schloß geblieben ist. Man nannte Die Gelbe Post die bestredi¬
gierte Zeitschrift Asiens. Das Lob steckte ich mir gern an den
Hut. Und Hut ab vor unseren tüchtigen chinesischen Mitarbei¬
tern. Aber die Konkurrenz, in Shanghai wie überall ein bele¬
bendes und gleichzeitig niederschmetterndes Element, schlief
nicht. Die Konkurrenz war der Shanghai Jewish Chronicle, her¬
ausgegeben von einem eher zionistischen Emigranten, Ossi
Lewin. Der Jewish Chronicle, so wie ich ihn vorfand, hätte eine
gut gemachte, auf europäisch gewohntem Niveau stehende
Konkurrenz nicht lange ertragen. Deshalb engagierte der
Chronicle zwei Wiener Journalisten, die die Redaktion über¬
nahmen und den zionistischen Kurs abmilderten. Als im März
1940 Die Gelbe Post eine Tageszeitung wurde, entbrannte der
Wettbewerb mit einer völlig umgewandelten, europäisch ge¬
führten Tageszeitung. Ein kleiner Wiener Zeitungskrieg in
Shanghai, ein Sturm im Wasserglas. Dem war ich nicht lange ge¬
wachsen. Die Luft ging mir aus. Abgebrochen, alles abgebro¬
chen. Ich erlitt eine Herzattacke, lag lange krank.
Mr. Sibley Brown:
German music. German silence. German duties. German in¬
stincts of fulfilling the duties.
Mr. Tata:
Seltsame Leute. Im Sommer ist es ihnen zu heiß und feucht. Im
Winter ist es ihnen zu kalt und zu feucht. Reden von Eichen,
dichten Nadelwäldern, Fliederbüschen. Zeigt man ihnen schö¬
ne schlanke Bambusbäume, rümpfen sie die Nase.
Hr. Storfer:
Sie haben recht, aber Sie wissen nicht warum.
(Der Bariton beginnt zu singen.)
Frl. Bamberger:
Max Warschauer singt jetzt in Konzerten. Er hat alles versucht,
damit seine alten Eltern nach Shanghai kommen.
Rosa Warschauer (weiter unterlegt mit Bariton):
Postkarte. Via Siberia! An Herrn Max Warschauer. Shanghai/
China, 255 Route Cohen. Tschenstochau, den 3.4.40
Meine Geliebten! Gestern kam Euer Brief an, für den ich Euch
herzlichst danke. Ich fühlte mich so elend und haben Eure Zeilen
und vor allem die Kritiken mich aus der Lethargie herausgeris¬
sen. Wir haben immer und immer wieder die Zeitungsausschnitte
gelesen und vor Freude gelacht, aber auch geweint. Es ist für uns
ein ganz erhebendes Gefühl das von Dir mein gel. Junge zu se¬
hen und der Allgütige stärke Dich weiter und lasse aus deiner
Arbeit den vollen Erfolg erwachsen. Und das alles müssen wir
nun aus der weiten Ferne hören, vor meinem geistigen Auge sehe
ich Dich mit den Noten in der Hand. Und in meinem Ohr klin¬
gen die Töne der mir bekannten Lieder ... Wir halten immer noch
so weit wie bisher, d.h. gar nicht. Unsere diversen Nachrichten
werdet Ihr ja indessen erhalten haben. Auf die HICEM ist wohl
nicht mehr zu rechnen, es bleibt also nur der Landweg. Dann
brauchen wir aber unbedingt die japanische Bewilligung um die
Durchreise zu erhalten. Ich kann fast nicht mehr denken. Jetzt
hören wir gar nichts, ob Leo abfährt oder nicht. Für heute innig¬
ste Grüße und Küsse in Liebe von eurer Euch sehr guten Rosa
(Ende des Gesangs)
Fr. Blau-Haas:
Kommen die alten Eltern denn?
Frl. Bamberger:
Wer weiß denn, was kommt.
(Der Bariton beginnt wieder zu singen.)
Frl. Bamberger:
Sehen Sie den alten Mann da in der Ecke des Cafes?
Hr. Storfer:
Der Mann, der weint? Der mit dem speckigen Kragen?
Frl. Bamberger:
Das ist ein ungarischer Rechtsanwalt. Seine Frau backt hier die
Apfelstrudel.
Hr. Storfer:
Das war ein ungarischer Rechtsanwalt.
Mr. Sibley-Brown:
Almost all my friends have given up hope; not I yet. It must have
looked even darker in Paris 1914. Our military people remind us
that the main battle has not yet started, that the Germans have not
yet run up against the bulk of the French and British armies.
Konsularbeamter Meyer:
Die jiidischen Einwanderer eilig abschieben. Falls dies nicht ge¬
lingt, bleibt nur ein Mittel: Tag und Nacht neben jeden Juden ei¬
nen japanischen Geheimpolizisten zu setzen, damit der Jude
keine Zersetzungspropaganda treiben, keine Betriigereien und
Gaunereien ausüben kann. Können die Juden aber Geschäfte
gründen, sich vermehren und ihren talmudischen Handelskünsten
leben, so werden sie in wenigen Jahrhunderten in ganz Ostasien
„die Ordnung zwischen Himmel und Erde gestört haben“.
Mr. Tata:
Die Zeit, die Zeit. In China heißt es: Man muß lange gelebt ha¬
ben, um die Zeit zu vergessen. An manchen Tagen bleibt sie
stehen und läßt sich nicht mehr vorwärtsbewegen. Ein störri¬
sches Tier ist die Zeit. So ein Tag war der Tag des Angriffs der
Japaner auf Pearl Harbor.
Frl. Ling:
Einen Tag nach Pearl Harbor, in Shanghai, so weit westlich
von Hawai war es immer noch der 8. Dezember 1941, der
schwarze Tag von Pearl Harbor ...
Mr. Sibley-Brown:
Hitler’s technique of helping his armies by threatening terror ...
Konsularbeamter Meyer: