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Zeitschriften Stimulus. Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Germanistik (ÖGG) 2001/1. Wien: Edition Präsens 2001. 98 S. und Anhang (Mitglieder der ÖGG). Hierin das Programm einer OGG-Tagung, 15.-17. Juni 2001 im Jüdischen Museum in Wien: „Judentum und Antisemitismus in der Literatur und Germanistik Österreichs Studien zum 20. Jahrhundert“. Der Titel der Tagung war nicht ganz unproblematisch. Abgesehen davon schmerzt es natürlich, daß weder an Gerhard Scheit als den Verfasser einer großen Studie über die Thematisierung des Antisemitismus in der Literatur noch an die Verfasser des Lexikons der österreichischen Exilliteratur wegen eines Referates herangetreten wurde. Dies wurde mit dem Hinweis auf das große Symposion über Ergebnisse und Perspektiven der österreichischen Exilforschung dahingehend erläutert, daß Scheit, Bolbecher und Kaiser daselbst ohnehin schon zu Worte gekommen seien. Dieser Ausschließungsgrund galt aber nur für die Genannten. Ich bitte die ÖGG also ehrerbietig um einen besseren Ausschließungsgrund. — K.K. Dazu erreicht uns noch die folgende Zuschrift an alle Mitglieder der OGG: Bereits im Februar hatte ich ... darauf aufmerksam gemacht, dass ich aus der OGG austreten werde, wenn nicht zumindestens ein Referat auf Täter und Opfer im Rahmen der Tagung „Judentum und Antisemitismus in der Literatur und Germanistik Österreichs Studien zum 20. Jahrhundert“ konkret und systematisch eingehen würde. Eine Änderung des Programms wurde von seiten der mit der Organisation der Tagung Beauftragten als nicht mehr möglich angesehen (obwohl es dann doch etliche Änderungen bis zum Schluss gab). Vielmehr wurde die Tagung ... mit einem Referat von Sigurd Paul Scheichl (Innsbruck) zum Thema „Das Kaffeehaus war leer — Literarisches Leben in Wien vor 1938, nach 1945“ im Jüdischen Museum eröffnet, das gerade aufgrund der eingestandenen Lückenhaftigkeit der Tagung „den Bogen spannen“ sollte. [...] Der Vortrag selbst benannte nicht nur keinen der zahlreichen Täter, sondern endete auch mit einer Aufforderung zum Schweigen, womit eine öffentliche Kritik unterbunden wurde. Das deckt sich ganz mit der Tendenz Scheichls, Autoren wie Jura Soyfer herabzusetzen („überschätzt“), hingegen die Tätigkeit von Wissenschaftern wie Karl Kurt Klein oder Josef Nadler zu verharmlosen. [...] Da ich nun doch im letzten ,,Stimulus“ als Mitglied geführt werde, möchte ich zumindestens den ÖGG-Mitgliedern ... mitteilen, dass ich unter diesen Umständen nicht länger gewillt bin, Mitglied der ÖGG zu sein. Dazu kommt, dass ich auch stets den Umgang mit jenen Mitgliedern kritisiert hatte, die NichtÖsterreicher sind, sowie die mit Zensur verbundenen Kanonisierungen ablehnte. Es ist zu bedauern, dass 56 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus nicht mehr zur Fachgeschichte möglich ist als ein öffentliches Schweigen und weiterhin jene weitgehend ausgeschlossen bleiben, die sich zum Teil seit Jahrzehnten (und auch durchaus mit grossem öffentlichen Erfolg) um eine andere Form der Wissenschaft bemühen. [...] Wiss. Dir. Dr. Herbert Arlt, 14.6. 2001 Briefe In meiner Eigenschaft als Präsident des Weltverbandes der Bukowiner Juden möchte ich Ihnen auf diesem Wege herzlich für den Erhalt Ihrer ausgezeichneten Zeitschrift ZW danken, die uns wichtiges Material über Verfolgung, Flucht und Holocaust liefert. Diese Informationen, Beschreibungen und Biographien verewigen die Erinnerung der Verschwundenen und Verschollenen in jenen wirren Zeiten. Ihre Zeitschrift erfüllt eine sehr wichtige Aufgabe, und ich möchte Ihnen für Ihre Anstrengungen und die Ihrer Mitarbeiter ... herzlichst gratulieren. Itzchak Artzi, The World Organisation of Bukovinian Jews, Tel-Aviv, 6.12. 2000 Ich muss Euch zur neuesten Nummer (Nr. 4/2000) der ZW (auch mir gefiel „Mit der Ziehharmonika‘“ besser, wenn man den Zusammenhang weiß, aber Eurem Anliegen entspricht der neue Titel wohl mehr) besonders gratulieren. Es mag Zufall sein; ich habe diese Nummer von Anfang bis zur letzten Zeile mit Interesse und Gewinn gelesen. Es ist wirklich sehr viel, was in so einem Heft geboten wird. Was für eine riesige Arbeit und ein immer noch unerschöpfliches Gebiet! Der Ruf danach, es muss nun doch endlich einmal Schluss sein, müsste in andere Richtung gesprochen, geschrien werden, in jene nämlich, in der der Ungeist des Rassismus und der Menschenverachtung immer wieder neu gezeugt und geboren wird. Euer Lexikon der österreichischen Exilliteratur, auch dazu meine bewundernde Gratulation, gehört in alle Bibliotheken, besonders in Schulen. Ich bin sehr froh, dass es ZW gibt, man fühlt sich mit ähnlichen Ambitionen nicht allein, ja, in allerbester Gesellschaft. Gerald Kurdoglu Nitsche, EYE Literatur der Wenigerheiten, Landeck, 26.2. 2001 Zu dem Artikel von Marcus G. Patka „Feng Shan Ho - der chinesische Konsul in Wien von 1937 bis 1940“ in ZW Nr. 1/2000, 5. 38 £.: 1) Von einer praktizierten liberalen Einwanderungspolitik Chinas zu schreiben ist insofern falsch und irreführend, weil, wie allgemein bekannt, China — in dieser Zeit und auch schon lange vorher — ein im Chaos des Bürgerkriegs versunkenes Land war (bzw. teilweise von Japan besetzt) und daher von einer praktizierten chinesischen Einwanderungspolitik wohl kaum die Rede sein kann. Und wenn man schon davon schreibt, dann sollte man dazuschreiben welche Bürgerkriegspartei bzw. Besatzungsmacht diese angeblich liberale Einwanderungspolitik betrieben hat und entsprechende Quellen angeben. 2) Um damals Nazideutschland (inkl. dem heutigen Österreich, ab März 1938) zu verlassen benötigte man kein Visum. Das Visum benötigte man um in ein anderes Land (Zielland oder Drittland) einzureisen, aber nicht um Nazideutschland zu verlassen. (Hierzu siehe auch die zeithistorischen Dokumente zur Evian Konferenz bzw. das Buch „Paper Walls“ von David Wyman u.v.a.m.) Paul Rosdy, Wien, 4. März 2001 Emigration in China - ich erinnere an Dr. Alexander Saray, der in dem vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes herausgegebenen Buch „Widerstand und Verfolgung im Burgenland‘ (S. 323) über sein Schicksal berichtet. Er kehrte 1947 nach Österreich zurück und war Arzt in Oberwart (Burgenland). Ein Auszug aus Dr. Sarays Bericht: „Am 1. Juli 1938 haben die nationalsozialistischen Behörden ... meine Ordinationseinrichtung arisiert. Anschließend wurde von der Gestapo in Eisenstadt gegen mich ein ... Vorführungsbefehl ausgegeben. Der damalige Gendarmerie Posten-Kommandant ... Franz Maischberger hat mir eine Warnung zukommen lassen ... Dadurch konnte ich mich der Verhaftung entziehen. ... ist es mir gelungen, ein Visum nach Litauen zu bekommen ... Da ich völlig mittellos nach Litauen kam, mußte ich dort vom Flüchtlingskomitee erhalten werden. Wegen Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung mußte ich im Dezember 1938 ... nach China fahren. Bin im Feber 1939 in Shanghai angekommen und wurde im Flüchtlingslager untergebracht. Im April 1939 übersiedelte ich nach Nord-China, wo ich an verschiedenen Plätzen ... unter sehr ungünstigen Verhältnissen leben mußte.“ (DÖW-Akt 12.254). Übrigens kannte ich auch Susanne Wantoch persönlich sehr gut. Bruno Böröcz, Eisenstadt, 5.3. 2001 Zu „Statt eines Editorials: Eine aktuelle Anmerkung über Literatur und Widerstand“ von Konstantin Kaiser in ZW Nr, 1/2001, S. 3: Wie etwas, was ich geschrieben habe, interpretiert wird, darauf habe ich sicher keinen Einfluß, was ich geschrieben habe, weiß ich trotzdem. Jedenfalls das im Anstatt-Editorial behandelte Gedicht, „das eigentlich nur aus dieser Aufforderung“ bestehen soll, „auf die Regierung und alles Widerwärtige ... zu scheißen“, ohne daß das behandelte Gedicht die oder eine Regierung oder etwas konkret Widerwärtiges erwähnt, noch aus der „wiederholten Aufforderung“, drauf zu scheißen. Das läßt sich schon rein quantitativ nicht feststellen, wenn eine litanei87