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Alfred Dreifuß: „Vom Kulturbund zur EJAS“ Zwar wurde bereits im Frühjahr 1939 der „Artist Club“ als Vereinigung Shanghaier emigrierter Künstler gegründet, doch scheinen dessen Veranstaltungen zunächst eher beiläufigen Charakter gehabt zu haben. Erst mit dem großen Zustrom von Emigranten im Sommer 1939 war die quantitative Basis von Publikum und Künstlerschaft für die Entfaltung eines vielgestaltigen und intensiven Kulturbetriebes gegeben. Im Januar 1940 wurde der „Artist Club“ in „European Jewish Artist Society“ (EJAS) umbenannt. Der festangestellte Sekretär war Alfred Dreifuß, der tatkräftigste und initiativreichste Theaterkünstler des Shanghaier Exils. Seine vielfältigen Tätigkeiten begleitete er stets mit einer regen Pressearbeit, der sich zahlreiche Zeitungsbeiträge aktuellen oder grundsätzlichen Inhalts über das Shanghaier Kulturleben verdanken. Dreifuß war am 4. Juli 1939 in Shanghai angekommen, und nur knapp zwei Wochen später veröffentlichte er einen Artikel über „Jüdische Kunstbetätigung in Shanghai“, in dem er auf die Erfahrungen im nationalsozialistischen Deutschland zurückblickte: „Herausgerissen aus einer Wirkungsstätte, an der er mit jeder Faser seines Herzens hing, ist der jüdische Kunstschaffende gewiß schon in den Jahren nach 1933 seelisch wie auch materiell einem in vielen Fällen zweifelhaften Schicksal ausgeliefert gewesen.“ Dreifuß fragte nach der Möglichkeit, den Künstlern in Shanghai „eine neue Wirkungsstätte zu bieten“ und ob sie in der Lage seien, „sich als künstlerische Persönlichkeit zu behaupten?“ Er entwickelte ein großangelegtes Bild von den Aufgaben und Möglichkeiten des „Artist-Club“. Neben der Beschaffung eines Theatergebäudes, für die ein „großzügiges Mäzenatentum“ erforderlich sei, sollten mehrere Schauspielensembles, dazu Orchester und Chor gebildet werden. Darüber hinaus sollte der „Artist Club“ auch eine feste Besucherorganisation einrichten. Diese Pläne knüpften an das Prinzip des „Jüdischen Kulturbunds“ an, der zumindest den deutschen Spätemigranten als einzige 48 satorischen Vorbereitungen, dann wurde der Beginn der Mitgliederwerbung angekündigt. Die Resonanz unter den Emigranten scheint bis zum Herbst 1940 jedoch nicht so groß gewesen zu sein, daß die Mitgliederzahlen einen vielschichtigen Spielbetrieb ermöglicht hätten. Die Theaterarbeit der EJAS Die beiden Höhepunkte der EJAS-Theaterarbeit — und die von Dreifuß’ dramaturgischer Tätigkeit — fanden bereits zu Beginn des regulären Theaterbetriebes und noch unter dem Namen „Artist Club“ statt: König Ödipus von Sophokles und Lessings Nathan der Weise wurden im November 1939 und im Januar 1940 aufgeführt. Mit der Wahl dieser beiden Stücke belegte Dreifuß seinen hohen Anspruch auf kulturelles und geistiges Niveau. In einer Rezension zum Nathan, mit dem auch der Berliner ,,Kulturbund“ 1933 seine Tätigkeit eröffnet hatte, hieß es: Diese Nathan-Aufführung kann sich auf jeder Bühne sehen lassen. Wir in der Emigration empfanden dieses Lessing ’sche Werk besonders stark. Es mutete uns an, als ob dort oben auf der Bühne nicht ein klassisches Schauspiel, sondern ein aktuelles Tendenzdrama unserer Tage abrollte. Bereits nach nur wenigen Monaten schien sich — nach der Findung einer Spielstätte, der kontinuierlichen Probenarbeit und der Aussicht auf weitere regelmäßige Aufführungen - eine Normalität des Theaterbetriebes eingestellt zu haben. Seinen künstlerischen Anspruch konnte Dreifuß allerdings nicht durchsetzen. Die meisten, sogar fast alle der später folgenden Stücke waren mehr oder weniger niveauvolle Komödien. Die Winterspielzeit 1940/41 — und damit auch das propagierte System der Zuschauerabonnements — begann am 9. September mit dem Drama Gesellschaft von John Galsworthy, dem nur zwei Tage später — ebenfalls unter der Regie von Dreifuß — Siegfried Geyers Kleine Komödie folgte. Mark Siegelberg kritisierte in seiner Rezension, das Stück sei von der Situation der Emigranten her nicht angemessen gewesen, es zähle zu jenen Lustspielen mit literarischem Niveau, die eine eigene Atmosphäre der Unbeschwertheit voraussetzen, um ohne weiteres den Kontakt mit dem Publikum zu finden. Die „Kleine Komödie“ ist zu gut — stellenweise geistreich und nachdenklich — um ein mit sonstigen Sorgen beladenes Publikum drei Stunden lang in ausgelassener Stimmung halten zu können. Nicht gerade selbstverständlich ist das Kriterium des eigenen Lebensgefühls für die Kritik. War bei der Kleinen Komödie das Stück gerade noch akzeptiert worden, so stieß Dreifuß’ nächste — und letzte — EJASInszenierung auf heftige Ablehnung. Fritz Friedländer re, zensierte die Aufführung: „Nur Böswillige werden es als eine gewisse Ironie des Schicksals empfinden, daß gerade der Dreifuß, der immer Niveau des Spielplans gefordert hat, einen Sammlung Paul Rosdy ausgesprochenen Schmarren