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Die Bubbling Well Road mit dem Cafe Louis der Familie Eisfelder Foto: Horst Eisfelder, Sammlung Paul Rosdy Während immer mehr Flüchtlinge um Unterstützung ansuchten, konnten nicht einmal die bisherigen ausreichend unterstützt werden. Für die davon Abhängigen begann nun die schwerste Zeit. (...) Die Zeit der Ausgrenzung Das Verhalten der japanischen Besatzungsarmee und ihrer Marionetten wurde immer feindlicher. Immer mehr antisemitische Artikel erschienen in den lokalen Zeitungen, und man konnte stark die führende Hand der Nazis erkennen. Ende 1942 kursierten wilde Gerüchte über weitreichende Konsequenzen für die Gruppe. (...) Am 10. Februar 1943 platzte die Bombe: die Proklamation, wonach aus „militärischen Gründen“ alle nach 1937 gekommenen „staatenlosen Flüchtlinge“ in ein „gekennzeichnetes Gebiet“ im Wayside-Bezirk übersiedeln mußten. Alle Gruppenmitglieder erinnern sich an diese Zeit, die von der Proklamation mit Namen Ghoya gezeichnet war. Sie besagte, daß über 8.000 Menschen ihre Wohnungen, Zimmer, Häuser, Geschäfte und Büros in anderen Teilen von Shanghai aufgeben Brandbekämpfung im Zuge einer Luftschutzübung, um 1943/44 Foto: Heinz Gert Friedrichs, Sammlung Frederick Rolf mußten und in den völlig überfüllten Bezirk gezwungen wurden. In kürzester Zeit mußten 8.000 Menschen untergebracht werden. Persönlicher Besitz durfte nur mit Erlaubnis der Japaner verkauft werden, die daher große Gewinne machten. Wie eine Herde wurden wir zusammengetrieben. (...) Inzwischen hatte sich das Komitee reorganisiert, die Angestellten konnten in geringem Ausmaß wieder bezahlt werden, und die kärgliche individuelle Hilfe wurde von einer täglichen Massenausspeisung abgelöst. Diese bestand zusammen mit dem Brot aus weniger als 1.300 Kalorien, was eine Hungerration bedeutete. (...) Trotz der harten Lebensbedingungen setzte sich das Gruppenleben fort. Die Vereinigung der Handwerker wurde gegründet, sie organisierte eine Schule für den Nachwuchs inklusive Diplome für die Absolventen. Von 64 Mitgliedern 1943 steigerte sich ihre Zahl 1944 auf 372. (...) Auch andere Flüchtlinge wurden erneut aktiv: Vor allem die Theatergruppe bewährte sich und brachte Operetten wie Die lustige Witwe von Franz Lehär auf die Bühne, was auch das chinesische und ausländische Publikum anzog, es gab fünf Aufführungen vor vollem Haus. (...) Der japanische Ghettokommandant Kanoh Ghoya Foto: Sammlung David Kranzler 23