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gung halten wird. Erwähnt werden müssen natürlich auch die Theodor Kramer Gesellschaft als intellektuelle Bastion und das Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien mit seinen engagierten Wissenschaftlern. Die Primadonna der österreichischen Zeitgeschichtsforschung, Erika Weinzierl, langjährige Chefin dieses Instituts. Sie wird am Abschlußpodium unserer Tagung mitwirken. Herzlichen Dank darf ich schon jetzt dem Jüdischen Museum sagen, das uns am Sonntag beherbergt. Ich nenne nur noch eine Institution und einen Namen, Dr. Ursula Seeber von der österreichischen Exilbibliothek im Literaturhaus Wien, die uns eingeladen hat, die sich schon bedeutende Verdienste um die Vorbereitung und Organisation unserer Jahrestagung erworben hat und diese bis zum Sonntag zweifellos noch um ein Beträchtliches vermehren wird. Wir wissen uns - dafür stehen diese Namen und gleichzeitig stehen sie für viele andere — unter Aufgeklärten und Gleichgesinnten, und hoffen mit ihnen, daß Vernunft und selbstkritischer Umgang mit belasteter Vergangenheit und schwieriger Gegenwart die Oberhand behalten werden. Ich wünsche uns allen in diesem Sinne eine erfolgreiche Tagung. Wolfgang Benz, geboren 1941, Studium (Geschichte, Politische Wissenschaft, Kunstgeschichte) in Frankfurt a.M., Kiel, München, 1969 bis 1990 Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte in München. 1986 Gastprofessor an der University of New South Wales (Sydney), Mitgründer und Herausgeber der Zeitschrift „Dachauer Hefte“, Herausgeber mehrerer Buchreihen, seit 1990 Professor an der Technischen Universität Berlin und Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung. Geschwister-Scholl-Preis 1992. Vorsitzender der Gesellschaft für Exilforschung. Mitherausgeber der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. — Zahlreiche Veröffentlichungen zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert. - Zu Ruth Körner vgl. Manfred Altner in MDZ Nr. 3/1993, S. 1-4. Ich bin kein Exilforscher, und meine Ausführungen sind daher nicht als Fachvortrag zu verstehen, sondern als eine Ein- und Überleitung zu jenen KollegInnen, die Substantielles zur Exilforschung beitragen. Lassen Sie mich bitte zuerst etwas zum Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) sagen: Vertreibung und Exil haben in der Tätigkeit des DÖW einen sehr hohen Stellenwert. Rückkehrer aus dem Exil haben entscheidend zum Aufbau des DÖW ab den frühen sechziger Jahren beigetragen; vor allem der in Großbritannien in österreichischen Exilorganisationen führend tätige Herbert Steiner, der Gründer und langjähriger Leiter des DÖW, hat die Exilforschung zu einem Arbeitsgebiet und später zu einem Schwerpunkt der DÖW-Tätigkeit gemacht. Bis heute sind Charakter und Tätigkeit des DÖW von dieser Gründergeneration geprägt. Das DÖW ist kein totes Archiv, wo nur Akten, Bücher und dergleichen verwaltet werden. Es ist eine lebendige Einrichtung, wo die Vergangenheit auch durch die von den MitarbeiterInnen eingebrachten Erfahrungen vermittelt wird. Ich bin z. B. jahrelang mit Frauen in einem Zimmer gesessen, die in Belgien, England, Sowjetunion und Mexiko im Exil waren, und es hat dabei permanent oral history stattgefunden. Der Sammel- und Archivierungstätigkeit sind viele Publikationen gefolgt; ich führe etwa die Reihe Österreicher im Exil (mit Bänden über Frankreich, Belgien, Spanien, Großbritannien, USA und Sowjetunion) an. Die Exiltätigkeit des DÖW erfolgt in konstruktiver Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, Forschergruppen und Einzelforschern. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das von der Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur und dem DÖW organisierte erste österreichische Exilsymposium 1975, das ursprünglich als 3. für das deutschsprachige Exil geplant war, infolge politischer Querschüsse umfunktioniert und zum Ausgangspunkt verstärkter Forschungen in Österreich wurde. Mir ist es aber ein Bedürfnis, neben den Instituten die engagierten und kompetenten ForscherInnen und Kleingruppen hervorzuheben, im besonderen Siglinde Bolbecher und Konstantin Kaiser, die in der Theodor Kramer Gesellschaft mit einem Minimum an Mitteln ein Maximum an Ergebnissen produzieren. Für mich ist die Zeitschrift „Mit der Ziehharmonika“ das beste, was die österreichische Exilforschung zu bieten hat, und der gelungene Versuch, vielfach vergessene Personen und Werke in die kulturelle Identität Österreichs zu integrieren. Mit diesen einleitenden Bemerkungen wollte ich weder Selbstlob noch Komplimente verteilen; ich meine, wir sind damit schon mitten im Thema, nämlich der Bedeutung von Exil und Exilforschung und der Frage, was Exil mit der österreichischen Identität zu tun hat. Ich verhehle nicht, daß mir die Beantwortung Kopfzerbrechen bereitet, und zwar nicht nur der schwammige Begriff Identität, sondern vor allem die konkrete Frage nach den Einflüssen des Exils auf die gesellschaftlichpolitische, kulturelle Nachkriegsentwicklung Österreichs, deren Beantwortung ja das Vorhandensein einer breiten wissenschaftlichen Aufarbeitung voraussetzt. Ich möchte sie nicht mit langen Begriffbestimmungen zur Identität behelligen; ich folge der Einfachheit halber dem Innsbrucker Politikwissenschaftler Anton Pelinka, der 1990 das sehr lesenswerte, essayistische Werk „Zur österreichischen Identität. Zwischen deutscher Vereinigung und Mitteleuropa“ herausgebracht hat. Schon im Titel kommt eine der Grundfragen zum Ausdruck, nämlich der zwischen großdeutschen, mitteleuropäisch-habsburgischen und österreichisch-nationalen Vorstellungen sich bewegende Diskurs. Das Buch beginnt mit einem aufschlußreichen Zitat Friedrich Heers: „Es gibt kein geschichtliches Gebilde in Europa, dessen Existenz so sehr mit den Identitätsproblemen seiner Mitglieder verbunden ist wie Österreich.“ Nun, aus heutiger Sicht ist die Frage der nationalen Identität Österreichs weitestgehend entschieden: eine überwältigende Mehrheit der Österreicher versteht sich als Österreicher, hat das Bewußtsein, einer eigenen Nation anzugehören; Österreich leidet nicht mehr an einem Mangel an Nationalbewußtsein oder -stolz; vielmehr zeichnet sich bereits die gegenteilige Tendenz ab. Die Auffassung, die Österreich gehörten zum deutschen Volk, die noch in den fünfziger Jahren dem österreichischen Nationsbewußtsein die Waage hielt, ist zur Minder7