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Hasenöhrl, laut der Parteizeitung „Ostasiatischer Beobachter“ durch Krieg und Gefangenschaft ein überzeugter Antikommunist, gehörte zu den ersten Shanghaier Nationalsozialisten. Er wurde am 1. Januar 1932 unter der Mitgliedsnummer 776.421 in die NSDAP aufgenommen. Als der Stiitzpunkt Shanghai — er bezeichnete sich gegenüber der NS-Auslandsorganisation (AO) als der Gründer -, ins Leben gerufen wurde, ging die Leitung an ihn. Gleiches gilt für die Ortsgruppe, die aus dem Stützpunkt hervorging. Im Juni 1932 stieg er zum „Landesvertrauensmann“ für China auf, vier Monate später zum „Vertrauensmann“ für ganz Ostasien. Offenbar hatte Hasenöhrl einen guten Draht zu Gemeinde und Diplomaten, denn er konnte nicht nur schon im Juni 1932 durchsetzen, daß die Kaiser Wilhelm Schule für Parteiversammlungen genutzt werden durfte, sondern soll auch zu Konsul R.C.W. Behrend freundschaftliche Verbindungen unterhalten haben. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, daß Franz Xaver Hasenöhrl auf der Rednerliste stand, als am 16. März 1933 zum ersten Mal die Hakenkreuzfahne auf dem Gebäude des Generalkonsulats in der Whangpoo Road gehißt wurde. Der „Ostasiatische Beobachter“ schilderte die Szene folgendermaßen: Hinreißend, in heißem Glauben an Deutschlands Zukunft sprach Pg. Hasenöhrl vom Dritten Reich und seinem Führer Adolf Hitler. Zum ersten Mal sah die Öffentlichkeit braune Uniformen, als an einem strahlenden Vormittag das Hakenkreuzbanner des neuen Deutschland, daneben die ruhmreichen Farben des alten Feldheeres, in Shanghai in die Höhe stiegen.’ Diese Flaggenhissung dürfte wohl Hasenöhrls letzter öffentlicher Auftritt als Shanghaier Funktionär gewesen sein, denn nur wenige Wochen später kehrte er nach Deutschland zurück, da er zum Auslandskommissar der AO befördert worden war. Diese Erweiterung seiner Kompetenzen gaben ihm die Macht, seinen ehemaligen Arbeitgebern wegen seines kläglichen Ausscheidens zu drohen. Am 29.Mai 1934 schrieb Hasenöhrl an die Geschäftsleitung von Siemssen & Co.: Ferner ist mir gemeldet worden, daß Sie bei verschiedenen Anlässen sich in abfälliger Weise über mich geäußert haben. (...) Am 1. Mai im Deutschen Gartenklub gelang es z.Bsp. nicht einmal dem deutschen Konsul Herrn Behrend, Ihren Herrn Lund von seinen unangebrachten Äußerungen zurückzuhalten. Bei einem von Ihnen herbeigeführten Zusammentreffen (...) haben Sie an Hand eines von Ihnen selbst ausgefertigten Schriftstückes, des mir im Februar 1933 erteilten Zeugnisses, den Nachweis meiner Minderwertigkeit zu erbringen versucht. (...) Es ist Ihnen bekannt, daß ich mich in offizieller Mission in Ostasien aufhalte. Ihre Handlungsweise und Versuche, mein Ansehen zu untergraben, richten sich also nicht gegen meine Person, sondern mein Amt. (...) Sie haben sich damit eines Verstoßes gegen die Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung (...) schuldig gemacht. Ich werde (...) über die hiesigen Vorgänge meiner vorgesetzten Behörde Meldung erstatten, zwecks Einleitung weiterer Amtshandlungen. Hasenöhrl nahm seine persönliche Rache durchaus ernst. Am Tag, nachdem er den Brief verfaßt hatte, ließ er den Wortlaut der erwähnten Verordnung Hindenburgs in der „Deutschen Shanghai Zeitung“ veröffentlichen — ohne das Wissen des geschäftsführenden Generalkonsuls. Damit überschritt der Parteifunktionär seine Kompetenzen, wie ein Telegramm R.C.W. Behrends an das Auswärtige Amt belegt: „Vertrete Standpunkt, daß Veröffentlichungen unter Reichsadler ausschließlich durch Reichsvertreter erfolgen können.“ Daß sich das Auswärtige Amt Behrends Sichtweise anschloß und Ha 63