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lastendsten Dokumente aus seiner Salzburger Wohnung, die kurz nach seiner Abreise nach Wien von SA-Leuten durchsucht wurde. Die tschechoslowakische Gesandtschaft in Wien stellte ihm am 12. März einen Paß auf den Namen Dr. Hubert Gerold aus und verhalf ihm damit zur Flucht nach Prag. Dort erhielt er einen weiteren Paß. Am 3. Juli 1938 berichtete er Andrian, der aufgrund seiner politischen Tätigkeit sowie als Enkel von Giacomo Meyerbeer ebenfalls zur Emigration gezwungen war, im Telegrammstil über die nationalsozialistischen Verfolgungen Katholisch-Konservativer: [...] Von unseren Leuten habe ich weiters nichts mehr gehört, die Nachrichten sind aber im allgemeinen sehr traurig. Salzburg: Ingomar totgeschlagen, Steinwender: Dachau, Polizeirat Mayer in Dachau, Oberst Bernhard übel zugerichtet usw.usw. Von Dr. Heilig gar nichts. Ein Freund, Dr. Schwenger, Schriftleiter bei den Österreichischen akademischen Blättern ist jetzt hier eingetroffen. Er war 2 Monate in Haft auf der Rossauerlände. Da er Tschechoslowake ist, musste man ihn schliesslich doch freilassen. Er hat Scheussliches erlebt.” Da in seinem Paß statt seines deutschen Geburtsortes Wallerfangen an der Saar fälschlich das tschechische Ceske- Budkovice (Böhmisch Budweis) eingetragen war, konnte Görgen als Korrespondent der Zeitung „‚Narodni Politika‘ im Mai 1938 offiziell in die Schweiz einreisen, die zu diesem Zeitpunkt die Tschechoslowakei noch anerkannte. Dort schrieb er in Thomas Manns Zeitung „Maß und Wert“. Bis zur deutschen Annexion der „Sudetengaue“ im Herbst 1938 arbeitete er als Korrespondent der tschechischen Zeitung , danach unterband das zunehmend immigrantenfeindlich und antisemitisch agierende Aufnahmeland seine journalistische Tätigkeit sowie seine Züricher Habilitationspläne wegen „außenpolitischer Bedenken“.*° Die „vaterländische Österreich-Idee“ sollte auch in die Emigration getragen werden. Versuche, die Salzburger Akademie nach Lyon zu transferieren und eine mehrsprachige Zeitschrift mit dem Titel „Oesterreichisches Archiv für Kunst und Wissenschaft“ zu gründen, scheiterten an der Zögerlichkeit der französischen Regierung, aber auch an internen Meinungsdifferenzen hinsichtlich würdiger Repräsentanten des Archivs. Die Auswahlkriterien von Görgen und Andrian waren darauf ausgerichtet, aus taktischen Überlegungen ein „Übergewicht jüdischer Mitglieder“ tunlichst zu vermeiden. Man befürchtete z. B. ein Schicksal wie jenes der in Paris erschienenen „Österreichischen Post“. Ebenso wollte man einen möglichen „Emigranten-Charakter‘“ des angestrebten Forums vermeiden.°! Listen mit Namen politisch und „rassisch“ Verfolgter, die sich noch in Österreich befanden, wurden von Willibald Plöchl 1939 in einem Brief an Görgen jedoch angefordert, damit man sie unterstützen könne.” Die Auswahl der Akademie-Mitglieder zog Proteste jüdischer Mitarbeiter dieses Kreises nach sich. Nachdem Görgen trotz mehrfacher Interventionen von Kollegen, die nach Frankreich immigriert waren oder nach dort Verbindungen hatten, weder ein Visum noch eine Anstellung in einer katholischen Institution erreichte, organisierte er mit Hilfe seines katholischen Netzwerkes und des brasilianischen Konsuls in Genf im Frühjahr 1941 die Flucht für 48 - großteils jüdische — Verfolgte des NS-Regimes („Gruppe Görgen“), unter ihnen Johannes Hoffmann, Walter Kreiser, Dana Roda-Becher, Ulrich Becher und Susanne Bach, nach Brasilien.” Die Immigrationsgeschichte Görgens steht beispielhaft für eine inkohärente Gruppe von deutschen Immigranten katholisch-konservativer Richtung, die aufgrund ihrer anti-nationalsozialistischen Überzeugung zur Emigration gezwungen war und ihren Widerstand im Aufnahmeland im vielschichtigen Spektrum zwischen gesamtdeutscher und legitimistischer Prägung fortsetzte. Da sie jedoch — z.T. auch mit Hilfe ihrer guten Positionen — das „deutsche“ Bewußtsein des Regimes (als zur deutschen Nation gehörig) mittrugen bzw. ein (habsburgisches) Großreich als Gegengewicht zum expansionistischen Deutschland vertraten, wählten sie die Defensivstrategie statt einer Politik zur Bewahrung der österreichischen Souveränität. Gesamtgesellschaftlich operierten die Katholisch-Konservativen auf einer schmalen Basis, denn das von ihnen vertretene Geschichtsbild schuf keineswegs das kollektive Gedächtnis, das sie intendierten. Persönlichkeiten wie Ernst Karl Winter, der Kontakte zur Arbeiterschaft aufzubauen versuchte, brachten den Großteil nicht davon ab, Kommunisten und die Masse der nicht deutschnational denkenden Sozialisten weiterhin zu dämonisieren, stellten doch diese für sie als „Bolschewisten“ den „Feind aus dem Osten‘ in neuer Gestalt dar. Als „politisches Subjekt“, mit dem man kooperieren könnte, wurden sie von vielen selbst in letzter Stunde nicht betrachtet. Kommunisten und Sozialisten hegten ebensolche Ressentiments gegen jene, die das ideologische Gerüst des Ständestaates mitaufgebaut hatten; zudem waren sie ab Mitte 1933 von jeglicher politischer Beteiligung ausgeschaltet und illegalisiert. Diese weltanschaulichen Konflikte, Ressentiments, antisemitischen Vorturteile wurden als erschwerendes Gepäck in die Emigration mitgenommen. Das Engagement der monarchistischen, christlich-konservativen Gruppen für ein unabhängiges Österreich scheiterte an dem von vornherein unwirksamen Abwehrmittel, den „faschistischen Teufel mit dem kleriko-faschistoiden Beelzebub austreiben“ zu wollen, wie Viktor Suchy es formulierte. Verständlicherweise tut sich die von linksliberalen Gruppen initiierte Emigrationsforschung aus den beschriebenen Gründen mit der katholisch-konservativen Emigration schwer. Trotzdem gilt es, sich mit ihrer Rolle auseinanderzusetzen und sie aus dem hier skizzierten politisch-historischen Kontext zu analysieren. Uraufführung der Lieder nach Theodor Kramer von Karlheinz Schrödl Am Donnerstag, 21. Oktober 1999, wird um 19 Uhr in der Villa Wertheimstein, A-1190 Wien, Döblinger Hauptstr. 96, die Uraufführung der Kramer-Lieder des bekannten und mehrfach preisgekrönten Wiener Komponisten Karlheinz Schrödl stattfinden. Schrödl, geboren 1937 in Wien, seit vielen Jahren Mitglied der Theodor Kramer Gesellschaft, ist u.a. durch die Kammeroper „Die Tür“ und durch die Kantate „Die Nachgeborenen“ bekannt geworden. 1984/85 komponierte er nach einem Text von Heinz R. Unger die große Oper „Verdammte Engel“. Von Kramer vertonte er nun „Ich habe zu viel und zu gerne gelesen...‘“, „Was hast du Liebster heute Nacht...“, „Schon fährt die Nacht...“, „Vierzigerin“, „Für die kurze Spanne Zeit...“, „Unter deine Decke...“, „Drei Freunde“, „Schlaflied“, „Es wird nicht wieder...“ Das genaue Programm steht bei Redaktionsschluß noch aus. Interessierten senden wir es, sobald wir es haben, gerne zu. 33