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nahm, in den meisten Fällen integrierte und zu „echten Wienern‘“ machte, wie die Einwanderer ihrerseits die Stadt kulturell, wirtschaftlich und sprachlich bereicherten und ihre Entwicklung zur Weltstadt und Kulturmetropole erst ermöglichten. Es wurde aber auch dokumentiert, wie sich die Zuwanderer von gestern gegen die Neuankömmlinge von heute wandten, wie es neben positiven Beispielen der Integration regelmäßig zu agressivem assimilatorischem Druck oder zur Ausgrenzung (diesmal ist das Wort richtig gebraucht!) und Vertreibung gekommen ist. Auf die Mitschuld vieler Wiener an der Ermordung von Juden und von Sinti und Roma ist in der Ausstellung genauso hingewiesen worden wie auf die Diskriminierung derselben und anderer Minderheiten heute. Waren es in der Antike hauptsächlich Zuwanderer aus dem Mittelmeerraum, im Frühmittelalter Awaren, Germanen, später Ungarn, Slawen und viele andere, im 17. Jahrhundert Italiener (unter ihnen viele Künstler und Wissenschaftler), so setzte im 19. Jahrhundert erst die eigentliche Massenzuwanderung aus allen Teilen der Donaumonarchie ein. Daß Wien um 1900 die zweitgrößte tschechische Stadt war, ist bekannt, daß Personen mit „böhmisch-mährisch-slowakischer Umgangssprache“, wie es damals hieß, zu den sozial Schwächsten gehörten und vergleichbare Tätigkeiten verrichteten wie hundert Jahre später die sogenannten „Gastarbeiter“ (während die Nachfahren der „Tschechen“ oft in den Chefetagen sitzen), ist ebenfalls nichts Neues. Man sollte besonders positiv hervorheben, daß die Ausstellungsgestalter gerade der Gegenwart viel Raum zugemessen haben, daß die demographische Struktur der Zuwanderergruppen, ihre Arbeitsverhältnisse, Wohnverhältnisse und hauptsächlichen Wohngebiete in der Stadt genauso dokumentiert worden sind wie die Bildungsstruktur, Probleme der sogenannten zweiten Generation, Kultur, Freizeit und gemeinsame integrative Projekte von In- und Ausländern. Es gibt kaum ein heikles Gegenwartsthema, das in der Ausstellung nicht angeschnitten worden wäre, ob nun Asyldebatte, den Streit über die Beschränkung der Zahl ausländischer Kinder in den Schulen oder das sogenannte „Ausländervolksbegehren“ der FPÖ. Im Katalog finden sich bekannte Wissenschaftler, z.B. Albert Lichtblau oder Rainer Münz. Den wichtigsten Einwanderergruppen sind eigene Kapitel gewidmet („Tschechen und Slowaken in Wien“; „Juden in Wien“; „Serben in Wien“, etc.). Die meisten Artikel geben ein gutes Bild von Geschichte und Gegenwart der jeweiligen Volksgruppe, in manchen Beiträgen gehen die Autoren mit ihren Informationen ziemlich sparsam um. Vladimir Vertlib WIR. Zur Geschichte und Gegenwart der Zuwanderung nach Wien. Katalog zur Ausstellung. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1996. 223 S. Der Freundeskreis H. G. Adler, Franz Baermann Steiner und Elias Canetti im englischen Exil Das renommierte Marbacher Magazin der Deutschen Schillergesellschaft in Marbach am Neckar hat als Begleitbuch zur Ausstellung „Ortlose Botschaft. Der Freundeskreis H. G. Adler, Elias Canetti und Franz Baermann Steiner im englischen Exil“, die vom 19. Mai bis zum 18. Juni auch im Wiener Literaturhaus zu sehen war, einen eindrucksvollen Katalog veröffentlicht. Der Autor Marcel Atze nennt als eine Gemeinsamkeit der drei Autoren deren „Werkbesessenheit im positiven Sinne“ und will Licht in das Dunkel der drei ineinander verwobenen Lebensgeschichten bringen. Einschränken muß er diese Möglichkeit allerdings bei Canetti, da dessen Nachlaß bis 2024 gesperrt ist, während der umfangreiche Nachlaß H. G. Adlers sich im Deutschen Literaturarchiv in Marbach befindet. Daher ist es erklärlich, warum der Band vor allem zu Adler sehr viele wissenswerte und neue Informationen enthält, wie über seine Korrespondenz, seinen zähen Kampf mit Verlagen, das Scheitern der englischen Übersetzung seiner berühmten Studie über Theresienstadt und über seine Einflußnahme auf den Eichmann Prozeß in Jerusalem sowie seinen späten Erfolg in Deutschland. Darüber schrieb Adler 1958 an Franz Kobler: „Das Interesse für jüdische Dinge aller Art nimmt in Deutschland immer mehr zu und wächst sich zu einem der erstaunlichsten Ereignisse in der Wirkungsgeschichte des Judentums aus.“ An seine Beziehung zu Wien erinnerte Adlers Sohn, der Germanist Jeremy Adler in seinem Beitrag: „Unter allen Städten fühlte sich H. G. nach den bösen Jahren am wohlsten in Wien. Er fürchtete, sich dort sogar zu Hause zu fühlen. Ob in der Gesellschaft für Literatur, im PEN oder in der Alten Schmiede, er verkehrte mit Autoren aller Art. Für ‚Literatur und Kritik‘ wurde er zum Hausautor. Hier hatte er sein Publikum.“ Der frühverstorbene Dichter Franz Baermann Steiner, an den Adler niemals müde wurde zu erinnern, ist heute hingegen nur mehr Spezialisten bekannt. Steiner gehörte wie Adler zur letzten Generation der Prager Schule und beide begannen früh mit ihrer literarischen Tätigkeit. 1928 begann Steiner in Prag Völkerkunde zu studieren. 1930 freundete er sich während eines einjährigen Aufenthalts in Palästina, wo er Arabisch lernte, mit Schmuel Hugo Bergman an. Im Unterschied zu Adler gelang ihm, der nur ein Jahr älter als Adler war, 1938 die Flucht nach London. In Oxford entwickelte er sich zu einem renommierten Wissenschaftler und Ethnologen. 1942 wurde er mit seinem Hauptwerk über die Soziologie der Sklaverei um Jahre zurückgeworfen, als ihm im Zug ein Koffer mit allen seinen Arbeiten gestohlen wurde. 1949 wurde er Lecturer für Social Anthropology. Er starb, von Krankheit und nach der Ermordung seiner Eltern von Depressionen gezeichnet, 1952 im 43. Lebensjahr. 1954 gab Adler, Steiners Nachlaßverwalter, dessen Gedichtband „Unruhe ohne Uhr“ heraus. Als Erich Fried 1949 zur Vorbereitung einer im Claassen Verlag geplanten Anthologie, die dann nicht veröffentlicht wurde, einen Kreis junger Dichter um sich sammelt, gehörten sowohl Steiner als auch Adler dazu. (Jeremy Adler veröffentlichte darüber im Jahrbuch „Zwischenwelt 4“ der Theodor Kramer Gesellschaft 1995 einen wichtigen Aufsatz). Aus Anlaß von H. G. Adlers 10. Todestag erschien im Bleicher Verlag als Beginn einer neuen Reihe „Zeugen der Zeit“ 1998 ein von Jeremy Adler herausgegebener Sammelband mit zum Teil bisher unveröffentlichten Gedichten, Essays und einem Interview. Der Gedichtzyklus „Theresienstädter Bilderbogen“ gibt ein beklemmendes und reales Bild des Grauens. Die Essays über Theresienstadt, über die Soziologie des Konzentrationslagers und über Geist und Grenzen des Widerstands zeigen die Aktualität und Präzision von Adlers gesellschaftspolitischen Analysen. Abgeschlossen wird der Band mit einem ausführlichen Nachwort des Herausgebers. Es entstand damit das Bild eines Menschen, für den die Vermittlung des Jüdischen, wie Adler in einem Brief an Kobler schrieb, eine der vornehmsten Aufgaben war. Das Wiener Literaturhaus erinnert im Mai nicht nur mit der oben erwähnten Ausstellung, sondern auch mit mehreren Veranstaltungen an den vor zehn Jahren verstorbenen Schriftsteller. Evelyn Adunka Der Freundeskreis H. G. Adler, Elias Canetti und Franz Baermann Steiner im englischen Exil. Bearbeitet von Marcel Atze. Marbacher Magazin 84/1998, 196 S. Jeremy Adler (Hg): H. G. Adler. Der Wahrheit verpflichtet. Interviews, Gedichte, Essays. Gerlingen: Bleicher Verlag 1998. 247 S. Forschungsstelle fiir „Jüdische Literatur in Mitteleuropa“ an der Universität Klagenfurt Am 1. Juni 1999 wurde am Institut für Germanistik der Universität Klagenfurt eine Forschungsstelle für „Jüdische Literatur in Mitteleuropa“ gegründet. Damit wurde erstmals in Österreich eine Stelle zur systematischen Aufarbeitung (deutschsprachiger) jüdischer Literaturtraditionen in Mitteleuropa geschaf77