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Shanghai ausgewanderten Juden“, kurz „Shanghai-Komitee“. Interventionen bei der Regierung brachten im Mai 1946 schließlich zwei bedeutende Grundsätze zur Anwendung: Jedem Österreicher stand auch ohne Einreisepapiere das Recht auf Rückkehr zu, und die von der ARA erstellte Liste wurde anerkannt, wobei zweifelhafte Fälle erst nach der Rückkehr der betreffenden Personen überprüft werden sollten. Doch den Heimkehrwilligen wurden noch viele andere Hindernisse in den Weg gelegt. Als etwa Vertreter der IKG 1946 im Bundesministerium für soziale Verwaltung wegen der Rückkehrwünsche von 1.300 österreichischen Juden aus Shanghai vorsprachen, führte das Ministerium laut einem Bericht im Neuen Weg bei den Gewerkschaften, der Ärztekammer und anderen Instanzen Rundfragen durch. Im Hinblick auf den hohen Anteil an Ärzten unter den Remigranten wurde betont, daß es in Wien bereits zu viele Mediziner gebe. Während die Ärztekammer bei der Ankunft der ersten Transporte noch unterstützend eingriff, wies ihr Präsident bereits 1947 auf eine drohende Ärzteschwemme hin. Dabei hatte etwa Karl Renner noch im Oktober 1945 im Kabinettsrat versucht, die schleppende Entnazifizierung bei den Ärzten damit zu entschuldigen, daß es zu wenig Mediziner für die Seuchenbekämpfung gebe. 1946 waren von den 2.700 Wiener Ärzten 800 als politisch Belastete nicht wahlberechtigt. Statt die Vertriebenen zur Rückkehr aufzufordern, wurden also vielfach die Interessen ehemaliger Nationalsozialisten in den Vordergrund gestellt. Die Rückkehrer galten nicht nur als berufliche Konkurrenz, sondern auch als Konkurrenten auf dem Wohnungsmarkt, obwohl 1938 in Wien rund 60.000 Wohnungen „arisiert““ worden waren. Während die Unterbringung der ersten Remigranten noch klaglos vor sich ging, führten die folgenden größeren Transporte zu heftigen Konflikten zwischen der IKG und dem Wohnungsamt der Stadt Wien. Als am 13. Februar der bis dahin größte Transport eintraf, wurden die Betroffenen vorerst mit Hilfe des „Joint“ im Hotel Continental einquartiert und in einer vom „Joint“ betriebenen Küche verköstigt. Wie der Neue Weg kritisierte, hatte die Gemeinde Wien bei der Unterbringung der Shanghai-Rückkehrer anfangs keinerlei Hilfe geleistet, obwohl vor allem das Wohnungsamt seit sechs Monaten auf deren Rückkehr vorbereitet gewesen war. Erst nach mühevollen Verhandlungen und Interventionen beim Wiener Bürgermeister stellte die Gemeinde Unterkünfte zur Verfügung. Die IKG forderte die Beschlagnahmung von Hotelzimmern, während das Wohnungsamt die Rückkehrer in Massenunterkünften einquartieren wollte. Ein Mitarbeiter des Wohnungsamtes argumentierte, es stelle sich andernfalls die Frage, welche Wohnungen an die „Unsrigen“ vergeben werden sollten. Laut den Jüdischen Nachrichten weigerte sich der für das Wohnungsamt zuständige Stadtrat Albrecht sogar, den Anordnungen von Bürgermeister Theodor Körner Folge zu leisten. Dieser hatte dem „Shanghai-Komitee“ versprochen, die Wohnungsansprüche der Heimkehrer, vor allem jener, die in Wien keine Verwandten mehr besaßen, zuerst zu befriedigen. Stadtrat Albrecht fühlte sich jedoch für die Rückkehrer nicht zuständig und gab die Kompetenz an das Wohlfahrtsamt ab. Amtlicherseits wurde diese Auseinandersetzung als „negativer Kompetenzstreit“ bezeichnet. Die Magistratsdirektion brach schließlich den Widerstand des Wohnungsamtes: Hotels wurden beschlagnahmt, und die Ärztekammer stellte 12 Wohnungen für rickkehrende Ärzte zur Verfügung. 51