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Gustav Scheiger, der langjährige Sekretät der Sezession, erinnert in seinem nach dem Krieg erschienen Artikel „Ist der Architekt Herbert Eichholzer vergessen?“ an einen neuen Ausstellungstyp, den Eichholzer „mit einer Schar feuriger Mitverschworener“ in die Tat umsetzen konnte: In Form einer kollektiven Aufgabe wurden Projekte in thematischen Ausstellungen wie — die Packstraße, das künstlerische Straßenbild, das neue Theater, die kirchliche Kunst, Stadt-und Landesplanungen, das Bad der Gegenwart — den üblichen Verkaufs-Ausstellungen des „Markthallen“- Typs entgegengestellt. Wegen der fortgeschrittenen Zeit nur zwei Beispiele : Die Wanderausstellung im Ennstal fand im Frühjahr des Jahres 1935 statt und wurde vom Büro Eichholzer organisiert. Das Ziel war, die damals schon international bekannte Sezession Graz auch in den steirischen Regionen zu bewerben und hier Auftraggeber zu finden: Überall gibt es Menschen, die künstlerisches Empfinden besitzen, aber sie stehen allein. Wenn alle diese sich durch die Sezession — Graz unmittelbar an die Architekten, Maler und Bildhauer wenden, sich mit ihnen auseinandersetzen und so künstlerischen Rückhalt gewinnen, ist die Grundlage gegeben, auf der mit demselben Aufwand an Material, Geld und Arbeit statt Wertlosem Wertvolles geschaffen werden kann. Eine weitere Ausstellung mit dem Titel Kunst im Strassenbild aus dem Jahr 1936 möchte ich als zweites Beispiel nur noch kurz nennen. Anlaß war die neugebaute Bundesstraße über die Pack nach Kärnten. Sie machte viel Aufsehen und zog auch Aufträge nach sich, wie die Realisierung des Färbelungsplans von Köflach sowie Lithographierte Einladungskarte zum „Zinnoberfest“ von Wilhelm Thöny Arbeiten in Voitsberg und Gröbming. Herbert Eichholzer stellte einen Entwurf für ein Rasthaus auf der Ries aus (perspektivische Darstellung), eine Gemeinschaftsarbeit mit Anna-Lülja Simidoff. Das interessante Projekt wurde jedoch ebensowenig realisiert wie ein Entwurf für ein Hotel am Eisernen Tor in Graz, den er gemeinsam mit Friedrich Zotter gemacht hatte. Nicht unerwähnt dürfen die berühmten Feste der Sezession bleiben. Bei einigen wirkte Eichholzer als Maitre de plaisir. 1926 begannen mit der „Piperipi-Redoute“ im Hotel Wiesler die berühmt gewordenen Faschingsveranstaltungen der Sezession, denen auch die Zeitungen ausführliche Besprechungen widmeten. 1928 feierte man das „Zinnoberfest“, für das Wilhelm Thöny drei lithografierte Einladungskarten herstellte. Die Feste sprühten trotz der wirtschaftlich schlechten Zeiten von großartigen Einfällen und vibrierender Lebenslust. 1936 wurde „Ein Kostümkränzchen“ zusammen mit dem Musikverein veranstaltet, eine Persiflage auf die rückwärtsgewandte Gartenlaubenstimmung in Graz. Die „Tagespost‘“ vom 17. Februar berichtete: Ein tendenziöses Fest, aber mit liebenswürdig verkleideten Tendenzen ... Die technische Gesamtleitung hatte Architekt Herbert Eichholzer, dieser energievolle, einfallsreiche junge Grazer Künstler, inne. Der Reinertrag der großen Veranstaltungen — immer einer der Höhepunkte des Grazer Faschings — floß dem Künstlerhausfonds zu. Bis 1938 war eine bedeutende Summe zusammengekommen, und der Bau sollte in Angriff genommen werden, da kam die Beschlagnahme durch die Nationalsozialisten. Einiges über Eichholzer findet sich auch in den Protokollen der Sitzungen der Sezession. Die Sitzungsprotokolle aus der Zwischenkriegszeit sind, bis auf einige wenige, nicht mehr erhalten. Das Archiv der Sezession wurde 1938 beschlagnahmt und vernichtet, was Gustav Scheiger, ihr langjähriger Sekretär, vorher noch retten konnte, landete vor einigen Jahren großteils im Altpapier. Ein Protokoll über eine Besprechung am 4.12. 1936 gibt einen Einblick in den politischen Druck, dem Eichholzer und seine Freunde damals ausgesetzt waren: Eichholzer muß hier eine Ehrenerklärung für seine politischen Gegner unterzeichnen, obwohl von diesen — in beleidigender Absicht — der Ausspruch „Wir sind ja nicht in Rußland‘ als Beurteilung seiner Ausführungen nachträglich ins Protokoll gesetzt wurde. Er wollte diese nachträgliche Ergänzung gestrichen haben, wurde aber statt dessen zu der genannten Ehrenerklärung für die Pro