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sie ganz rasch und verschwanden wieder, aber im Laufe der Zeit wurden es immer mehr, bald schienen sie die ganze Kammer zu erhellen. Plötzlich bemerkte ich, daß ich nicht mehr allein war. Mir gegenüber standen einige Männer und erstaunlicherweise auch ich selbst! Ich sagte mir, daß das nicht wahr sein könne, aber ich war dort und hatte ein langes schwarzes Taufkleid an, die anderen waren alle rot gekleidet. Ich nahm an, daß ich mich dort beim Verhör befand, denn ich konnte jedes Wort verstehen. Die rotgekleideten Männer schauten sich alle ähnlich. Einer von ihnen befahl mir: „Fang endlich an, du Hurensohn stell dich vor!“ Eigentlich hätte ich wegen dieser Beleidigung wütend werden und zurückschimpfen müssen, aber erstaunlicherweise antwortete mein anderes Ich fügsam: „Was soll ich denn sagen?“ Ein Zweiter fuhr mich an: „Das werden wir dir schon beibringen. Wenn wir uns vorstellen, bin ich sicher, daß du gehorchst und endlich gestehst. Ich selbst werde anfangen, dann kommen die anderen dran und zuletzt du. Du bist der Letzte, hör diesmal gefälligst genau zu.“ Mein anderes Ich begann: „Ich war, besser gesagt, man behauptet, daß ich vor zwanzig Jahren Journalist gewesen sei und versucht hätte, die Menschen mit Wörtern zu manipulieren.“ Doch ich wurde angebrüllt: „Die Vergangenheit lassen wir beiseite, für eine schlaue Ratte wie dich muß die Gegenwart wichtiger sein. Ich bin hier der Kontrolleur und in der Lage, allein mit Hilfe des Lichtes jeden so zu kontrollieren und zum Geständnis zu bringen wie und wann ich will.“ Der andere ergriff das Wort: „Auch ich bin von Beruf Kontrolleur. Ich weiß nicht, ob du diesen Ausdruck für meine Arbeit als passend empfindest, daher will ich es dir genauer erklären: Ich nenne meinen Job ‘Nervenkontrolleur’. Kurz gesagt: Ich arbeite mit der Angst. Ja, Angst, allen bekannt als die alles zerbrechende Kraft. Ich versichere dir, daß ich ohne Ausnahme jeden Menschen in maximal 48 Stunden zur Unterschrift unter jedes Geständnisses bringen kann.“ Der dritte stellte sich vor: „Ich streite nicht um Wörter. Ich bin Verhörender und spiele mit der Hoffnung auf Zukunft. Alle, die bei mir gelandet sind, können mitentscheiden, ob sie weiterleben wollen oder sich von selbst für immer von allem verabschieden.“ Der vierte nahm seine Brille herunter und sagte: „Ich bin ein ehrlicher Mann wie meine Kollegen und kann dir bestätigen, daß ich es mir mit dem Erfolg in meinem Beruf nicht leicht gemacht habe. Meine Kunden tanzen nach meiner Pfeife, weil ich ein bißchen mehr Mut und Geduld habe als sie. Mein wichtigstes Mittel ist die Geduld. Ich habe meine werten Kunden nie belästigt oder gedemütigt. Ich spiele nur mit der Ausdauer, ohne Schlaf auszukommen. Bis jetzt hatte ich keine Mißerfolge mit dieser Methode. Für meinen Erfolg brauche ich Zeit. Die habe ich.“ Dann war ich bzw. mein Doppelgänger im anderen Raum an der Reihe, er stand auf und begann zu sprechen. Ich bekam unheimliche Angst und wollte ihn daran hindern, wollte ihn darauf aufmerksam machen, daß jede Information und sogar unbedeutende Zusagen ihn bzw. mich belasten könnten - aber vergeblich. Er begann zu gestehen, und ich schrie ihn an: „Du Verräter, schäm dich! Sie haben dich nicht einmal berührt, geschweige denn geschlagen, und du gibst sofort auf!“ Er schien mir überhaupt nicht zuzuhören, im Gegensatz zu den Verhörern. Sie lächelten mich an, und einer von ihnen gab mir ein Zeichen. Das sollte bedeuten, daß ich meinem anderen Ich zuhören solle, anstatt es weiter zu unterbrechen. Mein anderes Ich auf der Gegenseite sagte: „Obwohl ich eure Ziele 24 nicht kenne, will ich euch trotzdem versichern, daß ich in Zukunft auf keinen Fall etwas gegen euren Willen unternehmen werde. Was die Vergangenheit betfifft, willich mich dafür bei euch entschuldigen.“ Er schaute die Anwesenden an, ohne meine Anwesenheit zu spüren und wollte sich setzen. Einer von den rotgekleideten Männern gab ihm einen Zettel, und er bzw. ich starrte ihn an und blieb stumm stehen. Der Verhörer schrie: „Lies vor, du Schuft!“ Mit bebender Stimme begann er vom Zettel abzulesen: „Ich habe zwanzig Jahre für den Feind gearbeitet und bitte Sie hiermit um meine sofortige Beseitigung. Wenn Sie meinen Wunsch nicht erfüllen, werde ich es selbst tun. Unter keinen Umständen dürfen Sie Menschen wie mich begnadigen. Verrat muß mit Blut bezahlt werden.“ Die rotgekleideten Männer schrien: „Tod dem Verräter!“ Dann überreichten sie mir bzw. ihm eine Pistole und verließen schweigend die Kammer. Jetzt waren wir beide in zwei verschiedenen Räumen allein. Ich war auf der dunklen Seite - lebendig begraben; er auf der anderen Seite — gebrochen und gedemütigt, mit einer Pistole in der Hand. Sein Zustand war schrecklich. Sie hatten seine Identität zerstört. Wer und was hatte ihn so weit gebracht? Ich wollte ihm helfen, aber er nahm mich nicht wahr. Plötzlich schrie er: „Wo bist du geblieben?“ Ich antwortete: „Wen suchst du denn? Hier gibt es niemanden außer mir, was kann ich für dich tun?“ Da schoß er auf mich, und während des Schießens schrie er: „Jetzt nichts mehr!“ Rahrow 20.7. 1998 Abdolvahab Atari, geboren 1951 im Iran, Doktor der Naturwissenschaften, zahlreiche Veröffentlichungen in politischen Zeitschriften, schreibt in Farsi (Persisch), mußte den Iran 1984 aus politischen Gründen verlassen, lebt in Österreich. Subventionskürzungen Die Theodor Kramer Gesellschaft erhielt bisher für ihre Jahrestätigkeit von der Sektion für Kunstangelegenheiten des österreichischen Bundeskanzleramtes eine Förderung von öS 100.000,— (seit 1994). Heuer wurden der Gesellschaft „im Hinblick auf das Budgetprovisorium 2000“ vorderhand nur 25.000,- bewilligt. Eine endgültige Bemessung der Subvention erfolgt erst nach Inkrafttreten eines Bundesfinanzgesetzes für das Budget 2000. . Die MdZ erhielt bisher ebenfalls 6S 100.000,—; bewilligt wurden vorderhand nur 50.000,-. Der Verein zur Förderung und Erforschung der antifaschistischen Literatur, der bei der Herausgabe von Buchpublikationen und bei Veranstaltungen eng mit der Theodor Kramer Gesellschaft zusammenarbeitet, erhielt vorderhand gleichfalls nur 30.000,- statt bisher 100.000,— bewilligt. Die ÖVP/FPÖ-Regierung beabsichtigt, wie man hört, alle Subventionen zu ‚durchforsten‘. Es läßt sich bereits ein wenig erahnen, was da kommen wird. Danksagung Wir danken der Landeshauptstadt Linz und dem Land Oberösterreich für Druckkostenzuschüsse für das MdZ Nr. 3/1999 beigelegte Supplement zum Franz Kain-Kolloquium 1999.