Michael Philipp
The Rickshaw Express Web
Als vielschichtiges Informations- und Diskussionsforum findet
sich unter der Adresse www.rickshaw.org die Website der
ShanghailänderInnen. Verschiedene Links führen zu Mittei¬
lungen, historischen Informationen, einem Chattroom sowie zu
Suchrubriken.
Zu den Mitteilungen gehören Rezensionen von Neuerschei¬
nungen zum Thema Exil in Shanghai, Exzerpte von Aufsätzen,
Berichte von ShanghailänderInnen von aktuellen Reisen nach
Shanghai oder Europa und Abdrucke von Artikeln zu diesem
Thema, etwa „The Legacy. The Influence of Jewish Refugees
on the Musical and Intellectual Life of Shanghai“ von Xu
Buzeng. Darüber hinaus wird auf Veranstaltungen zum Exil in
Shanghai verwiesen — etwa auf die Shanghai-Ausstellung in
Vancouver im Herbst 1999, wohin nach dem Ende des Zweiten
Weltkriegs etwa 50 jüdische Familien, aus Deutschland, Öster¬
reich und Rußland stammend, gelangten. In der vom „Joint“
initiierten „Operation Flying Dragon“ waren sie im Mai 1949
aus den chinesischen Bürgerkriegswirren evakuiert worden.
In der Rubrik „Fotos“ werden Aufnahmen dokumentiert, die
einzelne ehemalige ExilantInnen kürzlich in ihren Beständen
wiederentdeckt haben; derzeit sind unter anderem zu sehen ein
Foto einer Pfandfindergruppe von 1947, Schul- und Sportfotos,
Aufnahmen der „Chanukah Costume Party“ im Jüdischen
Gemeindezentrum vom Dezember 1947 sowie ein Gruppen¬
porträt der MitarbeiterInnen der Küche vom Ward Road Heim
im Jahre 1948. Gezeigt werden gerade auch einige Hinweise
von Geschäften in der Wayside Road, etwa auf „Speziell
Eintopf. Echte Wiener Küche. Lokal ist gut geheizt oder
„Briefmarken reparieren. Dollarscheine waschen und gestärkt.
Ehemaliger ReichsbankBeamter“.
Ausführlich dokumentiert wird ein kürzlich abgehaltenes
Treffen der ShanghailänderInnen unter Wiedergabe der Teil¬
nehmerliste, des Programms und einiger Fotos. Beinahe zwei
Dutzend Aufrufe finden sich unter „Research Family and
Friends“, bei denen zumeist nach ehemaligen Schulkamerad¬
Innen oder entfernten Verwandten geforscht wird, etwa nach
Angehörigen eines Cousins des Großvaters. ORT, die Orga¬
nization for Rehabilitation through Training, sucht ehemalige
Mitglieder der Hongkewer Schule, jemand möchte eine ehe¬
malige Arbeitskollegin von Fesslers Beauty Salons wiederse¬
hen, andere fragen nach Bekannten ihres Vaters oder einfach
„Erinnert sich jemand an mich?“ Auch unter dem Link ,,Ap¬
peals“ werden verschiedene Suchanfragen aufgegeben, eben¬
so im Chattroom, der auch andere Beiträge dokumentiert, etwa
persönliche Erinnerungen an den alliierten Bombenangriff
vom Juli 1945. Hier kann jeder für die anderen lesbar seine ei¬
genen Kommentare dazugeben oder eigene Fragen und
Anfragen plazieren.
Die Website, wohl die einzige über einen Exilort, ist nicht
nur eine Kommunikationsstätte der EmigrantInnen und eine
ausgezeichnete Recherchemöglichkeit für ForscherInnen, sie
dokumentiert auch eine andauernde Verbundenheit der
ShanghailänderInnen durch die Exilerfahrung.
Shanghai-Webseite: hitp://www.rickshaw.org
Die Galerie
Friedrich Schiff in Wien
Der in Wien geborene Maler Friedrich Schiff (1908 — 1968) war
ein Chronist des Shanghai der 30er und 40er Jahre des 20. Jahr¬
hunderts. 1930 unternahm er eine erste Reise nach China, der sich
ein fast 17jähriger Aufenthalt in Shanghai und Peking anschloß.
Bald nach seiner Ankunft in Shanghai wurde er durch seine mei¬
sterhaft hingeworfenen Gestalten aus dem Alltagsleben bekannt.
Er zeichnete für Zeitungen, schuf die „Schiff-Postkarten“, die von
Touristen und Shanghailändern in alle Welt versandt wurden.
Daneben bewies er sich als Porträt- und Landschaftsmaler, als Ka¬
rikaturist, humorvoller Buchillustrator und Werbegraphiker.
Schiff gilt als der bedeutendste in China ansässige europäische
Maler des 20. Jahrhunderts. Darüber hat er die Zeit der Emigra¬
tion in Shanghai dokumentiert, so daß seine Bilder auch den Rang
von Zeitzeugnissen besitzen. 1983 gab Gerd Kaminski das Buch
„China gemalt. Chinesische Zeitgeschichte in Bildern Friedrich
Schiffs“ in Wien heraus. 1947-1953 hielt sich Schiff in Argenti¬
nien auf, wo er 1952 den Preis des argentinischen Unterrichts¬
ministeriums für ausländische Künstler erhielt. In Österreich,
wohin Schiff 1953 zurückkehrte, nahm er an Ausstellungen des
Künstlerhauses teil.
In den vergangenen Jahren wurde intensiv an Schiff erinnert.
Eine 1998 in der großen Galerie der Shanghaier Bibliothek ge¬
zeigte Ausstellung seines Chinaschaffens verzeichnete ein gro¬
Bes Publikumsinteresse und lange Fernsehberichte. Von Peking
wurde ein über 80 Jahre alter Kunstprofessor eingeflogen, der
Friedrich Schiffs Werk würdigte. Die chinesische Version des
Schiff-Buches „China gemalt“ konnte kurz nach ihrem Er¬
scheinen ein zweites Mal aufgelegt werden. Bilder Schiffs sind
in vielen Büchern und Zeitschriften Chinas zu finden.
Das Andenken an Friedrich Schiff konnte auch deshalb wach¬
gehalten werden, weil sich der größte Teil des Nachlasses in den
Händen seiner Witwe Lise Schiff befand. Sie vermachte der
Österreichisch-Chinesischen Gesellschaft den Chinateil des
Opus unter der Bedingung einer permanenten Ausstellung. Nach
längerem Suchen war im Eckhaus Langegasse 35 und Josef¬
städterstr. 20 in Wien ein entsprechender Ort gefunden worden.
Die Auswahl aus den Schiff Werken wurde am 15. Juni 2000
eröffnet, worüber der ORF und Zeitungen berichteten. Seitdem
ist die Galerie, die während der Bürozeiten der Österreichisch¬
Chinesischen Gesellschaft (Mo-Do: 09:00-16:00, Fr: 09:00-12:00)
kostenlos zugänglich ist, von interessierten Österreichern, aber
auch von vielen Ausländern besucht worden.
Titelseite der
Buchausgabe mit
in Bildern Friedrich Schiffs
Zeichnungen
Friedrich Schiffs,
nn erschienen Wien 1983.