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dichter ein Jude war, ist er mit fliegenden Fahnen zu den Nazis übergelaufen. O, mein Vater wußte schon, wen er mit seinem Haß bedachte! Unverständlich ist nur, daß dieser Mensch zwei oder drei so herrliche Opern schaffen konnte!“ Lange nach Mitternacht ging das Telefon. Doktor K. meldete seine Ankunft. Eva erwartete ihn vor dem Haustor. Und dann erschien er. Eva hatte die Vorhänge tief herabgelassen und nur eine einzige Lampe brennen lassen. Doktor K. war im Mantel geblieben, den eleganten grauen Hut hielt er in der Hand. „Ich danke Ihnen, Sie haben Wort gehalten“, sagte Eva und streckte dem Mann die Hand entgegen. „Was tut man nicht alles für alte Freunde!“ sagte der Anwalt und überreichte Ascher Paß und Dokumente. Gierig stürzten sich beide darüber und konnten nicht glauben, daß sie die langersehnten Wunderpapiere nun wirklich in Händen hielten. „Ich danke dir“, sagte Ascher und fühlte, daß seine Worte armselig und dürftig klangen. Aber schon diese auszusprechen, fiel ihm schwer genug. „Das ist alles?“ fragte Eva vorwurfsvoll. „Er kann unmöglich von mir verlangen, daß ich ihm zu FüBen falle...“ „Nein, das habe ich nicht verlangt. Ich freue mich, dir helfen zu können, obschon ich dabei meinen Kragen riskiere.“ „Ich werde dir das nie vergessen! Doch du hättest dir viel Mühe und das große Risiko sparen können, wenn du nicht geholfen hättest diese Umstände herbeizuführen...“ „Aha! Schon wieder! Nun, das ist ja nur verständlich von deiner Seite, lieber Robert! Im übrigen, damit du dich nicht in meiner Schuld fühlst, will ich gern bekennen, daß ich dir mein Leben und meine Karriere zu verdanken habe. Ich nehme keinen Anstand, dies im Beisein der jungen Dame zu erklären, damit alle eventuellen Mißverständnisse beseitigt werden und ich gar nicht als der Held dastehe, den die nächtliche Situation vielleicht aus mir macht. Ich erfülle nichts als meine Pflicht und Schuldigkeit dir gegenüber. Das ist alles!“ „Großzügig also?“ sagte Ascher und dehnte die Worte. „Großzügigkeit ist meist bedenklich. Wärest du bloß anständig geblieben, dann müßtest du jetzt nicht großzügig sein!“ „Aber, aber!“ rief Eva und lachte. „Müssen sich denn Männer immer wie kleine Knaben betragen, die durchaus miteinander raufen wollen! Der Herr Doktor hat Ihretwegen viel riskiert, das sollten Sie doch anerkennen und alles andere begraben sein lassen, in der Stunde, in der Ihr einander vielleicht zum letzten Male seht!“ „Gewiß, gewiß!“ brummte Ascher. „Aber ich kann nicht vergessen, was er und seinesgleichen mir und meinesgleichen angetan haben!“ „Beruhigen Sie sich, gnädiges Fräulein“, sagte Doktor K. und schlürfte behaglich den Tee, den Eva ihm vorgesetzt hatte. „Robert wird nie zwischen der Sache und der Person unterscheiden können, und ich verstehe das sehr gut. Im übrigen bin ich glücklich, auch Ihnen damit einen Dienst erweisen zu können, mein Fräulein, denn Sie müssen wissen, daß ich Ihren Vater sehr verehrte. Robert kann bezeugen, wie oft ich mit hochgeröteten Wangen vom Stehparterre aus lauschte, wenn Ihr Vater dirigierte. Es waren Festabende für mich...“ „Und dennoch dürften Sie heute die Wiederholung solcher Festabende in Ihrem geliebten Opernhaus nicht einmal mehr wünschen, da mein Vater Jude ist!“ „Hier erkenne ich das stürmische Temperament des Vaters in seiner Tochter wider“, sagte K. mit Verbeugung vor Eva. 14 „Wollten Sie nicht sagen: das jüdische Blut des Vaters? Bitte, genieren Sie sich gar nicht, Herr Doktor!“ „Ich muß sagen, jhr beide macht es einem sehr schwer, euch zu helfen. Und jetzt streiten Sie, mein Fräulein, genau so mit mir wie ein Mann... Vielleicht verstoße ich gegen die Grundsätze meiner Partei, aber ich erfülle eine menschliche Pflicht. Ist denn das gar so schwer zu verstehen?“ „Tu nicht so als wenn die Dinge so einfach lägen!“ rief Ascher. „Du weißt ganz genau, daß du nicht nur aus Freundschaft handelst, sondern auch um im Kleinen gutzumachen, was die Deinen im Großen verbrechen...“ „Es hat doch keinen Zweck zu wiederholen, was ich dir schon einmal gesagt habe! Wir befinden uns inmitten eines Reinigungsprozesses historischen Ausmaßes. Ich selbst halte den Antisemitismus für eine höchst überflüssige Belastung des Nationalsozialismus und ich empfinde menschliches Bedauern mit seinen Opfern. Ich habe keinen Anstand genommen, dir dies zu erklären. Aber vielleicht bin ich im Unrecht, und vielleicht hat unser Führer auch in diesem Punkte recht, wie er schon in anderen recht behielt gegen die Überzeugung und das Wissen so mancher Ganzgescheiten!“ „Also, du bist auch schon dem ‘Führer’ verfallen, gegen den du noch vor kurzem recht scharfen kritischen Sinn zeigtest. Muß ich dich erinnern?“ „Nein, durchaus nicht! Aber hat man nicht seine Ansichten zu revidieren, wenn man sieht, wie dieser einfache und gewiß simple Mann immer recht behält und nachtwandlerisch das Richtige tut? Hat er nicht unser Deutschland zu ungeahnter Größe geführt, ohne dal ein einziger Blutstropfen geflossen wäre? Österreich und das Sudentengebiet gehören heute zum Reich. Morgen werden es alle deutschsprechenden Stämme sein, im Osten und im Westen wird das deutsche Reich regieren, es wird größer und mächtiger sein als je das römische oder das englische Imperium...“ \ „Im Westen auch? Sieh an, sieh an...“ „Ich verstehe das alles nicht!“ rief Eva. „Möchten Sie mir nicht erklären, was das deutsche Volk davon hat, wenn seine Führer überall in Europa das Rad der Zeit zurückdrehen? Was sind das für dumme Kinderspiele? Was ist das denn für ein dummer Knabenehrgeiz, die Welt beherrschen zu wollen? Ist nicht alles, wovon Ihr träumt eine einzige große Kinderei?“ „Alles Leben heißt herrschen! Im letzten Krieg haben uns die Franzosen und Engländer entmachtet, um besser herrschen zu können, um unsere lästige Konkurrenz los zu werden, und nun...“ „Nun wollt ihr dasselbe Spiel mit umgekehrten Vorzeichen aufführen? Begreift ihr denn nicht, daß dann nach fünfzig oder sechzig Jahren wieder die anderen gegen euch aufstehen werden?!“ „Nicht vor tausend Jahren, mein Fräulein, nicht vor tausend Jahren! Früher lassen wir die anderen nicht aufatmen! Alles was sie uns antun wollten, das werden wir ihnen nun wirklich antun! Verlassen Sie sich in dieser Hinsicht ruhig auf die deutsche Gründlichkeit!“ „Wenn ihr können werdet!“ rief Ascher. „Dazu gehören aber zwei!“ „Du wirst doch nicht ernstlich glauben wollen, daß diese Demokraten kämpfen werden? Die Tschechen etwa, oder die Polen oder das vernegerte Frankreich oder das durch und durch überzüchtete und degenerierte England? Nein, keiner dieser alten Helden wird auch nur einen Tropfen Blut vergießen wollen. Und wenn auch! Halte du uns nur für größenwahnsinnig, meinetwegen! Du wirst ja eines Tages sehen, was