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Doch weder in der Habsburger Monarchie, noch in der Ersten Republik oder im Ständestaat wurden Juden systematisch ermordet und doch gab es einen Antisemitismus, der von den Nazi nahtlos übernommen wurde. Ich behaupte nicht, daß Juden nun das gleiche Schicksal droht, wie nach 1938, will aber aufzeigen, wie fadenscheinig die Argumentation derer ist, die trotz aller Beweise, nicht zur Kenntnis nehmen wollen, daß Antisemitismus bis heute in Österreich ein Kavaliersdelikt ist. Weil Ironie in Österreich nicht immer verstanden wird, hat Richard Nimmerrichter (,,Staberl“) ein Repertoire an Ironiesignalen geschaffen, die er seit Jahrzehnten fast unverändert anwendet, wenn es darum geht, einer angeblich permanenten Verleumdungskampagne entgegenzutreten. Österreicher werden seiner Meinung nach als „Faschisten“, „Nazis“, „Rassisten“, „Reaktionäre“, „Ausländerfeinde“, ja sogar als ,,Antisemiten“ diffamiert. Er setzt seine Gegner als „Fortschrittliche“, „Pseudolinke“, „linkslinke“, „linksradikale und linksrabiate“, „Gutmenschen“ herab, macht sie so lächerlich und bekämpft — ohne explizit für die Volksgemeinschaft einzutreten — mit allen rhetorischen Mitteln die „multikulturelle Gesellschaft“. In die gleiche Kerbe haut auch Wolf Martin, dessen Texte zum Teil von Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus geprägt sind. Seit dem der in einem bulgarischen Flugzeug abgeschobene Schwarzafrikaner Markus Omofuma am 1. Mai 1999 zum Tod gekommen war, hat sich die Hetze der NKZ noch gesteigert. Marcus Omofuma versuchte sich insbesondere aus Angst vor Verfolgung in seinem Heimatland der Abschiebung zu widersetzen. Die Beamten der Sicherheitspolizei legten ihm daher an Händen und Füßen einen Klettverschluss an und klebten den Mund mit einem Leukoplast (rund um den Hinterkopf) zu. Er wurde dann noch mittels eines Klebebandes im Brustbereich um den Flugzeugsitz fixiert. Laut Aussage des Cheffunkers der Balkan-Air habe sich Marcus Omofuma wild bewegt und immer wieder verzweifelt nach Luft geschnappt. Er habe daher die Beamten aufgefordert, den Leukoplast am Kopf zu entfernen. Die Beamten haben jedoch lediglich den Puls gefühlt und festgestellt, dass alles in Ordnung sei. Schließlich wurde Marcus Omofuma immer ruhiger, fiel in einen ohnmachtsähnlichen Zustand und starb. Der Flughafenarzt konnte nur mehr den Tod feststellen. Welche Lehren zieht daraus Wolf Martin? „Der Tod des O. mit Recht erbittert./ Da hat sogleich die Chance gewittert/ der Gutmensch-Klub, daß nun für alle/ Migranten die Beschränkung falle ...“ (NKZ 26.5. 1999) und „Das Bundesheer wird liquidiert,/ Schmarotzer werden ausstaffiert,/ geknebelt wird die Polizei,/ dann geben wir die Drogen frei,/ und unsere Grenzen stehen offen/ für Dealer, die auf Umsatz hoffen./ Dies ist, im Kern und hüllenfrei,/ das Wahlprogramm der ‚Grün ‘-Partei.“ (NKZ 3.9. 1999) Inspektor Eintreib Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit: Inspektor Ehrlich und Inspektor Eintreib, zwei Figurinen aus der NKZ vom 28.11. 1999, Illustrationen zu einem Artikel des FPÖ-Polizeigewerkschafters Josef Kleindienst. (In dem Artikel wird Unbrauchbares über VerJolgungsverjährung behauptet.) Es ist die typische Methode rechtsextremer Agitatoren, den politischen Gegner in seinem Verhalten und Charakter anzugreifen und abzuwerten. Die Diffamierungen und Unterstellungen bestehen aus einer Kombination von geschürten Angstgefühlen bis zur Kriminalisierung. So wird mit falschem Pathos Stimmung gegen die „Feinde“, gegen Linke und Ausländer gemacht. „Was schaffen sie denn, die Linkslinken,/ die sich so gute Menschen dünken?/ Für ‚Freiheit‘ (nur für ihresgleichen!)/ scheu’n sie nicht Lügen, Trug und Leichen./ Die ‚Gleichheit‘ ihre Schilde ziert,/ in praxi wird nur nivelliert./ Die ‚Solidarität‘ - ihr Ziel!/ Der Eingebor’ne merkt nicht viel./ Ihr Anspruch: Menschen zu beglücken./ Ihr Mittel: sie zu unterdrücken./ Sie sind ein Teil von jener Kraft,/ die Gutes will (?) und Böses schafft.“ (NKZ 13.11. 1999) Hier stellt er - wie schon so oft zuvor — die Tatsachen auf den Kopf. Viele österreichische ,,Linkslinke“ wurden von den Nazi ermordet. Die Tater aber wurden nach 1945 mit wenigen Ausnahmen überhaupt nicht verfolgt. Fünf Tage später veröffentlicht Martin folgendes „Gedicht“: „‚Antifaschisten‘ gerne lügen,/ und zwar dass sich die Balken biegen./ Auch weiß man, dass sie Fälscher sind/ und auf dem linken Auge blind./ Bekämpfend wahnhaft, was vermeintlich/ antisemitisch, fremdenfeindlich,/ rassistisch oder gar nazistisch,/ sind sie zunehmend linksfaschistisch./ Jahrzehntelang, dies sei erwogen,/ ward unser Volk durch sie ‚erzogen‘./ Es scheint, dass dies nun vielen dämmert,/ denn dieses Land ist nicht belämmert./ Und was in Schülerhirnen sitzt,/ wird auch noch einmal ausgeschwitzt.“ (NKZ 18.11. 1999) Er verknüpft exzessive Beschimpfung seiner weltanschaulichen Gegner mit einer geschmacklosen Anspielung auf Auschwitz. Wie es Rechtsextremisten in der Regel tun, bringt auch Wolf Martin zum Ausdruck, daß er mit dem Unterricht der Zeitgeschichte, wie er in den letzten Jahren versucht worden ist, nicht einverstanden ist. Am 16.2. 2000 konnte man folgendes „Gedicht“ lesen: „Dass Juden jetzt aus Östreich flüchten,/ steht zu befürchten wohl mitnichten./ Denn selbst für ärgste Haider-Fresser/ lebt es sich wohl um Häuser besser/ im ‚NaziLand‘ der blauen ‚Schande‘/ als im gelobten heil’gen Lande.“ Zwar behauptet niemand, daß Juden im Jahr 2000 aus Österreich flüchten wollen oder müssen. Vielleicht meint Martin aber, Juden sollten flüchten? Bis zu den sechziger Jahren wurde Juden in Österreich in zynischer Weise, zum Vorwurf gemacht, daß sie „emigriert“ sind. In Wirklichkeit haben diejenigen Juden, denen die Flucht nach 1938 gelungen ist, ihr Leben gerettet. Doch in der Regel wird in der NKZ nicht von Vertreibung und Exil gesprochen sondern von der „Emigration“ der — laut Vorurteil — reichen Juden. Nicht zum erstenmal wird in der NKZ Juden Kannibalismus vorgeworfen‘. Laut Martin ist es vollkommen unbegründet, Haider zu kritisieren oder gar abzulehnen. Juden, die trotzdem Angst vor der Politik Haiders haben, werden somit vom Hauspoeten der NKZ als primitive Kannibalen abqualifiziert. AuBerdem wird Juden Egoismus und Geldgier vorgeworfen, denn wenn sie hier bleiben, dann nur weil es sich in dem Land, in dem Juden von nichtjüdischen Österreichern Zehntausende Wohnungen und Häuser geraubt wurden, „wohl um Häuser besser“ lebt. „Nazi-Land“ der blauen „Schande“ wird von Martin in Anführungszeichen gesetzt, ohne Hinweis, ob diese Bezeichnung von österreichischen Juden stammt. Wieder einmal eine durch nichts belegte oder beweisbare Unterstellung zu Lasten österreichischer Juden. Aber damit nicht genug, wird auch der Anschein erweckt, als ob nur Juden Gegner und Kritiker der FPÖ wären. Interessant auch, daß in der so „patriotischen“ NKZ Juden und Österreicher gegenübergestellt werden, als ob Juden nicht auch zur gleicher Zeit Österreicher sein könnten und so der Leser folgern kann, diese wären nicht hier sondern in Israel beheimatet. Bereits am 23. Februar richtete ich deswegen einen Brief an Hans Dichand, in dem ich u. a. fragte „Wieso wird einem Österreicher vorgeworfen, daß er sein Heimatland nicht verläßt?“ und wie man dazu komme, in der NKZ „antisemitisch beschimpft zu werden?“ Eine Antwort von der ,,Chefredaktion“ erhielt ich erst am 27. März, am Tag als „Format“ von der Absicht Hans Dichands berichtete, Israel zu besuchen. Im Brief ist von einer „stellvertretenden israelischen Außenministerin“ die Rede, die es aber nicht gibt, und es wird behauptet: „Tatsache ist jedoch, dass auch offi47