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kehrten nach der „Machtübernahme“ der Nazis nach Wien zurück, wo sie von 1935 bis 1938 im Jüdischen Kulturtheater Beschäftigung fanden. Fritz Links trat auch nach dem Krieg in Wien auf, Rudolf Weiss emigrierte nach New York, machte am Broadway Karriere und verstarb 1978. Mit dem „Kernensemble“ arbeitete ein bereits größerer Kreis von zwölf Theaterleuten in mindestens drei Produktionen mit: die Schauspielerinnen und Schauspieler Martha Auffärber, Marcel Barth, Erika Fischer Weith, Silvia Grohs, Robert Gut (Guth), Frank Hermann (Herrmann), Arthur Hoff, Marcel Lerner, Martin Miller, Milo Sperber und die Bühnenbildner Gottfried F. Berger und Oskar Fischer. Außer ihrer temporären Zugehörigkeit zum Jüdischen Kulturtheater ist über diese Theaterleute nur wenig bekannt. 19 Silvia Grohs, 1918 in Wien geboren, spielte im Jiidischen Kulturtheater und 1937 auch im Theater fiir 49. Sie meldete sich 1938 in die Schweiz ab. Arthur Hoff emigrierte nach New York, wo er in den Aufführungen der Emigrantenbühne Die Arche mitwirkte. Marcel Lerner flüchtete 1938 nach Frankreich. Milo Sperber, der Bruder des Schriftstellers Manes Sperber, emigrierte nach London, er verstarb 1992. Der Bühnenbildner Oskar Fischer, 1910 in Wien geboren, hatte die Kunstgewerbeschule besucht und u. a. bei Dr. Strnad studiert. Er gestaltete Bühnenbilder für das Theater für 49 und das Jüdische Kulturtheater. Der einzige Emigrant in dieser Gruppe von Schauspielern war Martin Miller, dessen Lebensweg bekannt ist, da er nach dem Zweiten Weltkrieg in England und den USA zum Theater- und TV-Star avancierte. Martin Miller, geboren 1899 in Kremsier, Tschechoslowakei, trat vor 1933 im gesamten deutschen Sprachraum auf, in den Jahren 1934 bis 1938 war er vor allem an den Wiener Kleinkunstbühnen, im Theater für 49 und im Jüdischen Kulturtheater tätig. In der Saison 1938/39 trat Miller im Jüdischen Kulturbundtheater Berlin auf, 1939 emigrierte er nach England, er verstarb 1969 in London. Die meisten am Kulturtheater Tätigen (44 Personen), traten nur in ein bis zwei Produktionen auf. Es sind dies: Theo Adler”, Leon Askin?!, J acques Barta, Julia (Jula) Benedek, Giinther (Guenther) Caro’, Liesl Einberger, Bertl Eisenberg, Harry Flatow, Martin Frey, Else Froebel, Trude Gartner, Max Goffin, Henry (Harry) Haar, Heinz Halban, Ernst Hardt, Hans (Hanns) Holtz, Jaro Klüger?, Hanskarl Magnus (= Hans Karl Rosenberg), Bert Maimann™, Franz Mann, Ina Mare (= Anny Margulies), Lisl] Mayer- Weinberger, Emmy Neumann, Peter Pohl, Ferdinand Polland (Pollandt), Paul Renner, Eva Schärf, Herta Schick, Erika Schön, Franz Schwarzmann, Egon Stein, Walter Steiner, Otto Trill, Fritz Tschupnik (Zsupnik), Ruth Walter, Hansi Weiner, Georg Werner, Heinrich West und Robert Wyss. Außer den genannten Schauspielern wirkten am Jüdischen Kulturtheater bei der Gestaltung von Chören bzw. als musikalische Leiter Siegfried Hacker”? und Hans Holevy, als Bühnenbildner betätigten sich Martin Eisler”, Friedl Gerber und Leo Glückselig. (Vgl. den Bericht in dieser MdZ.) Über die meisten dieser Theaterleute sind kaum Angaben zu finden. Eine Ausnahme bildet dabei Hans Holevy, der mit dem schwedischen Komponisten Hans Holewa identisch ist. Hans Holewa wurde 1905 in Wien geboren, erhielt seine musikalische Ausbildung am Neuen Wiener Konservatorium, war in der Volksoper tätig und in den dreißiger Jahren u. a. musikalischer Leiter im Theater für 49. 1937 emigrierte er mit seiner Frau nach Schweden, wo er einer der bekanntesten Komponisten des Landes wurde. Er verstarb 1991.27 Einige der genannten Schauspieler traten in derselben Zeit, in der sie am Jüdischen Kulturtheater tätig waren, auch an anderen Bühnen in Wien auf, vor allem im Theater für 49 (Harry Flatow, Bert Maimann, Emmy Neumann, Ferdinand Polland, Herta Schick, Franz Schwarzmann, Fritz Tschupnik) und in der Tribüne (Bert Maimann, Ferdinand Polland, Fritz Tschupnik). Es ist anzunehmen, daß es sich bei manchen dieser Schauspieler um Emigranten aus Deutschland handelte, für die Wien eine Durchgangsstation war und blieb. Exemplarisch hierfür ist der Lebensweg von Hanskarl Magnus (= Hans Karl Rosenberg). Magnus war ein Emigrant aus Berlin, wo er Mitglied des Jüdischen Kulturbundtheaters gewesen war. In Wien war er im Theater für 49 und an der Tribüne tätig, in der Saison 1935/36 trat er im Jüdischen Kulturtheater auf. Magnus emigrierte nach China, dann nach Australien und England. Nach dem Krieg spielte er am Deutschen Theater in Berlin. Er verstarb am 22. 3. 1950 in Berlin. Das Jüdische Kulturtheater hatte außer seiner Eingebundenheit in eine offizielle Organisation (der Jüdischen Kulturstelle), der Verwendung der deutschen Sprache auf der Bühne und seiner Funktion als Emigrantenbühne eine weitere Besonderheit: Es bot einen engagierten und zeitkritischen Spielplan, wie er sonst kaum auf einer Wiener Bühne zu finden war. Das Repertoire des Kulturtheaters setzte sich aus zwei Komponenten Das Theater an der Wien 1936 bis 1938. In: Verspielte Zeit, wie Anm. 1, 125-135. 10 Haider-Pregler, Exilland Österreich? Wie Anm. 3, 24. 11 Einen kurzen Überblick über die Kleinkunst- und Kabarettszene der dreißiger Jahre bietet Mayer: Theater für 49. Wie Anm. 2, 15f. 12 Das Wiener Theatergesetz in der Fassung von 1930 besagte, daß Theaterräume, die weniger als 50 Personen Platz boten, keiner Konzession bedurften. Sie galten nicht als Theaterbetrieb im herkémmlichen Sinn, genossen steuerliche Vorteile und waren nicht den kollektivvertraglichen Bedingungen der Hauser mit tiber 50 Sitzplätzen verpflichtet. 13 Leo Reuss, bis 1935 in Deutschland als Schauspieler und Leiter eines Theaterensembles tätig, konnte nach seiner Emigration nach Österreich keine Anstellung finden, bis er sich als Naturtalent Kaspar Brandthofer ausgab und an das Theater in der Josefstadt engagiert wurde. Seine Tarnung wurde aber schnell durchschaut. Vgl. Hilde Haider-Pregler: Überlebenstheater. Der Schauspieler Reuss. Wien: Holzhausen 1998. 14 Vgl. Brigitte Dalinger: „Verloschene Sterne“. Geschichte des jüdischen Theaters in Wien. Wien: Picus 1998. 131f. 15 1909 wurden jiddische Dramen in deutscher Sprache von Siegfried Schmitz, Egon Brecher und einigen Mitgliedern des „Studentenclubs ‚Theodor Herzl‘“ aufgeführt, 1933 vom jüdischen Theaterverein „Die Karawane“ unter der Regie von Elias Jubal. 16 Zu Geschichte und Spielplan vgl. Dalinger, ,,Verloschene Sterne“, 113-122; Mayer, Theater fiir 49, 138-168. 17 Vgl. Mitteilungsblatt der Jüdischen Kulturstelle. Hg. v. Jüdischer Kulturstelle. Wien. 3. Jg., Nr. 22, Sept. 1935. 18 Zu ihren Lebensläufen vgl. Dalinger, „Verloschene Sterne“, wie Anm. 14, 221 ff. 19 Die folgenden Angaben stammen aus den Ergebnissen des Forschungsprojektes „Jiddisches Theater in Wien“, das am Institut für Theaterwissenschaft von der Autorin durchgeführt wurde. 20 Ein Theodor Adler emigrierte 1938 nach Paris. 21 Leon Askin, dessen Hollywoodkarriere bekannt ist und der seit einigen Jahren in Wien lebt, ist nur am letzten Theaterzettel des Jüdischen Kulturtheaters genannt. Es ist unklar, ob die Premiere am 10. März 1938 noch stattfand. 22 Ein Günther Caro wurde am 5.4. 1905 geboren, er war „Glaubensjude, Schutzhäftling im KZ Weimar-Buchenwald“ (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien, im folgenden DÖW, Akt 5943). 23 Jaro Klüger kam 1938 nach London, wo er u.a. mit Martin Miller, Peter Preses 13