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Gemeinsam kämpfen die Kleinen, die Davide dieser Welt gegen ein System der Ausbeutung. Hunger trotz Überproduktion. Millionen Aids-Tote trotz Medikamenten. Kapital, das in den Himmel wächst, und Armut, die in den Himmel wächst. Die Welt wird in ihrer Verkaufbarkeit gemessen. Ein Fünftel der Welt im Besitz von 86 Prozent des Weltkapitals. Mit nur 0,2 Prozent des Welteinkommens über zehn Jahre hinweg wäre die Beseitigung des Elends dieser Welt leicht finanzierbar. Tobin-Tax, Bildungsausbau, Gesundheitsvorsorge. Gemeinsames Mobilmachen gegen die Verkapitalisierung des Menschen, der Entwürdigung des Lebens. Seattle, Washington, Prag, Nizza, Davos, Cancün, Quebec, Barcelona, Göteborg, Salzburg, Genua. Gewerkschafter, Studenten, Katholiken, FeministInnen, Arbeiter, Punks, homo-, hetero-, transsexuell. Abertausende auf den Straßen. Tausende von Verletzten, Tausende Inhaftierte, gedemütigt, erniedrigt, geschlagen, gefoltert, ein Toter. Dreifache Gewalt: Polizeigewalt, versteckte Provokateure der Zivilpolizei, Gewalt der Medien, die Neoliberalismus-Gegner in „gute“ und „böse“ Demonstranten spalten wollen. Der Junge kämpft gegen den Löwen. Gegen ein System der täglichen Tausenden Toten. Für eine Politik der Menschlichkeit. Denn: wir alle sind Indios dieser Welt. Bernadette Schiefer hat persönlich an der Friedenskarawane teilgenommen. 1993 machte mir ein junger Freund aus Österreich, der Historiker Albert Lichtblau, den Vorschlag, etwas über mein Leben mit Fritz Bergammer zu schreiben. Ich weiß nicht, ob ich die nötige Distanz gewonnen habe, aber ich will versuchen eine Erinnerungsskizze unserer gemeinsamen Jahre zu zeichnen, mit Hilfe auch von Gedichten, die die jeweilige Situation schildern. Ich sah Fritz Glueckselig zum ersten Mal in der Wohnung meiner Chefin Mitzi Otten, deren Sohn Julian mit Fritz’ Bruder Leo in die Kunstgewerbeschule gegangen war. Ich glaube mich genau an meinen ersten Eindruck zu erinnern: Sein Profil, das einem Kindheitsfreund sehr ähnlich war. Der große, kräftig wirkende junge Mann mit den, noch in der Wiener Gefängniszeit, geschorenen Haaren und den leicht zitternden Händen erweckte in mir das Gefühl äußerster Sympathie. Ich muß erwähnen, daß ich, die ich 1938 aus der unfreien Atmosphäre Nazi-Deutschlands nach New York kam, das plötzliche Zusammentreffen mit einer Menge deutscher und österreichischer Flüchtlinge sehr erfreulich fand. Trotz der erschreckenden Nachrichten aus Deutschland — die ,,Reichskristallnacht“ und die Gefangenschaft meines Vaters in Buchenwald — war ich damals nicht deprimiert. Ich hatte bereits Arbeit, verdiente Geld und teilte ein hübsches Zimmer mit Kochgelegenheit mit einem anderen jungen Mädchen. Ich muß Fritz von Anfang an öfters getroffen haben. Zusammen mit seinem Bruder Leo Glueckselig, meiner Kusine Martha, Julian Otten und anderen jungen Leuten machten wir Sonntagsausflüge in die Umgebung von New York. Julian hatte schon sein eigenes Auto. Ob ich von Anfang an wußte, daß Fritz ein Dichter war, weiß ich nicht mehr. Eines aber wußte ich: Das Zusammensein mit ihm bereicherte mich unendlich. Daß Fritz mit den Händen zitterte, hat mich nie gestört. Es gehörte zu ihm wie seine Kurzsichtigkeit. Als einige Monate später die Eltern der GlueckseligBurschen nach New York kamen, waren Fritz und ich bereits ein Paar. Mit kurzer Unterbrechung blieben wir bis zu seinem Tod zusammen. Der Vater, Max Glueckselig, war hier kein Fremder. Geschäftlich war er oft monatelang in Amerika gewesen. Die ganze Familie zog in eine Wohnung in der Nähe des zoologischen Gartens in der Bronx. Bald darauf gründete Fritz mit seinem Vater die Firma M. Glueckselig and Son, eine Weiterführung der Wiener Antiquitätenfirma. Ein befreundeter amerikanischer Kollege, Abe Adler, stellte ihnen die ersten Geschäftsräume zur Verfügung. Dem Geschäftlichen gegenüber war Fritz immer ambivalent. Geschäftsmann zu sein, war für Fritz im Grunde ein Anathema. Einerseits war ihm ,,Schachern“ zutiefst zuwider. Andererseits war ihm der Umgang mit Kunst und Kunstgegenständen nicht nur zur zweiten Natur, sondern geradezu zur „ersten“ Natur geworden. So sehr ihm der Verkehr mit unangenehmen oder bloß uninteressanten Menschen gegen den Strich ging, so sehr freute es ihn, durch den Kunsthandel interessante und wertvolle Menschen kennenzulernen. Aber es gab noch eine andere Kategorie von Besuchern, die einmal durch die Tür von M. Glueckselig & Son kamen und für die die Tür immer offen stand. Das waren die Frauen, die von Fritz, seiner Persönlichkeit und seinem Wissen, nicht zu vergessen seiner Menschlichkeit fasziniert waren. Fritz war für sie Lehrer und Beichtvater zugleich. Er hatte aber auch männliche „Schüler“. Jeden Samstag saßen Kunden und Kollegen stundenlang im Geschäft, um sich belehren zu lassen oder eben nur die „Atmosphäre“ zu genießen. Als Kunstkenner war Fritz enorm geschätzt, was aber nicht bedeutet, daß er ein guter Geschäftsmann im landläufigen Sinn war. Die Firma hatte immer zu kämpfen; es gab mehr schlechte als gute Zeiten. Die Geldknappheit erschwerte natürlich die Beschaffung von Kunstgegenständen. Dazu kam der leidige Kampf mit dem Hausherrn, jedesmal wenn der Mietkontrakt abgelaufen war. Man wird fragen, wann Fritz Zeit zum Schreiben hatte. Die Antwort ist ganz einfach: Immer, ob am mit Papieren und Manuskripten überhäuften Schreibtisch im Geschäft, neben dem ewigen Becher mit abgestandenem Kaffee, ob im Autobus, in der Untergrundbahn, nur fast nie zu Hause. Viel