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und neutralisiert wieder ein Stück Bodenständigkeit und Heimatkitsch in unserer Literatur. Das Paradoxe und enorm Bereichernde an diesem Autor für die österreichische Literatur scheint mir das Skandalon seiner Unbehaustheit und Sehnsucht nach Heimat zu sein, die in Wirklichkeit mehr Heimat und wirklich lebbare Existenz enthält, als so mancher Dichter von Grund und Boden zu beschreiben vermag. Mit seiner Thematisierung der Zwischenräume, der Betonung von Nebensächlichkeiten und der Wichtigkeit von Nuancen im Formalen und dem Verweilen in Korridoren und Durchgängen, der Endgültigkeit und literarischen Bedeutung des Provisoriums reiht sich Vertlib in eine Reihe großer österreichischer Dichter jüdischer Herkunft ein, deren Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Was wäre die österreichische Literatur ohne sie! Sehr geehrter Herr Vertlib! Eine unabhängige Jury hat Ihnen diesen Förderungspreis zuerkannt. Ich habe die große Ehre, ihn für dieses Ressort überreichen zu dürfen, ich bitte Sie, diesen Preis als Zeichen unserer gemeinsamen Achtung vor Ihrem großen Werk und Respekt vor Ihrer Person entgegenzunehmen. Wolfgang Unger, geboren 1935 als Sohn eines Fabriksarbeiters in Wien, Studium der Germanistik, Anglistik und Philosophie an der Universität Wien, Lehramt für Höhere Schulen, Dr.phil.; 1976 an das Bundesministerium für Unterricht und Kunst berufen. Ab 1984 Leiter der Abteilung Literatur und Verlagsförderung im Bundesministerium für Unterricht. Zuständigkeit für das gesamte Kunstbudget. Lebt in Bad Vöslau. Theodor Kramer, mein Freund und Gefährte im Exil, war einer der letzten wahren Volksdichter. Wenn etwas den dummen deutschen Mythos von der „artreinen“ Bindung an „Blut und Boden“ widerlegt, dann sind es seine wunderbaren Schilderungen der Natur, der Landschaft, der Bauern und Häusler, der Glasbläser und Winzer, der Lehrer und Schreiber, der Schnapsbrenner und Budenwirte, der Soldaten und der einfachen Leute allenthalben und überall. Hilde Spiel Die Theodor Kramer Gesellschaft wird in Zusammenarbeit mit der Grazer Autorenversammlung (GAV) ab November 2000 alle zwei Jahre einen Theodor Kramer-Preis für Schreiben im Exil und im Widerstand vergeben. Gewürdigt werden soll mit ihm nicht die literarische Qualität allein, sondern darüber hinaus die Haltung und das Schicksal der Preisträgerin oder des Preisträgers. Es ist ein internationaler Preis; es kommen also nicht allein österreichische Autorinnen und Autoren für ihn in Betracht. Die Verleihung in zeitlicher Nähe zum Jahrestag des Novemberpogroms 1938 erinnert an die Ereignisse, die so viele ins Exil trieben, auch Theodor Kramer, und andere unter schwierigsten Bedingungen zum Widerstand veranlaßten, wie jene Frauen, die sich um Kramers in Wien verbliebene Mutter kümmerten. Die Preisträgerin oder der Preisträger werden vom Vorstand der Theodor Kramer Gesellschaft bestimmt. Es ist ein Würdigungspreis, um den man sich nicht bewerben muß. (Ob auch ein Förderungspreis eingerichtet werden kann, hängt vom Ergebnis unserer Finanzierungsbemühungen ab.) Der Vorstand wird die an ihn herangetragenen Vorschläge und Anregungen prüfen. Der Preis ist mit mindestens öS 50.000,— dotiert, die von der Theodor Kramer Gesellschaft garantiert werden. Die Gesellschaft schreibt alle Personen, die in Österreich politische Mandate innehaben, an und bittet sie um einen Beitrag für den Preis. Es ist dies eine Gelegenheit zu zeigen, daß in Österreich heute keine Literatur der Beschönigung und Beweihräucherung, sondern der Wahrheit und Unbestechlichkeit gewünscht wird. Die endgültige Höhe des Preises wird unter anderem auch vom Ergebnis dieses Aufrufs abhängen. Dem Land Niederösterreich danken wir für eine Förderung von öS 15.000,- zur Vorbereitung des Preises. Vorschläge für den Preisträgerin oder den Preisträger bitte an: Theodor Kramer Gesellschaft, A-1020 Wien, Engerthstraße 204/14. (E-mail: tkg@compuserve.com). URL Krieg vor allem die Frauen. Roman und Gedichte für Amold Schünberg