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Isaak Malakh Ein leiser Herbst in Wien Gedichte Ein leiser Herbst in Wien In einer leisen Stadt herrscht leiser Herbst und zwischen Dächern bleiche Himmelsbläue. Im Prater schauen alte Damen traurig, wie die Baumspitzen sich lichten. Das hier ist nicht Provinz. Ist Zentrum. Hauptstadt. Macht aber keinen Lärm. Lebt ohne Hast. Die Autos schieben leise sich voran, als glitten sie auf Luft, eins nach dem andern. Fußgänger und.die Hunde, schweigend schauen sie auf die Ampeln und die andren Schilder. Nur Kinder stören diese Ruhe wie alle Kinder auf dem Erdenrund. Aus einem Fenster klingt Pianoforte. Nicht forte, doch piano... pianissimo. Und ohne Furcht die Enten und die Möwen spazieren häuslich auf der Praterwiese. Sie sind hierher geflogen, Menschen kennenlernen. Doch jetzt ist schon die Zeit gekommen, daß die Gefiederten mit ihrer Neugier die Donau abwärts heimzu kehren. Die Sonne geht im Wienerwalde unter. Der Abend... Nacht umarmt die Hauptstadt. Und zur Gewähr herbstlichen Schlafes herrscht im Himmel und auf Erden Ruhe. Vom Autor mit Hilfe von Emilia Malakh übersetzt; Bearbeitung: Konstantin Kaiser Meine Stadt Mir ist geglückt: ich wohne in seltener Stadt, für heutige Zeiten — wie in einem Museum. Ich wandere durch die Straßen, den Kopf zurückgeworfen, und himmle sie wie beim ersten Mal an. Hier ist kein Haus ein Doppelgänger ohne eigene Gestalt, hier ist ein Haus Ergebnis eines Suchens und der Kunst, hier ist ein Haus ein einzigartiges Gesicht, hier sind im Stein Gedanken und erstaunliche Gefühle. Gotik, Barock, Renaissance und Empire. Spuren. Augenzeugen. Meilenstein nach Meilenstein. Mit den Fassaden der Häuser schauen sie uns an, aus weiter Ferne das Echo tätiger Meißeln. Verschieden klingen Häuser und Straßen. Lyrisch, feierlich und arrogant. Hier folgen einander Mozart und Tschaikowskij, und die Strauß-Walzer sind Chopin benachbart. Meine alte Stadt, immer neu aufgeschlagenes Buch, das durch den Willen der Generationen geschrieben wurde. In diesem Buch gibt es Kriege und Frieden, Fahnen der Siege, Bitternisse der Niederlagen. Wie steinerne Pilze wachsen die Vorstädte, sträuben sich mit Schloten. Meine Stadt ist ein Edelstein in der Fassung der neuen Formen und Bauten. aber keine wie diese. Sie ist einzigartig. Diese uralte Stadt — unser stilles Fest, Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Vom Autor übersetzt; Bearbeitung: Konstantin Kaiser Präludium Schau Richtung Süden in den durchsichtigen Tag von Pjatigorsk: mit zittrigem Arm ist der Horizont gezeichnet, der lila Berge unklar schwankende Front, und der Elbrus, rosa, fingernagelgroß. Horch dann auf das Schlagen deines Herzens, ob nicht plötzlich die Schläge ohne Antwort bleiben und dumpf. Die Seele der Natur — ein leeres Geräusch für den Ungläubigen, er braucht weder Berge noch Gedichte. Ich bin dort lange schon, ohne jemals dort zu sein, in jener seit den Kinderjahren erdachten Welt. Dort gibt es Vögel: Lieder, herbeigeflogen vom Kaukasus, dort ist der Weg nach Asrum, „Der kaukasische Gefangene“, „Mzyri“. Gepackt von einem sonderbar lustvollen Schmerz, gehe ich einer romantischen Welt entgegen, durch Schluchten und über Bergrücken trägt der Wind die Seiten des Buches, das ich mein Schicksal nenne. Aus dem Russischen von Vladimir Vertlib 19