OCR
Die endgültige Mitgliedschaft hing von dem weiteren Verhalten der Autoren im Verlaufe eines Jahres ab. Doch obwohl Zeiz. mit Flugblättern und kleineren Brandbomben gegen die Zensurpolitik der Nationalsozialisten kämpfte und wegen seiner jüdischen Freunde mehrfach verhaftet wurde, war er bis Mitte der 1940er Jahre im Besitz einer gültigen Sondergenehmigung. Als gefragter Lieferant von Bühnenstücken und Filmmanuskripten hatte er in der Unterhaltungsbranche einen Namen und die Erteilung der Sondergenehmigung war für ihn nur eine bürokratische Formalität. Sein Sohn Hanno Peter Zeiz dagegen wurde bereits im März 1935 in seiner „Eigenschaft als Nichtarier“ von der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen. Hans Hinkel, der als Sonderbeauftragter des Propagandaministers die „Entjudung“ des deutschen Kulturlebens voranbringen sollte, verschärfte die ,,Arisierungs“-MaBnahmen: Bis zum 15.5. 1936 sind „alle Volljuden, Dreivierteljuden, Halbjuden, Vierteljuden, mit Voll- und Dreivierteljuden Verheirateten aus allen Einzelkammern [...] auszuschließen“, schreibt Hinkel in seinem Rundschreiben an die Kammerpräsidenten. Doch gerade bei der Berufszulassung von „jüdisch versippten“ Schriftstellern wie Zeiz drückten die Sachbearbeiter häufig ein Auge zu. Auch diese „flexiblere Handhabung“ gehörte zum bürokratischen Alltag. Im Fall Zeiz kam für die Behörden erschwerend hinzu, daß der Schriftsteller 1935 nach Österreich emigriert war. Als im Ausland lebender Künstler wurde seine Berufszulassung vom Reichsverband der deutschen Presse mit sofortiger Wirkung gelöscht. Die Sondergenehmigung der Reichsschrifttumskammer dagegen blieb noch zwei weitere Jahre gültig, bis auch diese Eintragung am 9. Januar 1937 gelöscht wurde. Da Zeiz aber - trotz seiner Emigration nach Wien - häufig in Deutschland tätig war, um bei der Aufführung seiner Volksstücke dabei zu sein oder an Filmprodukionen mitzuarbeiten, blieb er bis zum „Anschluß“ Österreichs auch weiterhin auf eine deutsche Berufszulassung angewiesen. In der Regel erhielt er die notwendige Sondergenehmigung problemlos. Zwar hatte sich Zeiz mehrfach den Anordnungen des Propagandaministeriums widersetzt und beispielsweise die „Arisierung“ des Georg Marton Verlages in Wien verhindert. Dafür kam der Schriftsteller und Verleger auch ins Gefängnis. Doch die Berufszulassung wurde ihm nicht entzogen.* Erst im April 1941 sollte seine Sondergenehmigung widerrufen werden. Doch nach Protestbriefen von Zeiz selbst sowie der öffentlichen Unterstützung durch einflußreiche Vertreter von Filmgesellschaften, bei denen er unter Vertrag stand, hatte sich der Sonderbeauftragte für besondere Kulturangelegenheiten, Hans Hinkel, persönlich für die Wiederaufnahme des Autors in die Reichsschrifttumskammer eingesetzt (Nachlaß). Als Zeiz jedoch im Februar 1943 wegen „Verbindung zu jüdischen Kreisen in Ungarn und Unterstützung der illegalen Einwanderung“ zum zweiten Mal von der Wiener Polizei verhaftet und erneut in das Gefängnis Rossauerlände? gebracht wurde, konnte auch Hinkel nichts mehr für den Bühnen- und Filmautor tun. In der Begründung des Schutzhaftbefehls steht: Zeiz gefährde „den Bestand und die Sicherheit des Volkes und des Staates“ [...] dadurch, „daß er beabsichtigte, einer nach Ungarn emigrierten Jüdin eine Lichtbildlegitimation zu beschaffen, damit sich diese als Deutschblütige hätte ausweisen können],] und zu diesem Zweck mit einer anderen Jüdin in Verbindung trat, [...] den Interessen des Reiches zuwiderhandelt und sich durch sein Treiben außerhalb der Volksgemeinschaft stellt.“ 36 Im Juli 1944 wurde der Schriftsteller endgültig aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen. Zu diesem Zeitpunk lag auch ein Gutachten der Sicherheitspolizei vor, in dem alle „Vergehen“ des Schriftstellers aufgelistet waren. Abgesehen von seinen Kontakten zu Juden, standen auch Zeiz, Werke unter ständiger nationalsozialistischer Kontrolle. „Eines seiner Bücher, Die Roten Tage, ist in der Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums verzeichnet“, andere Theaterstücke wie Das letzte Signal oder Neun Offiziere wurden verboten. Zeiz gelte als „gerissener Geschäftemacher“. Weiter heißt es in dem Gutachten: „Die Erhebungen der Geheimen Staatspolizei in Wien sind noch nicht abgeschlossen. Es besteht jedoch die Absicht, Z.-F. [Zeiz-Fraser; Anm. der Verf.] in ein Konzentrationslager einzuweisen.“” Am 3. Juli 1943 kam der Schriftsteller tatsächlich in das Konzentrationslager Dachau. Zwar darf der Umgang der Behörden mit August Hermann Zeiz nicht über die antisemitische Politik der Reichskulturkammer hinwegtäuschen. Doch zeigt der Fall Widersprüche und Inkonsequenzen in der NS-Literaturpolitik. Und vielleicht waren es gerade diese Lücken im bürokratischen Apparat, die Zeiz nicht nur — wenn auch stark eingeschränkt — die künstlerische Arbeit ermöglicht haben, sondern ihn auch zu einem hartnäckigen Widerstandskämpfer machten. Aufgrund seines Status als Bühnen- und Filmautor blieb er bis Anfang der 1940er Jahre von der nationalsozialistischen Gewalt weitgehend verschont. Obwohl er jüdische Künstler versteckte, (sogenannte) Briefbomben legte und Flugblätter verteilte, gelang es ihm immer wieder, seine politischen Aktivitäten zu verschleiern und den Nationalsozialisten zu entkommen. Damit rettete er nicht nur sein Leben und das vieler Freunde, sondern faßte immer wieder neuen Mut, um den Kampf im politischen Untergrund fortzusetzen. II. Vom Verfolgten zum Aktivisten des politischen Widerstands in Wien Nachdem die Nationalsozialisten 1939 und 1940 den politischen Widerstand in Österreich fast vollständig zerschlagen hatten, begannen chemalige KZ-Häftlinge den Kampf im Untergund zu reformieren. „Die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald bildeten die ersten Sammelstellen für die österreichischen Schutzhäftlinge. Da hier die Politiker aller österreichischen Richtungen zusammengesperrt wurden, entwickelte sich [...] eine überparteiliche Gemeinschaft der Österreicher [...]. Hier bildete sich der Kreis, der später die Zentralstellen des österreichischen Freiheitskampfes organisierte. [...] Der ständige Zustrom neuer Häftlinge brachte auch die notwendigen Nachrichten über die Situation in der Heimat [...].“® Im März und April 1939 wurden die ersten österreichischen Häftlinge entlassen und konnten zum Kern einer neuen Widerstandszelle werden. Denn das „jahrelang gemeinsam erduldete Leid in den Konzentrationslagern und in den Gefängnissen der Gestapo“ führte dazu, daß „kampfbereite österreichische Männer über alle Vorurteile von Klasse, Berufs- und Parteiinteressen hinweg“ zueinander fanden, schreibt August Hermann Zeiz alias Georg Fraser rückblickend über die neue Phase des Widerstands (DÖW 8832). Er war einer dieser „kampfbereiten Männer“, der in den frühen 1940er Jahren aufgrund seiner Erfahrungen härter, entschlossener und konspirativer handelte als noch zu Beginn der Widerstandsbewegung unmittelbar nach 1938. Nachdem der Schriftsteller aus dem Konzentrationslager Dachau entlassen worden war, erfuhr er von dem