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au Der Regierungsantritt des Rechtsblocks hat die Lücke, die Harry Spiegels Tod hinterlassen hat, besonders deutlich werden lassen; seine Gegenwart war angesichts des Unrechts und der Niedertracht ein Trost. Harry war nicht nur einer der letzten Überlebenden des „alten“ antifaschistischen Widerstands — er hat um diesen Widerstand immer wieder neu gerungen, er war lern- und wißbegierig und bei aller Freude am Erinnern fähig, sich und sein Leben von außen zu betrachten, mit Humor und Ironie. Es ist nicht einfach, Harrys politische Biographie halbwegs korrekt wiederzugeben. Auf die Gefahr hin, wichtige Etappen zu unterschlagen, will ich es dennoch versuchen: Reiches Elternhaus — und frühe Hinwendung zu linken Organisationen. 1932, mit zweiundzwanzig, tritt Harry der KPÖ bei, arbeitet im technischen Apparat der Komintern, wird 1935 verhaftet und entgeht dem drohenden Hochverratsprozeß dank familiärer Beziehungen. Über Prag und Paris kommt er im Juni 1937 nach Spanien, wo er im 12. Februar-Bataillon auf seiten der Republik kämpft. Im Februar 1939 schlägt er sich nach Paris durch, arbeitet zusammen mit dem Ehepaar Brauner als Lehrer, Erzieher „und Elternersatz“ auf einem Schloß der Baronin Rothschild, wo vor den Nazis gerettete Kinder Zuflucht finden. Während des sogenannten „dröle de guerre“ in mehreren Lagern interniert, gelingt ihm beim Überfall Deutschlands die Flucht in den vorläufig freien Teil Frankreichs. In den Pyrenäen verdingt er sich als Holzfäller und Köhler, ehe er, in Lyon, in der Résistance tatig ist. Unter dem Namen Henri Verdier nimmt er, um den Jahreswechsel 1942/43, eine Stelle in der Bauaufsicht der deutschen Kriegsmarine in Marseille an. Er veruntreut dreizehn Blankolegitimationen, die ebenso vielen Widerstandskämpfern das Leben retten. Bei Kriegsende gelangt er über Jugoslawien nach Wien, wo er sich, wie es so Photo: Felicitas Kruse schön heißt, „der Partei zur Verfügung stellt“. Harry arbeitet für die Freie Österreichische Jugend, gründet das Erste Kinderstegreiftheater, wird Leiter der von Laurenz Genner gegründeten Agrarschule in Ernstbrunn, dann Personalchef verschiedener USIA-Betriebe. Infolge eines innerparteilichen Konflikts — er wird von der ,,Buchgemeinde“, dem Buchklub der KPO, ausgebootet — scheidet er als Parteiangestellter aus. Er hält sich als Waschmaschinenvertreter über Wasser, eröffnet irgendwann ein Einrichtungshaus in Wien-Donaustadt. Später — Anfang der siebziger Jahre, glaube ich — gründet er die „Psychopannenhilfe“, eine Anlaufstelle für Depressive und Suizidgefährdete, für die er bis zu seinem Tod rund um die Uhr zur Verfügung steht. Aber die Arbeit mit seelisch Bedrängten, deren Bedrängnis immer auch gesellschaftliche Wurzeln hat, ist eine Konstante in Harrys Leben gewesen — angefangen mit seiner Obsorge für schwer erziehbare Jugendliche, noch als Mittelschüler, über seine Schützlinge in Brauners „Kinderrepublik“ bis zur Arbeit im WUK, wo er den Hilfesuchenden mit viel Gespür, Zuwendung und verblüffend simplen Rezepten das Dasein erleichtert hat. Als Harry am 22. Jänner 2000 starb, schien die „Psychopannenhilfe“ gefährdet, war sie doch an seinen — ehrenamtlichen — Einsatz und an seine Persönlichkeit gebunden. Aber spontan meldeten sich freiwillige Mitarbeiter, so daß es diese wichtige Einrichtung — das fehlende Glied zwischen Psychiatrie und Alltag — weiterhin geben wird. Harry hat davon geträumt, sein Lebensmotto: „Es lohnt sich doch, Widerstand zu leisten“, in Form eines Symposions anderer Art zu vertiefen, seine Erfahrungen mit denen anderer Widerstandskämpfer gewissermaßen zu bündeln. Wir sollten diesen Traum als Verpflichtung annehmen - nicht Harrys, sondern unseres eigenen Lebens willen. E.H.