverbot für Angehörige des republikanischen Schutzbundes; Säuberung des öffentlichen Dienstes von Regimegegnern; strenge Disziplinarvorschriften an den Hochschulen zur „Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung“; Verschlechterung der Rechte der ArbeitnehmerInnen im Arbeits- und Sozialrecht. Im Verordnungswege wurde im Herbst 1933 die Möglichkeit geschaffen, politische Gegner in Anhaltelagern zu internieren. Es genügte bereits der begründete Verdacht bzw. die gesinnungsmäßige Bereitschaft, sich möglicherweise an die öffentlichen Sicherheit gefährdenden Handlungen zu beteiligen, sie vorzubereiten oder die Begehung oder die Vorbereitung zu begünstigen, zu fördern oder zu ermutigen, um sich der Gefahr der Anhaltung auszusetzen. Im Gegensatz zum Strafrecht erfolgte die Internierung nicht wegen Begehung einer Straftat, sondern regelmäßig wegen einer Verwaltungsübertretung oder eben schlimmstenfalls schon wegen der „behaupteten“ Gesinnung, wobei die Behörde diese nicht einmal beweisen mußte. Was dies in einem von einer „Naderer- und Schniifflerorganisation“ regiertem Land bedeutete, kann man sich ausmalen. Oft wurde die Anhaltung auf unbestimmte Zeit verhängt, die Kosten der Internierung mußte der Angehaltene selbst tragen. Allein im Anhaltelager Wöllersdorf wurden am 1. November 1934 5.302 Internierte festgehalten. '? Das Grundrecht der persönlichen Freiheit wurde weiters wesentlich durch das „Anhaltegesetz“ aus dem Jahr 1934 eingeschränkt, inhaltlich mit den gleichen Bestimmungen wie die der Verordnung. Strafrechtliche und aufgrund des Verwaltungsrechtes verhängte Strafen wurden zudem kumuliert, jahrelange Haft- und Internierungsstrafen auf zweifelhafter rechtlicher Basis waren die beabsichtigte Folge und zerstörten die wirtschaftliche und soziale Lebensgrundlage der Betroffenen. Mit .den hier beschriebenen Rechtsfolgen wurden nicht nur innerstaatliche Regimegegner bedroht: Personen aus dem Ausland waren unabhängig von Staatsbürgerschaft oder Einreisemotivation allein aus dem Grund der „Fremdheit‘“ verdächtig und im erhöhten Maß der Überprüfung und Verfolgung ausgesetzt.