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Otto Basil und die Literatur
um 1945

Das Werk des Wiener Schriftstellers und
Journalisten Otto Basil scheint heute weitge¬
hend vergessen. Sein Name wird in der ein¬
schlägigen Literatur allenfalls im Kontext
anderer Schriftstellerbiographien genannt.
Die Ursache dafür wird wohl an seiner eige¬
nen Person am ehesten manifest: Basil war
im Literaturbetrieb seiner Zeit in erster Linie
Anreger und Vermittler. Seine große Bedeu¬
tung liegt darin, daß er immer wieder die
Werke seiner Autorenkollegen (jüngerer,
aber auch gleichaltriger) ins Licht der Öffent¬
lichkeit zu rücken und treffsicher zu kom¬
mentieren verstand. Dies äußerte sich am
nachhaltigsten in seiner Herausgeberschaft
der Zeitschrift Plan, der heute bereits ein le¬
gendärer Ruf anhängt. Indessen stand Basils
eigene literarische Tätigkeit immer im Schat¬
ten seiner Aktivität als Organisator und kul¬
turpolitischer Kommentator.

Und doch hatte der 1901 in Wien geborene
Sohn des aus Ruthenien stammenden Kauf¬
manns Franz Baßil bereits als 18jähriger Stu¬
dent der „Neuen Wiener Handelsakademie“
Gedichte in der Zeitschrift „Ver!“ veröffent¬
licht und war danach immer wieder mit Lyrik
in diversen expressionistischen Zeitschriften
hervorgetreten.

In den 1920er Jahren wechselte Basil dann
ständig den Brotberuf, bis er schließlich 1927
eine Anstellung als Fremdsprachenkorre¬
spondent bei Böhler (Stahlindustrie) fand
und in dieser auch bis in die unmittelbare
Nachkriegszeit verblieb. Gleichzeitig arbei¬
tete er als Lektor für den Wiener Krystall¬
Verlag, in dem auch seine ersten größeren
(heute als verschollen geltenden) Prosaarbei¬
ten erschienen — eine Erzählung mit dem Ti¬
tel „Benja“ und ein als Manuskript verbreite¬
ter Roman „Die Umkreisung‘“. Zu dieser Zeit
hatte Basil bereits Kontakte zu so unter¬
schiedlichen Schriftstellerkollegen wie Ru¬
dolf Geist und Josef Weinheber geknüpft,
über welchen er in der rumäniendeutschen
Zeitschrift „Klingsor“ schrieb.

In der Ära des Nationalsozialismus mit Pu¬
blikationsverbot belegt und in die „Innere
Emigration“ gedrängt, gelang es ihm, eine
Mappe mit eigenen Gedichten unter dem Ti¬
tel „Freund des Orients“ sowie seine Übertra¬
gung der „Iluminations“ von Rimbaud als
„Privatdrucke eines Bibliophilen“ illegal zu
verbreiten.

Noch unmittelbar vor dem „Anschluß“ hatte
Basil gemeinsam mit den Architekten Franz
Schacherl und Herbert Eichholzer sowie den
Malern Lois Pregartbauer und Carl Rabus die
Monatsschrift Plan gegründet, in der in erster
Linie Fragen der zeitgenössischen Bildenden
Kunst, aber auch der Kulturpolitik diskutiert
werden sollten. Die ersten zwei Hefte dieser
Zeitschrift wurden Anfang 1938 noch ausge¬
liefert, die gesamte Auflage der dritten Num¬
mer beschlagnahmte die NS-Pressepolizei

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bereits im Verlag. Auf Basil wurde in der
Folge die Gestapo aufmerksam.

Wenige Wochen nach der Befreiung Wiens
versuchte Otto Basil bereits, von der sowjeti¬
schen Behörde die Lizenz zur Herausgabe ei¬
ner Zeitschrift zu erhalten, und im Oktober
1945 konnte die Zeitschrift Plan im Verlag
Erwin Müller wieder erscheinen.

Über die Bedeutung dieses kurzlebigen Peri¬
odikums für die österreichische Literatur
nach 1945 wurde viel gesagt und geschrie¬
ben. Zweifelsohne ist der Plan Otto Basils
größte und nachhaltigste Leistung. Er selbst
ergriff in seiner Zeitschrift allerdings nur
sehr selten das Wort: Gelegentlich steuerte er
treffsichere Polemiken mit Stoßrichtung auf
den „österreichischen NS-Parnaß“ bei, auch
einige kulturpolitische Glossen und Notizen,
drängte sich aber sonst kaum in den Vorder¬
grund.

Nachdem der Plan nach 18 Nummern im
Frühjahr 1948 eingestellt wurde, war Otto
Basil bis 1966 Kulturredakteur der Tageszei¬
tung Neues Österreich. In dieser Position
entwickelte er sich zu einer einflußreichen
kritischen Instanz des Wiener Theaterlebens.
Nach einer intensiven publizistischen Tätig¬
keit in den 1960er Jahren — aus dieser Periode
stammen die beiden Rowohlt-Monographien
über Georg Trakl und Johann Nestroy, aber
auch der utopisch-satirische Roman „Wenn
das der Führer wüßte‘ — zog Otto Basil sich
in seinem letzten Lebensjahrzehnt zuneh¬
mend zurück. Als er 1983 verstarb, „war jene
Literatur, die ihm so wesentliches verdankte,
bereits Gegenstand der Forschung gewor¬
den“ (Wendelin Schmidt-Dengler).

Einzelne Abschnitte des eben nachgezeich¬
neten Lebensweges werden in einem vor kur¬
zem vom Österreichischen Literaturarchiv
herausgegebenen Materialienband einer ge¬
naueren Betrachtung unterzogen. Die Unter¬
suchungen und Belege, die sich in dieser Pu¬
blikation zur Person und zum Werk Otto Ba¬
sils finden, ergeben, zusammengenommen,

noch kein vollständiges Bild von diesem fa¬
cettenreichen Autor und seiner kulturpoliti¬
schen Bedeutung.

Weitgehend ausgespart bleibt zum Beispiel
Basils Tätigkeit als Theaterkritiker und
Übersetzer (aus dem Englischen und Franzö¬
sischen). Auch findet sich in dem Band ledig¬
lich ein größerer Aufsatz, der sich aus¬
schließlich mit Basils literarischer Produk¬
tion befaßt, und zwar Michael Atzes sehr auf¬
schlußreiche Studie „Hitler und Holocaust
im Konjunktiv“ zu dem bereits erwähnten
utopischen Roman „Wenn das der Führer
wüßte‘. Zum lyrischen Werk Otto Basils fin¬
den sich einige Bemerkungen in der den
Band einleitenden Skizze von Wendelin
Schmidt-Dengler sowie eine Notiz über die
späten „poetische(n) Experimente“ - ein
eigener Aufsatz ist ihm allerdings nicht ge¬
widmet.

Das Hauptaugenmerk der vorliegenden Pu¬
blikation liegt indessen auf den Kontakten,
die Otto Basil im Lauf seines Lebens zu
Schriftstellerkollegen pflegte. So ist der jahr¬
zehntelangen Freundschaft des Schriftstel¬
lers mit Rudolf Geist (1900-1957), einem
Wiener Lyriker und Romancier, dessen Werk
jetzt vom Otto Müller Verlag wieder mit ei¬
nem Auswahlband gewürdigt wird, eine Stu¬
die von dessen Sohn Till Geist gewidmet.
(Vgl. auch Robert Geists Aufsatz in MdZ
Nr: 2/1998, S. 27£.)

Rudolf Geist war Mitarbeiter sowohl des
Vorkiegs- als auch des Nachkriegs-Plan und
mit Basil über ein Vierteljahrhundert hinweg
in reger Korrespondenz. Vermittelte er die¬
sem in den 1920er Jahren diverse Publika¬
tionsmöglichkeiten in Zeitschriften, so war
es wiederum Basil, der später Buchveröffent¬
lichungen von Geist ermöglichte und betreu¬
te. Till Geist formuliert dieses Verhältnis fol¬
gendermaßen:

Was Rudolf Geist in den 20er Jahren für Otto
Basil gewesen ist, das war ab den späten
30er Jahren Basil für Geist: motivierender
Mentor und Förderer. Und was Otto Basil in
der NS-Zeit für Rudolf Geist gewesen ist, das
war unmittelbar danach Geist für Basil: mut¬
machender und stützender Freund.

Zur Sprache gebracht wird des weiteren Ba¬
sils Korrespondenz mit dem englischen Exil
unmittelbar nach 1945, mit Erich Fried, Jo¬
seph Kalmer und Theodor Kramer (die
schließlich alle Beiträge für den Plan schick¬
ten). In diesem Kontext stehen die Aufsätze
von Volker Kaukoreit und Daniela Strigl.
Letztere behandelt in ihrem Beitrag unter
dem Titel „Spurensicherung auf dem ‚öster¬
reichischen NS-Parnaß‘,, in erster Linie das
ambivalente Verhältnis Basils zu Josef
Weinheber.

Otto Basil hatte — wie etwa auch die Lyriker
Wilhelm Szabo und Ernst Waldinger — in den
1920er und frühen 1930er Jahren zum Freun¬
deskreis um Weinheber gehört, hatte dessen
frühen Gedichtband „Boot in der Bucht“ im
Wiener Krystall-Verlag ermöglicht. Als
Weinheber sich schließlich mehr und mehr
dem Faschismus annäherte, distanzierte sich