OCR
Die Krähe und der Kanarienvogel Grübler suchen stets subtile Gründe, Ich sag’ aber: Einfach so, aus Neid, Ist die Kräh’ auf den Kanarienvogel böse Und ist gegen ihn, wie man so sagt, mordsmäßig Aufgebracht, „Weil er mir mit seinem Trällern nur so in den Kopf hineinhackt. Dieser Bastard eines Spechts kann nicht einmal richtig krächzen, Sondern trilliliert! Frag nicht für wen?! Wer benötigt denn das wüste Gurgeln? Unglücksrabe, schon genug! Schüttest Blei mir in die Ohren! Kennst du denn gar kein Erbarmen?“ Schreit die Krähe. Und sie schreit und tobt und lärmt so lange, Bis sich’s der Kanarienvogel überlegt: „Es ist die Wahrheit, Jeder weiß es: Sie, die Krähe, ist eine Prophetin, eine weise Frau. Wer versteht wie sie was von Gesang? Und vielleicht ist’s wirklich so, Dass kein Triller an das Krächzen ’ranreicht. Hab’ wahrscheinlich schon zuviel herumgeträllert... Ist’s nicht besser krächzen? Lass es mich erst einmal nur versuchen!“ Er versucht es einmal, zweimal, mit dem linken, mit dem rechten Instrument. Er verrenkt das Zünglein, so als würd’ er Steinchen kauen. Alle Vöglein, die um ihn herum sind, prusten vor Gelächter. Nur die Kräh’ verhält sich gut und fromm, Setzt sich für ihn ein, verteidigt ihn, erbittet Nachsicht: „Lacht nicht, Kinderlein, man darf nicht“, sagt sie, „über ein Gebrechen lachen, Wie die Gassenbuben in der Stadt dort! Niemand ist gefeit vor Unglück, niemand! Krächze, krächze, liebes Söhnchen, immer mehr und mehr Wird dein Hälslein klarer werden, Reiner! Einen Krächzer auszustoßen ist, versteht sich, etwas mehr, Als ein Körndel zu verschlingen! Aber: umso bitterer der Anfang, desto köstlicher das Ende! Bravo! Bravo! Hört nur, wie er es versucht mit der Oktave - — — Leider zu hoch angesetzt, und dennoch recht beachtlich. Hört, er wird noch mal ein gar nicht schlechter Krächzer, Tja, ja, ja, ihr könnt mir glauben...“ Freut sich der Kanarienvogel, fühlt sich aufgewertet, Und je lächerlicher er sich macht, desto mehr ist sie bereit, die Krähe, ihn zu loben. 1956, s. 87f. („di kro un der kanarik“) di kro un der kanarik griblerss suchn ssibeß dine, ich sog: glat asoj, far kineh bejs di kro ojfn kanarik. s’is ojf im, wi sogt men ess, lehareg un lo’oved, as in kop-arajn mir mit sajn triln rak er dshobet. der ben-pikholz ken kejn rechtn kra nit nemen un er trelelajket! freg far wemen? wer badarf doss gorglenisch, doss wisste? schlimasl, genug schojn! in di ojern blaj mir gisstu! kejn rachmoneß gor baj dir nito? schrajt di kro. schrajt si, pildert, gragert, asoj lang bis fartracht sich der kanarik: in an emeß, jeder wejsst: di kro a novete un a chachemeß. wer wi si farschtejt sich ojf gesang? efscher take kumt kejn tril nit zu kejn krake. zufil sich fartrilert schojn missthom ich. is nischt glajcher kraken? okorscht nor a pruw tun los mich! pruwt er ejnmol, ojf der linker kejle, ojf der rechter. sich doss zingl wi mit schtejndelech zebrecht er. ale fejgelech arum im kajchn far gelechter. nor di kro is gut un frum, nemt sich on sajn kriwde, zit ojf im genod: lacht nit, kinderlech, me tor nit, sogt si, lachn fun a mum! wi di gassnjinglech dort in schtot! fun kejn zoreh kejner nit bawornt, kejner! krake, krake, sinenju, alz mer un merer wet doss heldsele dir wern klerer, rejner! tun a krake is, farschtejt sich, epess mer wi aropschlingen a ker! ss’is a thoireh, je... un jeder onhejb schwer... ober: woss der onhejb biterer — der ssof geschmaker! brawo! brawo! hert nor wi er tut a nem ojf der oktawe zu farrissn, ober fort tschikawe. hert, er wet noch sajn nischkoscheh fun a kraker, je, je, je, ir megt mir glojbn... frejt sich der kanarik, is ba sich gehojbn, un woss mer er macht sich lecherlech — di kro im grejt zu lojbn. Lateinschriftlich transkribiert nach: elieser schtejnbarg: mescholim II. Tel Aviv 1956, s. 87f. 31