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schafter Chen Jie unangekündigt seinen Abgesandten Ding Wen Yuan nach Wien, der „Gerüchte“ untersuchen sollte, daß Ho Visa verkaufe und sich somit illegal bereichere. Doch dieser zog sich klug aus der Affäre, indem er immer wieder betonte, daß es völlig unmöglich sei, chinesische Visa zu verkaufen, da diese nach den Richtlinien der geltenden Außenpolitk kostenlos von jedermann zu erhalten wären. Da keine gegenteiligen Beweise geliefert werden konnten, verlief die Untersuchung im Sande. Am Morgen des Novemberpogroms, dem 10. November 1938, hatte Ho eine Verabredung bei der befreundeten Wiener jüdischen Familie Rosenburg. Als er dort ankam, erzählte die erschütterte Frau Rosenburg, daß ihr Mann von der Gestapo abgeholt worden sei. Unmittelbar danach läutete es wieder, herein stürmten zwei Gestapo-Agenten, die Ho zur Ausweisleistung aufforderten. Dieser saß rauchend im Wohnzimmer, und obwohl sehr bald eine Pistole auf ihn gerichtet war, bestand er unerschütterlich darauf, daß sich zuerst die zwei Beamten auszuweisen hätten. Diese traten daraufhin den geordneten Rückzug an, Herr Rosenburg wurde noch am selben Tag freigelassen mit der Auflage, schnellstens auszureisen. Nicht einmal ein Jahr, nachdem das chinesische Konsulat errichtet wurde, konfiszierte die NS-Verwaltung das Gebäude unter dem Vorwand, es sei jüdischer Besitz. Daraufhin forderte Ho von seiner Regierung die Anmietung einer anderen Immobilie, doch unter Hinweis auf die durch den Krieg angespannte Finanzlage wurde dies verweigert. Daraufhin begab sich Ho selbst auf die Suche und fand eine weit kleinere Räumlichkeiten in der Johannesgasse 22. Alle Kosten für deren Adaptierung und die Übersiedlung bestritt er aus eigener Tasche. Doch trotz dieser bemerkenswerten Eigeniniative wurden die Möglichkeiten zu helfen immer geringer. Feng Shan Ho verließ Wien im Mai 1940 und kehrte in seine Heimat zurück. Im Jahr 1941 brach Tschiang Kai-schek die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland ab, und das Konsulat wurde nun auch offiziell geschlossen. Während des Krieges war Ho zuerst in den USA als Militärattach€ akkreditiert, danach als Leiter der Informationsabteilung im Außenministerium in Chinas damaligem Regierungssitz Chungking. Ab 1947 wurde er zum Botschafter in Kairo und danach in sieben anderen Ländern des Nahen Ostens berufen, in späteren Jahren in Mexiko, Bolivien und Kolumbien. Als 1949 der chinesische Bürgerkrieg mit dem Sieg der Kommunisten und der Flucht der Nationalisten nach Taiwan endete, entschied sich Ho für die Nationalisten, obwohl ihm auch vom Festland deutliche Avancen gemacht wurden, in dessen diplomatischen Dienst einzutreten. Nach seiner Pensionierung ließ er sich 1973 in San Francisco nieder, wo er als Gründungsmitglied der dortigen chinesisch-lutheranischen Kirche fungierte. Aus bislang nicht bekannten Gründen wurden ungefähr zu diesem Zeitpunkt in Taiwan politische Intrigen gegen ihn gesponnen, so daß ihm für seine langjährige Tätigkeit als Diplomat keine Pension gezahlt wurde. 1990 veröffentlichte Ho seine Autobiografie Forty Years of My Diplomatic Life, und so intensiv er sich darin an die 1938/39 aus Wien Geretteten erinnert, so hat er im späteren Leben keinen von ihnen wiedergesehen. Marcus G. Patka, geb. 1966 in Wien, Dr.phil., studierte Germanistik und Zeitgeschichte. Arbeitet seit 1998 als Kurator am Jüdischen Museum Wien. — Die Informationen zu Feng Shan Ho stammen aus einer biografischen Abhandlung seiner Tocher Manli Ho, die mir Eric Saul von der „The Righters Diplomats-Ausstellung“ der UNO, die im April 2000 in New York eröffnet wurde, übermittelt hat. Die Fotos stammen aus der Dr. Feng Shan Ho Collection und wurden von Sean Matvenka vom Vancouver Holocaust Educations Centre zur Verfügung gestellt. 39