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Frederic Morton: Das Zauberschiff. Roman. Aus dem Amerikanischen von Karl-Erwin Lichtenecker. Wien: Franz Deuticke Verlag 2000. 303 S. Deutsche Erstausgabe des 1960 in New York erschienenen Buches ,,The Witching Ship“. Das Buch ist in den USA seinerzeit bei Random House, einem der größten Verlage des Landes, herausgebracht worden. 40 Jahre also dauert es bei uns, bis ein Buch über Hitler-Flüchtlinge deutschsprachige Leser erreichen kann. Die enorme zeitliche Verschiebung ist vermutlich auch Ausdruck einer Ungleichzeitigkeit der geistigen Entwicklung: In den 1960er Jahren war ein Buch über das Leben von Flüchtlingen in Österreich kaum publizierbar. — Der Roman hat auch den Vorteil, dap er, wiewohl auf einem Schiffe spielend, von einem selbst Exilierten stammt. Briefe, Riickspiegel Zur Notiz von K.K. über „Das Jüdische Echo“ in MdZ Nr. 4/1999, S. 59. K.K. schrieb: „Da ist eine kleine, doch achtbare Gemeinschaft, die sich ihrer Würde nicht selber sicher zu sein scheint, sondern dazu jedes Jahr Vor- und Geleitworte der politischen Repräsentanten des österreichischen Staates vom Präsidenten bis zum Innenminister benötigt.“ Ich dachte während der dreizehn Jahre, in denen ich Redakteur des offiziellen Organs der Israelitischen Kultusgemeinde Wiens war, ähnlich. Doch diese Worte an die „jüdischen Mitbürger“, die fast immer von einer/m SekretirIn der PolitikerInnen geschrieben werden und meistens nichts aussagen, gehören zum Ritual der Selbstberuhigung, denn man will es offiziell versichert haben, hier erwünscht zu sein. K.K hat Recht mit der Frage, was „ein völlig unkritischer, verehrungsvoller Nachruf auf den einstmaligen Ustascha-Faschisten Alfons Dalma ... in einer jüdischen Zeitschrift zu suchen“ habe. Zweck des von der Vereinigung Jüdischer Hochschüler und Jüdischer Akademiker Österreichs herausgegebenen Jahrbuches ist die „historisch-kritische Aufarbeitung des österreichisch-jüdischen Geisteslebens sowie die Darstellung aktueller Tendenzen in Österreich und Israel.“ Der „Nachruf auf Alfons Dalma‘“ von Gerd Bacher hat nichts, aber gar nichts mit „historisch-kritischer Aufarbeitung“ zu tun, denn Bacher vermeidet es, peinliche Details im Lebenslauf seines Freundes zu erwähnen: „Als alles in Trümmern lag, landete Stefan Tomicic [der sich nach 1945 Dalma nannte, K.P.] in Salzburg, ... 26 Jahre alt, Kroate, der schlecht Deutsch konnte.“ Als Tomicic-Dalma nach Österreich kam, war er jedoch kein unbeschriebenes Blatt. US-Geheimdienstberichte stellten 1952 fest, daß Stjepan Tomicic Presseattaché der mörderischen kroatischen Ustascharegierung in Berlin war und nach dem Krieg „öffentlich die Ustascha und ihre Aktivitäten verteidigte“. Bereits während des Krieges ein relativ bekannter Journalist, gelangte er 1945 über Innsbruck nach Salzburg, wo er in katholischen Kreisen rasch Kontakte fand. Neben den Antisemiten Viktor Reimann und Ilse Leitenberger spielte er bereits 1945/46 eine wichtige Rolle bei den „Salzburger Nachrichten“. Nun mag man in Österreich gerne über solche „Jugendsünden“ hinwegsehen, aber es fehlt noch ein wichtiges Detail in Gerd Bachers Nachruf. Er schreibt: „Die gescheite Zeitung, die die Salzburger Nachrichten waren, verdanken sie vor allem ihm [Dalma, K.P.] und seinem Agramer Freund René Marcic, den er dort hinbrachte.“ Bacher verlieh 1989 den René Marcic-Preis an Ilse Leitenberger, Viktor Reimann und Alfons Dalma fiir die Gemeinschaftsleistung bei Aufbau und Entwicklung der Salzburger Nachrichten unmittelbar nach dem Krieg sowie fiir ihr individuelles Werk. Sogar der Landeskulturbeirat zeigte sich betroffen darüber, daß exakt ein Jahr nach den offiziellen Gedenkveranstaltungen zum fünfzigsten Jahr des „Anschlusses“ ehemalige NSDAP-Anwärter oder -Mitglieder und ein Mitarbeiter Ustascha-Kroatiens mit diesem Preis der Salzburger Landesregierung geehrt werden sollten. Der Jurist René Marcic, wie Alfons Dalma beim Ustascha-Regime in die Lehre gegangen, veröffentlichte in der Weihnachtsnummer vom 24.12. 1949 der Salzburger Nachrichten eine Polemik gegen Peter de Mendelssohn, in der er den Massenmord an Juden gegen die Juden selbst wendet: „Der Wert des Menschen steigt oder sinkt, je nachdem man das Wesen des Menschen höher oder niederer ansetzt. Wer über Gott und das Gebet Spott treibt, oder wer in Gott höchstens ein Es, jedoch keine Person, kein Du erfährt, der darf sich nicht wundern, wenn er die Abwertung seines Wesens am eigenen Leibe zu spüren bekommt und eines Tages in die Gaskammer gesteckt wird. Mendelssohn und seinesgleichen haben selber die Welt heraufbeschworen, von der sie dann verfolgt wurden. [...] Die Welt, an die [Ernst] Jünger glaubt, verleiht ihm das Recht, zu Deutschland, zum ganzen Abendland zu sprechen. Diese Welt ist unsere Zukunft. Mendelssohn möge in die Vergangenheit versinken, aus der er auch gekommen war. Er hat nicht das Recht, zu uns zu sprechen.“ Karl Pfeifer, Wien, Mai 2000 ... wir haben das Heft [ZW 1/2000] durchgelesen, es ist schwere Kost, und ganz frontal. Aber die Mätzchen der correctness will ich nicht dulden: Klagenfurt/Celovec, Jüdinnen und Juden, SchülerInnen, LehrerInnen, SchriftstellerInnen und Schriftsteller. Auch die Wendung „wir müssen uns sehr genau überlegen“ ist in Mäulern von Leuten, die denkunfähig sind, entstanden. Kein Politiker macht den Mund auf, ohne dieses „sehr genau“. [...] „Hitler“ S. 49: Wenn ich sage, dass Hitler in Österreich einmarschiert ist, stellt sich nur ein lackiertes Etwas vor, dass der MI SACHBUCH = eo YO Br 20 = = = o = Lexikalisch erfaBt sind jene Autorinnen und Autoren, die in Osterreich geboren oder durch Osterreich kulturell entscheidend geprägt - aus politischen oder rassistischen Gründen verfolgt wurden, wobei auch jene einbezogen wurden, denen die Emigration nicht gelang, die sich am Widerstand beteiligten oder sich durch „innere Emigration“ widersetzten. Jeder Schriftsteller/jede Schriftstellerin wird in einer Kurzbiographie vorgestellt, die Auskunft über den beruflichen und literarischen Werdegang gibt, den Exilweg © und erlittene < Verfolgungen = beschreibt. 2 a m SACHBUCH 87