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haft gesetzte Wendung 5 Zeilen von insgesamt 14 ausmacht. ‚Wer möchte, soll sich ruhig in Machtfantasien, Ohnmachtsgefühlen und narzistischen Gekränktheiten ergehen, wird aber am Schluß des Gedichts doch vor der Aufforderung stehen, auf sein Scheißdraufsein zu scheißen. Dieses Gedicht, das dem im Herbst 2000 von mir in der „edition selene‘“ erschienenen Gedichtband „Indikationen“ entnommen ist, sowie den gesamten Gedichtband stelle ich ... der ZW gerne zur Verfügung. Ich halte alle diese Gedichte für angemessen unohnmächtig. Sie wurden jedenfalls sicher nicht geschrieben, um einer Ohnmacht Ausdruck zu verleihen, ganz im Gegenteil. Gerhard Ruiss, Wien, 12.3. 2001 Die Demonstration am Ballhausplatz am 4.2. 2001, an der ich teilnahm und bei der Gerhard Ruiss als Vertreter der Interessengemeinschaft österreichischer Autorinnen und Autoren sprach und eigene Gedichte vorlas, richtete sich gegen die gegenwärtige Regierung. Auch Gerhard Ruiss leitete seine Lesung eigener Gedichte mit einigen Bemerkungen gegen die schwarz-blaue Koalitionsregierung ein, so daß der Eindruck entstand, das Gedicht „auf wos ma scheissn kau“ (Worauf man scheißen kann) sei ein gegen jene Regierung geschriebenes Gedicht. Es lautet (ich danke Gerhard Ruiss für die Übermittlung des Textes): scheiss auf des wos eh kan intressiat scheiss di ned au waunn auf di gschissn wiad geds da gschissn scheiss drauf is einegschissn scheiss drauf hosd ausgschissn scheiss drauf wiasd augschissn scheiss drauf bisd scheissdrauf scheiss drauf. Ein liebevolles Spiel mit den verschiedenen umgangssprachlichen Bedeutungen des Wortes Scheißen haben wir vor uns und keine AufJorderung, „auf die Regierung wie auf alles Widerwärtige in dem Land zu scheißen“. Ich nehme also, in Abwandlung eines älteren Witzes, zur Kenntnis, daß die Tribüne, von der Gerhard Ruiss sein Gedicht verlas, Teil einer Demonstration gegen die schwarz-blaue Koalitionsregierung war, nicht aber das Gedicht. Es ging mir übrigens nicht darum, einen allzu rüden sprachlichen Umgangston mit unserer Regierung zu skandalisieren oder zu denunzieren, sondern die mutmaßliche Wirkung des Gedichts auf die ZuhörerInnen zu beschreiben und die Frage aufzuwerfen, ob das, was heute unter „Widerstandsliteratur“ angeboten wird, diesen Namen auch verdient. Ich weiß nicht, was „angemessen unohnmächtig“ bedeutet. Aber die Literatur sollte doch die Ohnmacht nicht von der Tür weisen, sondern (nicht nur ironisch) durch sie hindurchgehen und sich gegen sie empören? Ich schlage vor, aus der Mißhelligkeit Nutzen zu ziehen: Könnten wir uns, Gerhard Ruiss, ich und andere, nicht zu einem kleinen Kolloquium zur Frage „Literatur und Widerstand“ zusammenfinden? — K.K. Zu „Statt eines Editorials: Eine aktuelle Anmerkung über Literatur und Widerstand“ von Konstantin Kaiser in ZW Nr. 1/2001, S. 3: Ich habe bestürzt Ihr pessimistisches Editorial gelesen. [...] Mir scheint, daß das Wort nur auf kurze Frist ohnmächtig ist. Schriftsteller haben in Griechenland, Ungarn, Polen, Tschechoslowakei und vielleicht auch der DDR entscheidend beim Entstehen eines moralischen und politischen Klimas mitgeholfen, das die ungezügelte Machtausübung der Diktatur schwierig machte und schließlich überwand: die Petöfi-Klubs in Ungarn, der Schriftstellerverband in der Tschechoslowakei usw. Fritz Beer, London, 19.4. 2001 Literatur (nicht Taxi) Orange Realsatire im Internet. — Folgende Botschaft erreicht uns auf dem Weg elektronischer Datenübermittlung: „Wir, das sind Hannes Luxbacher, Andreas R. Peternell und Werner Schandor vom Feuilletonmaganzin ‚schreibkraft’, betreuen im heurigen ‚steirischen herbst’ ein Literaturprojekt ...‘“ Wie in jeder ordentlichen Satire sind also Namen und nähere Umstände bezeichnet. Und worin besteht das ,,Literaturprojekt? Darin, daß die „lieben Autorinnen und Autoren“ eingeladen werden, „einen bislang unveröffentlichten Text an das Redaktionsteam zu senden, das denselben in die homepage stellt, wo dieser Text einer Aktie gemäß gehandelt wird.“ Und wie soll dieser Handel abgehen? Im Grunde in Form einer Abstimmung, der beste »lext“ wird via Internet von den Besuchern der Homepage gewählt, allerdings mit einer kleinen, bedeutsamen Differenz: Die virtuellen Besucher sollen nicht die „Texte“ aussuchen, die sie am besten finden oder die ihnen am besten gefallen, sondern jene, denen sie die meisten Chancen geben, sich schließlich durchzusetzen. Nicht alle eingesandten ,,Texte“ kommen auf die Homepage, denn: ,,Aus allen Einsendungen wird von einer unabhängigen Redaktion, bestehend aus Germanisten und Literaturredakteuren, eine begrenzte Anzahl von Texten für das going public ausgewählt.“ Die Sensale und Börsianer sind, wie man sieht, zur Stelle, ihre Taxen und Provisionen einzustreichen. Den „lieben Autorinnen und Autoren“, die sich dieser Tortur unterwerfen und reüssieren, wird als Preis eine Einladung zur „Präsentation der Texte Anfang November zum Steirischen Herbst nach Graz in das Forum Stadtpark“ in Aussicht gestellt. Die virtuelle Literaturbörse scheint eine von realem Zahlungsverkehr, von Preisgeld, Honorar und sonstiger veralteter Daseinsvorsorge befreite Zone. Ich meinerseits würde vorschlagen, die Literatur von solchen „Literaturprojekten“ (die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich aus einem öffentlichen Haushalt finanziert werden) zu befreien. — K.K. Berichtigungen Die Urkunde des chinesischen Roten Kreuzes auf S. 22 von ZW 1/2001 steht leider auf dem Kopf. Das Foto S. 23, links oben, zeigt nicht das von der Familie Eisfelder geführte Cafe Louis, sondern das Straßenbild gegenüber dem Café Louis. Horst Eisfelder hat uns seine Aufnahme vom Mai 1943 übermittelt, auf dem das Café Louis und ganz rechts Eisfelders Bruder Erwin (mit dem Rücken zur Kamera) zu sehen sind (S. 25 dieses Heftes). S. 51 von ZW 1/2001 ist von der japanischen Kapitulation am 10. August 1945 (nach den beiden Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki und dem Kriegseintritt der Sowjetunion) die Rede; das japanische Kapitulationsangebot, das an Bedingungen geknüpft war, wurde in abgeänderter Form von den Alliierten freilich erst am 15. August (Ortszeit) angenommen. Von Träumen ist in ZW Nr. 1/2001, S. 81, linke Spalte, erster Absatz, die Rede: Traumen (im Sinne der Mehrzahl von Trauma, von Traumata) waren gemeint. Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands. Jg. 18, Nr. 2, Doppelheft, August 2001. Eigentümer, Verleger: Theodor Kramer Gesellschaft, Wien. ISSN 1606-4321. Zulassungsnummer 017021877 V.