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Dem Tiroler Maler Arthur Nikodem (1870-1940) wird heuer eine Ausstellung im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum gewidmet. In Carl Kraus’ gerade erschienenem Buch „Zwischen den Zeiten. Malerei und Graphik in Tirol 1918-1945“ wird Nikodems Verfemung 1937 im nationalsozialistischen Deutschland erwähnt. Ab 1920 als freischaffender Künstler tätig, litt er sehr unter den wirtschaftlichen Verhältnissen. 1924 schrieb er: „Entsetzlich ist nicht das eigene Schicksal, sondern das derer, die man lieb hat.“ Er wurde Mitglied der Nazipartei, ist aber angeblich 1932 wieder ausgetreten. In weiterer Folge sollen Besitzer seiner Bilder diese versteckt gehalten haben. Seine Bilder wurden bald als ‚entartet‘ angesehen. Er war Mitglied des Münchner Künstlerbundes (wie überhaupt die Tiroler Künstler meist an München als Zentrum orientiert waren); 1936 wurde er von der Jahresausstellung ausgeladen, weil seine Werke nicht den Kunstrichtlinien des Dritten Reiches entsprachen. Ein seit 1928 existierendes Arthur Nikodem-Kabinett der Städtischen Sammlungen in Nürnberg wurde aufgelöst; der Großteil der Bilder gilt als == verschollen, von den Nazis beschlagnahmt, nach Berlin verbracht, wie immer. Mir sind durch Zufall in Tirol einige Funde bekannt geworden. Bilder Nikodems wurden nicht nur versteckt, sondern auch achtlos auf Dachböden gelagert. Ich möchte über ein bis jetzt unbekanntes Bild, das 1931 entstanden ist, berichten, ein Mädchenbildnis von Frau Hermine M., deren Onkel Alfons Sturm mit Nikodem befreundet war. Nikodem malte zuerst Alfons Sturm, dann dessen kleine Nichte und „machte Alfons dieses Bild, das er schön, in Rot, versilbert, rahmen ließ, zum Geschenk“. Hermine, die mir dies in einem Interview erzählte, war 1920 in Innsbruck zur Welt gekommen, hatte 1921 ihre Mutter verloren und wuchs bei ihrer Großmutter und verschiedenen Onkeln auf. Ihr Vater Max Sturm (gestorben 1951), Kriegsinvalide des Ersten Weltkrieges, war ein engagierter Sozialdemokrat, verrufen als „Der rote Invalidenführer Sturm“. Der Onkel Alfons (geboren um 1895) hingegen, durch dessen Vermittlung das Porträt von Hermine M. zustande kam, galt in der Familie als unbeständig, wechselte oft die Beschäftigung, heiratete 1934 die Schweizerin Claire Weiß, mit der er zeitweise in Frankreich lebte. Von den Nationalsozialisten wegen Spionagetätigkeit verurteilt, starb Claire Weiß schon 1941 oder 1942 in einem Konzentrationslager, während Alfons Sturm, nach verbüßter Haft freigelassen, vermutlich Ende Juli 1944 neuerlich verhaftet und ins KZ Mauthausen deportiert wurde. Wenige Monate später erhielten die Verwandten die Nachricht, er sei an „Lungenentzündung“ gestorben. An die Porträtsitzungen im Atelier Arthur Nikodems erinnert sich Hermine M. gut: „... Ich kann mir Nikodem noch gut vorstellen. Er war 10 damals schon ein älterer netter, nicht allzu groß gewachsener Herr. [...] Bei meinem Porträt hat er die Zöpfe übertrieben. [...] Als das Bild fertig war, gefiel es mir nicht. Es kam mir nicht vor, daß ich das bin. Ich war ja ein Kind, er stellte mich älter dar. Erst später fing es an mich zu interessieren ... Nikodem hat sich von einer vage annähernden Zeichnung zu einem Porträt und dann zu einem reduzierten Bild hinbewegt. Dieses ist jahrelang in Innsbruck am Dachboden gelegen, weil es meine Schwester nicht wollte. [...] Die Abbildung schaut ein wenig zigeunerhaft aus. Erst später, beim Arbeitsdienst, haben die Männer, wenn ich vorbeigegangen bin, ‚Du schwarzer Zigeuner‘ gesungen. Ich muß als junge Frau so gewirkt haben. Ich war lebhaft und vom Typ her sehr dunkel. Wenn jemand Zigeunerin rief, habe ich mich gekränkt ... [...] Das Bild war ein Freundschaftsbeweis und ein Geschenk für meinen Onkel Alfons Sturm, der dann 1944 in Mauthausen verstarb.“ Arthur Nikodem, Ölgemälde 1931 Portrait von Hermine, Innsbruck