OCR
teil: nur so kann er konkreter begriffen werden. Gerhard Scheit, Wien, 17.3. 2000 ... ch habe das editorial der MdZ-märz-ausgabe gelesen und möchte ihnen zum teil meine zustimmung, zum anderen meine ablehnung und einige ergänzungen vermitteln. ihre überlegungen zur toleranz-aufklärung (bzw. nicht-aufklärung) in der österreichischen gesellschaft sind so selbstverständlich (sprich: vernünftig), dass es mich immer wieder erstaunt, wie sich ausgerechnet jene politische strömung in österreich, die sich am ehesten der aufklärung und analytischen sicht der dinge verpflichtet fühlt, die sozialdemokratie, dieser einsicht (jedenfalls bislang und, wie es den anschein hat, auf weitere sicht) verschließt. zuletzt hat sich caspar einem in einem standard-kommentar entsprechend regressiv geäußert (anlässlich der diskussion um das konzert der philharmoniker in der gedenkstätte des ehemaligen konzentrationslagers mauthausen). zur diskussion um die öffentliche diskussion österreichischer geschichte, mit der das editorial beginnt, habe ich selbst in der illustrierten neuen welt neun thesen zum status quo (u.a. tabu des österreichischen bürgerkriegs, notwendigkeit einer dynamischen und empathischen geschichtsschreibung abseits von monumentalisierungen etc.) sowie eine alternative in form eines mobilen museums („museum auf rädern“), das die regionale geschichtsschreibung initiiert, unterstützt und einbindet, thematisiert. das im editorial kritisierte zitat von jacqueline lillie ist stimmiger als von ihnen angenommen: in der tat hat die offizielle geschichtsschreibung österreich als erstes opfer des nationalsozialismus bezeichnet. zuletzt wurde eine derartige aussage in der von österreich (österreichischen widerstandkämpfern) gestalteten ausstellung in der gedenkstätte auschwitz 1978 getroffen. gleich zu beginn der ausstellung heißt es da: „märz 1938 — österreich: erstes opfer des nationalsozialismus“, jedenfalls galt das noch bis zu meinem letzten besuch in der dortigen gedenkstätte 1993. gleich, ob der als solcher wahrgenommene superlativ „erstes“ — als ob es sich hiebei um eine auszeichnung handelte - zutreffend ist oder nicht, die bezeichnung „opfer“ ist es jedenfalls in der ausschließlichkeit des wortes nicht. zu weiten teilen war der anschluss österreichs an die deutsche nation eine angestrebte alternative. auch der nationalsozialismus war da kein absolutes hindernis, zum teil sogar ansporn. die willfährigkeit, mit der das offizielle österreich ebenso wie weite teile der bevölkerung den anschluss zugelassen haben, und für diese einschätzung gibt es zahllose belege, erlaubt die annahme des opfer-status nicht. ist es in diesem zusammenhang nicht bezeichnend, dass sie lillies zitat durchaus polemisch kritisieren, aber „nur kurz dazu“ stellung nehmen wollen? diese kürze ist nicht angemessen, weil differenzierung not tut. der transfer der diskussion um den widerstand auf die — vor allem außenpolitisch und in der abwehr von entschädigungszahlungen vor allem gegenüber „rassisch“ verfolgten des nationalsozialismus opportunen - opferrolle, unter deren deckmantel sich alle österreicher, gleich ob sie im widerstand oder in der nsdap oder in ss-einheiten aktiv gewesen waren, verstecken konnten, ist eine historische fehlleistung. dieser transfer — durchaus mitgetragen von widerstandskämpfern — verhinderte zugleich die thematisierung der täterrolle, die vor allem in der nachkriegszeit durch die verlängerung nationalsozialistischen unrechts (siehe entschädigung) eine — ebenfalls von breitem politischen konsens getragene — bestätigung im nachhinein erfahren hat. selbst die, die nationalsozialismus und den anschluss bekämpft hatten, exekutierten nach 1945 weiterhin nationalsozialistische politik. nicht ausblenden dürfen wir in dieser diskussion jenes dilemma, dass österreichischer widerstand primär oder jedenfalls in der zeitlichen abfolge zunächst nicht gegen den nationalsozialismus und den „anschluss“ sondern gegen das system des sich konstituierenden ständestaates gerichtet war. differenzierenderweise müsste man wohl von widerstand I und widerstand II mit einer in ihrem ausmaß noch zu diskutierenden „schnittmenge“ — widerstand III — sprechen. die mär von der opferrolle verstehe ich deshalb als solche vor allem im kontext der gesamten geschichte der ersten und der zweiten republik. die opferrolle wird übrigens bis heute instrumentalisiert, zuletzt auf das verhalten der EU-14 gegenüber österreich bezogen. aus meiner durch mein studium der akademischen psychologie beeinflussten sicht bin ich auch weniger optimistisch, dass die widerstands-rufe der gegenwart tatsächlich auf dem von ihnen vermuteten motiv beruhen. es scheint sich vielmehr um ein verharren auf der regressiven stufe der underdog-mentalität zu handeln: aufstand der ohnmächtigen — in kurzen wachen momenten — gegen die staatsgewalt, um danach wieder in die politische ohnmacht zurückzufallen. das wahrgenommene gefühl der mangelnde alternative als ursache für reaktanz, vorerst ungericheten widerstand. bis jetzt habe ich jedenfalls noch keine reflexion wahrnehmen können. im grunde wissen viele auch gar nicht, wogegen sie genau protestieren — eine analytische auseinandersetzung ist mir jedenfalls nicht bekannt. auch scheinen die proteste keine reflexion in den parteien ausgelöst zu haben, anders als 1978 oder 1984 als sich die grünbewegung formierte, vergleichbar aber mit 1993, als das „lichtermeer“ als reine protestbewegung (bzw. -kundgebung) ohne weitere analytische auseinandersetzung im intellektuellen nichts (und vorerst im politischen rechts mit bereits einigen todesopfern) mündete. in den letzten tagen habe ich deswegen die idee erwogen, nach meinem aufruf zur gründung einer alternativen regierung anfang februar nun zur gründung einer neuen, alternativen partei aufzurufen, die die analytische reflexion mit der perspektive einer politischen umsetzung ermöglichen soll. aus psychologischer sicht bietet die sich nun zuspitzende krise des politischen (neben der gefahr weiterer todesopfer) die chance zur weiterentwicklung. trotz meiner nun doch eher kritischen reflexion ihres editorials war mir ihr text eine willkommene und hilfreiche anregung. herzlichst, Anton Legerer, Wien, 19.3. 2000. (Die konsequente Kleinschreibung des Originals wurde beibehalten. — Red.) Der P.E.N.-Club Wien hat mir zwei verschiedene Stellungnahmen des Clubs zu der neuen Lage in Österreich übermittelt, von denen die weniger peinlich-gewundene von Dr. Peter Marginter stammt. Aber auch sie beweist, wie Sie in Ihrem Editorial, S. 3 oben rechts, sagen, daß es selbst in unseren besten Köpfen zur Zeit seltsam zugeht. Ihr Editorial hingegen könnte ich sofort unterschreiben. Wie das wohl kommt? Prof. Dr. Hermann Schreiber, München, 20.3. 2000 Zu Günter Eisenhuts Aufsatz „Herbert Eichholzer und sein Kreis“ in MdZ Nr. 4/1999, S. 32-38, besonders S. 36. Ich habe oft über Axl Leskoschek geschrieben, in Bruno Freis „Tagebuch“, im Katalog der Albertina-Ausstellung und im Faltblatt der Galerie Hoyerswerda, zudem habe ich ihn auch verlegt: Nestroy und eine kleine Monographie. Unser Briefwechsel währte, auch mit Frau Marusja, über ein Jahrzehnt. Dr. Erhard Frommhold, Dresden, 23.3. 2000 .. MdZ, das ausgezeichnete Journal, mehr denn je nötig in dieser unruhigen, abnormalen Zeit, besonders für Ihr Land. Das „Haider-Problem“ hat hier, wie auch in Europa und anderen Teilen der Welt, große Aufregung und Sorge erregt. Aus diesem Grunde alleine schon, wünsche ich Ihnen ... noch viele Jahre Erfolg. Carl Ruwalski, New York, 4.4. 2000 Ich habe gerade MdZ-Heft vom März 2000 fertig gelesen und bin so beeindruckt von der Fülle und Tiefe der Beiträge, von der sprachlichen und gedanklichen Brillanz Ihrer Artikel usw. usw. Weil Lob ja allenthalben selten ist, soll man es, meine ich, auf der Stelle spenden, wenn einem zum Loben ist, wie mir nach der Lektüre. Miguel Herz-Kestranek, Wien, 5.4. 2000 Berichtigungen In MdZ Nr. 4/1999 (März 2000), S. 41, erste Spalte oben, wird der Eindruck erweckt, Franz I. habe vor und nicht nach Josef II. in Österreich geherrscht. Wir beabsichtigten aber nicht wirklich, den bekannten Ge67