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ten Rumänen aus der Bukowina, in der zweiten Hälfte gingen sie vor allem vom Bukarester Zentrum aus. Um die Unruhe besonders unter den vielen Ukrainern zu bekämpfen, herrschte im Norden fast durchgehend der Belagerungszustand. Die Sicherheitspolizei zerschlug nicht nur deren Kulturvereine, sondern bespitzelte ständig auch alle Vereine der Deutschen, Juden und Polen. Den Sicherheitsexperten aus Bukarest war jede autonome Struktur suspekt, daher wandten sie sich ebenfalls gegen die nicht auf ethnischer Grundlage organisierte Arbeiterversicherung.° Zwar waren die Vertreter der Nichtrumänen in manchen Gemeinderäten und Stadtverwaltungen noch mitspracheberechtigt, doch wurde ihre Beteiligung von den Rumänen als Zugeständnis verstanden. Durch das Gesetz von 1924 verloren bereits viele Bukowiner Nichtrumänen ihre Staatsbürgerschaft, wenn sie nicht belegen konnten, daß sie vor 1908 das Heimatrecht einer Bukowiner Ortschaft besassen. Viele Schulen der Nichtrumänen wurden in rumänische Institutionen verwandelt. Die Nationalliberalen, die zwischen 1922 und 1928 mit einer kurzen Unterbrechung 1926/27 die Regierungen stellten, betrieben eine gezielte gesellschaftliche Marginalisierung der Nichtrumänen. Sie begründeten ihre Sondermaßnahmen zugunsten von Rumänen damit, daß in den neu angeschlossenen Gebieten eine rumänische Mittelschicht nur durch staatliche Förderung entstehen könne. Nur rumänische Genossenschaften und Betriebe erhielten Fördermittel. Besonders starker Druck wurde auf ukrainisch sprechende Bauern ausgeübt, denen die rumänischen Nationalisten einreden wollten, daß sie lediglich seit einigen Generationen ihre rumänische Muttersprache verlernt hätten. Diejenigen Bauern, deren Namen die Bürokraten auf rumänische Grundformen zurückführten, mußten ihre Kinder in rumänische Schulen schicken. Sie erhielten auch Begünstigungen wie zum Beispiel Bodenparzellen im Rahmen eines Programms zur Rumänisierung ukrainischer Orte an der Nordgrenze. Es handelte sich um eine seit 1925 von den Bukarester Ministerien geplante Aktion, die sich bewußt über die Bestimmungen der in Paris unterzeichneten Schutzverträge für die Minderheiten hinwegsetzte*. Die Klagen von Vertretern der Ukrainer beim Völkerbund gegen die Diskriminierung führten zwar zu einer Überprüfung, doch es gab kein effektives Sanktionssystem.” Weil bereits seit 1919 die Angestellten in der staatlichen Verwaltung und im Schulwesen rumänische Sprachkenntnisse nachweisen mußten, wurden viele Nichtrumänen ohne diese Kenntnisse entlassen. Auf diese Weise konnten bis in die dreiBiger Jahre alle rumänischen Absolventen der Czernowitzer Universität problemlos untergebracht werden. Daher war in der Bukowina bis Mitte der dreißiger Jahre der rechte Trend unter rumänischen Studenten schwächer als in Iasi und Bukarest. Dennoch gab es bereits keine Verurteilung von seiten der rumänischen Studentenverbände, als 1926 ein jüdischer Abiturient von einem rumänischen Nationalisten ermordet wurde.® Die Rumänisierung in den dreißiger Jahren Bei der Untersuchung der dreißiger Jahre lassen sich zwei Phasen mit einer verschiedenartigen Minderheitenpolitik ausmachen: Zwischen 1928 und 1933 regierte die Nationale Bauernpartei, die eine Kooperation mit den Minderheiten anstrebte, danach setzten die Nationalliberalen die Ausgrenzung der Nichtrumänen wieder fort. Die Nationale Bauernpartei konnte ihr Reformprogramm aufgrund der ungünstigen wirtschaftli Vedere din Cernäufi Monumentul Unirll |, „Monument der Vereinigung“. Rumänische Postkarte aus der Zwischenkriegszeit, Abbildung nach einer Kopie. chen Rahmenbedingungen nicht erreichen. In den Jahren der Weltwirtschaftskrise war der Staat nicht in der Lage, das bereits geschwächte institutionelle Netz der Minderheiten zu fördern: Aus Geldmangel mußte er auch Schulen der Minderheiten schließen. Gleichzeitig hatte die Krise viele Banken und Genossenschaften der Minderheiten ruiniert, so daß diese nicht mehr aus eigener Kraft ihre Institutionen erhalten konnten. Lediglich den Deutschen gelang dies teilweise durch finanzielle Unterstützung aus dem Deutschen Reich, jedoch nahm dadurch der Einfluß des Nationalsozialismus zu. Die gemäßigten Führer wurden durch radikale Kräfte abgelöst, die ihre Bezugsgruppe nicht mehr als Minderheit, sondern als Teil des deutschen Volkes: als „Volksgruppe“ definierten.’ Doch auch ohne Unterstützung von außen verloren in denselben Jahren die gemäßigten Führer der Ukrainer ihren Einfluß. Die Radikalen strebten bereits Mitte der dreißiger Jahre eine Großukraine an, noch bevor im Deutschen Reich die Schaffung von Satellitenstaaten ins Auge gefaßt wurde. Selbst die Juden setzten verstärkt auf den auswärtigen Bezugsrahmen: Der Einfluß des Zionismus wuchs. Die drei parallelen Radikalisierungsprozesse verweisen darauf, daß sie eine Folge der Unergiebigkeit der Verhandlungspolitik waren. Unter den Rumänen der Bukowina breitete sich Anfang der dreißiger Jahre eine antisemitische Bewegung aus. Schwerpunkte waren einerseits ländliche Gegenden in der Südbukowina, wo es immer wieder zu Ausschreitungen gegen Juden kam und andererseits waren es die Oberschulen in den Städten und die Czernowitzer Universität. Die Nationalliberalen hatten in den Jahren als sie in der Opposition waren, die Forderungen von radikalen Nationalisten nach Ausschluß aller Nichtrumänen kräftig unterstützt und die regierende Bauernpartei der Kumpanei mit den Minderheiten bezichtigt.? Obwohl die Nationalliberalen, die Ende 1933 wieder an die Macht kamen, alle Zugeständnisse an die Nichtrumänen aus der Regierungszeit der Nationalen Bauernpartei abbauten, waren die rumänischen Studenten mit ihrer Lage unzufrieden und viele unterstützten die terroristische „Eiserne Garde,,. Ausschreitungen und Brandanschläge auf jüdische Wohnhäuser waren Anfang der dreißiger Jahre in der Bukowina bereits ständig auf der Tagesordnung.” Es dürfte kein Zufall gewesen sein, daß die ersten Gesetzesinitiativen zur Zurückdrängung des Einflusses der Nichtrumänen zwischen 1934 und 1937 stattfanden, als der aus der Bukowina stammende Ion Nistor das Arbeitsministerium leitete. Nun zielte die „Rumänisierung“ nicht mehr lediglich auf deren 37