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Dennoch hatten auch in Tirol Schriftsteller und Schriftstellerinnen Probleme mit dem Regime. Fanny Wibmer-Pedit wurde wegen politischer Unzuverlässigkeit von 1940-1943 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen. Maria Veronika Rubatscher erhielt Schreibverbot, weil sie sich gegen die Option in Südtirol aussprach. Auch der damalige Landesrat für Kultur und Autor Robert Skorpil wurde 1938 aller Ämter enthoben und während der NS-Zeit mehrmals verhaftet. Ein grundsätzliches kulturelles Widerstandspotential ist vor allem auch in der Zeitschrift Der Brenner zu orten. Der Herausgeber Ludwig von Ficker hatte sich zur katholischen Kirche bekannt und in seiner Zeitschrift Theodor Haecker und der christlichen Existenzphilosophie breiten Raum geboten. Der Brenner wurde 1940 „als schädliches und unerwünschtes Schrifttum‘” verboten. Ludwig von Ficker zog sich aus der kulturellen Öffentlichkeit mehr und mehr zurück. Von einigen Autoren, die aus dem Umfeld des Brenner kamen, wie beispielsweise Anton Santer und Carl Dallago, gab es während der NS-Jahre keine Zeile mehr zu lesen: Innere Emigration und Verweigerung. 1933 wurde auch die Zeitschrift Der Sumpf verboten. Diese war als „konsequente Fortsetzung [des Brenner] in seiner ursprünglichen Form‘* gedacht. Die 1932 in Berlin erschienenen vier Hefte des Sumpf wurden vom Kierkegaard-Übersetzer Wilhelm Kütemeyer herausgegeben und enthalten beinahe zur Gänze Beiträge von 1926 aus dem ‚katholischen’ Brenner dissidierten Autoren: Carl Dallago, Josef Leitgeb, Friedrich Punt, Karl Röck. Der Sumpf war Ausdruck kompromißlosen Widerstands gegen den heraufkommenden Nationalsozialismus, er war antikatholisch und antifaschistisch. Für den Hauptmitarbeiter Carl Dallago war der Nationalsozialismus „als Nationalismus ein Köder, als Sozialismus eine Lüge und als Ganzes ein Bluff [...], hinter dem wahnwitzige Großmannssucht auf ihre Rechnung kommen will.“ Dallago sympatisierte hingegen mit dem „roten linksorientierten bolschewistischen Osten‘“, ein weiterer Mitarbeiter, Werner von Trott, war 1931, ebenso wie Kütemeyer, in die KPD eingetreten. Aber auch Punt blickte angesichts der politischen Zustände in Europa auf das „russische Beispiel“. Er liefert in seinen Beiträgen eine sehr treffende Kritik am Kapitalismus. Punt sah damals im Privateigentum und dem Eigentum an Produktionsgütern die Ursache allen gegenwärtigen Übels. Nur Rußland habe den Kapitalismus abgeschafft, seine Planwirtschaft werde in absehbarer Zeit alle seine Menschen mit dem Nötigen versorgen, auch mit „Zeit und Freiheit zum Leben |... ]. Europa wird dem russischen Beispiele folgen, wenn auch nicht in allem seine Wege gehen.‘“ Die nachhaltigste Wirkung hatten aber zweifellos die beiden von Josef Leitgeb unter dem Pseudonym Paul Pasquill veröffentlichten Anti-NS-Gedichte „Hitler‘” und „NSDAP“, die, nebenbei bemerkt, die komplizierte und verstrickte literarische Position des Autors in der Phase 1938-1945 erkennbar und eindeutige Zuordnungen problematisch machen. Nach dem ‚Anschluß’ Österreichs erschien bei Friedrich Punt ein Gestapobeamter und beschuldigte ihn, jene unter dem Pseudonym Paul Pasquill im Sumpf erschienenen Gedichte gegen Hitler und die NSDAP verfaßt zu haben und kündigte eine gründliche Untersuchung an, zumal die von Punt gezeichneten politischen, russenfreundlichen Beiträge „auch nicht ohne wären“. Punt erhielt eine Frist von drei Tagen, die Autorschaft zuzugeben oder den Verfasser zu nennen. Punt verständigte seine Freunde, die Brüder Leitgeb, Dallago, Sailer, wartete die Frist ab und hörte davon nichts mehr. Erst nach dem Krieg, als Punt auf Sailers Bitte die Verteidigung des ehemaligen Gauleiters Edmund Christoph übernahm, erfuhr er, daß Sailer damals beim Vater von Christoph interveniert hatte, die Angelegenheit niederzuschlagen.' Die Situtation des Anschlusses hat Punt rückblickend so beschrieben: „Wer das Jahr 1938 in Österreich nicht miterlebt hat, kann sich seine Wirkungen auf das Gefühlsleben eines phantasiebegabten Menschen nicht vorstellen. Mit vielen Gleichgesinnten empfand ich den sogenannten Umbruch als ein furchtbares Natur-Ereignis, vergleichbar einer riesigen Frühjahrs-Lawine oder einem Dammbruch, der den reißenden Fluten den Weg über die Fluren preisgibt. Eine Art politischen Irrsinns hatte fast alle Menschen im Lande ergriffen. Die einen reagierten depressiv, die anderen waren manisch erregt und hochgestimmt. Es war sehr schwer, ruhig auf seinen Beinen stehenzubleiben. Wir wurden schnell belehrt, daß der Nationalsozialismus eine gefährliche, ja geradezu dämonische Macht war, die von Zeit zu Zeit über sich selbst hinaus wuchs. Seit jener Zeit glaube ich an die psychische Erkrankbarkeit eines Volkskörpers. Sehr viele Menschen kannte ich, die mit jeder Faser gegen den Nationalsozialismus empfanden und die sich mit Händen und Füßen gegen das Anstürmende wehrten; und dennoch schwammen sie, wie fortgerissen, gegen den eigenen Willen im Strome mit. Ich faßte damals den Plan, bei gegebener Gelegenheit gegen das Regime aktiv zu werden.“ Punt, der während des Krieges im Innsbrucker Wehrmeldeamt eingesetzt war, nutzte seine Stellung, um Widerstandskämpfer mit falschen Papieren zu versorgen und vor der 11