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derzeit abrufbar geworden: „Jedesmal, wenn das Sein in seinem Geschick an sich hält, ereignet sich jäh und unversehens Welt (...) Das epochale Wesen des Seins ereignet das ekstatische Wesen des Da-Seins.‘“” Es fällt heute nicht mehr schwer, hier bereits — also abermals „im Vorlauf“ — den Jubel beim Fall der Berliner Mauer zu héren*'; Hunderte Opfer rassistischer Übergriffe in Deutschland sind ihm inzwischen gefolgt. Hannah Arendt hat ihn nicht gehört. Dabei hatte ihr Heidegger doch geschrieben: „Was ich mache? Immer das Selbe.“ Der erste Teil dieses Beitrags ist in ZW Nr. 2/2001, S. 20-22 erschienen. Anmerkungen 1 Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1942-1945. 3. Aufl. Berlin 1995, Bd. I, S.296 2 Brief an Hannah Arendt vom Winter 1932/33. Hannah Arendt / Martin Heidegger: Briefe 1925 bis 1975. Hg.v.Ursula Ludz. 2. Aufl. Frankfurt am Main1999. S.68f. 3 Heidegger, Die Universität im nationalsozialistischen Staat, zit.n. Farias S.205 4 “Die Weltkrisen haben Kapital und Staat, jene beiden Seiten des gesellschaftlichen Grundverhältnisses zu einem einzigen Schutzpanzer eingeschmolzen, um deren Fortbestand zu sichern. Aus dem automatischen Subjekt Kapital mit dem Garanten Staat als besonderem Organ ist das einheitliche Staatssubjekt Kapital geworden. Der Staat ist heute mehr als der bloß ‚ideelle‘ Gesamtkapitalist, was in seinen vermehrten Funktionen zum Ausdruck kommt (...) Das Staatssubjekt Kapital erzwingt sich das Monopol auf Klassenkampf. Die Zerschlagung aller Klassenorgane der Arbeiter ist seine erste Tat. Eine rücksichtslose soziale Pazifierungsaktion mit dem Zweck der ‚organischen‘ Einfügung des Kapitalteils Lohnarbeit in den neuen Staat wird eingeleitet. Zugleich wird eine großzügige Reorganisation der Kapitalistenklasse vorgenommen (...). Das Staatssubjekt Kapital organisiert den inneren Markt, reguliert - ein nationales ‚Generalkartell‘ — die Preise und verschärft damit zugleich die internationale Konkurrenz. (...) Es zeigt sich immer deutlicher, daß die Krisenüberwindungskampagnen der neuen monopolistischen Staatswirtschaften zugleich den Charakter von Rüstungsmaßnahmen haben. Mehr und mehr ist die Rüstung Inhalt gerade der vorwärtstreibenden industriellen Energie (Motorisierung, Flugwesen, Chemie etc.). In großem Maßstabe, in Produktionsplänen auf weite Sicht wird explosives Material gehäuft und gestapelt. Ebenso ist die soziale Pazifizierungsaktion Kriegsvorbereitung.“ (Heinz Langerhans: ‚Die nächste Weltkrise, der zweite Weltkrieg und die Weltrevolution‘. In: Karl Korsch: Krise des Marxismus. Schriften 1928-1935. Hg. v. Michael Buckmiller. Amsterdam 1996, S.695-710; 768-776) Heinz Langerhans, der am Frankfurter Institut für Sozialfoschung studierte und mit Karl Korsch und Bertolt Brecht befreundet war, wurde dann ‚nur‘ zu dreijähriger Zuchtshausstrafe verurteilt (da die Anklage auf Landesverrat —mit Hilfe Brechts — abgewendet werden konnte); nach der Haft wurde er ins KZ Sachsenhausen deportiert, 1939 freigelassen und auf dem Weg in die Emigration in Frankreich erneut in ein KZ verschleppt, aus dem ihm schließlich die Flucht in die Vereinigten Staaten gelang. (Vgl. hierzu Michael Buckmiller: Anmerkungen zu Heinz Langerhans und seinem Bericht über das ‚Buch der Abschaffungen‘ von Karl Korsch. In: Bochumer Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit 8/1987, S.99-106) Langerhans arbeitete zwar von 1941 bis 1945 wieder am Institut für Sozialforschung, stand jedoch wie Korsch in einiger Distanz zu dessen innerem Kreis. Als Langerhans später im US-Exil von der kritischen Theorie zur Denunziationspraxis überwechselte und zusammen mit Ruth Fischer Stalinisten aufspürte, ging Korsch offenbar auch persönlich etwas auf Distanz zu seinem Freund und ‚Schüler‘. 5 Martin Heidegger: Rede zur Immatrikulationsfeier am 25.11.1933. In: Freiburger Zeitung, 27.11.1933; zit.n. Farias S.181 18 6 Martin Heidegger: Der Ruf zum Arbeitsdienst. In: Freiburger Studentenzeitung 23.1.1934; zit.n. Farias S.182f. 7 Heidegger, Die Universität im Nationalsozialistischen Staat, zit.n. Farias S.185f. 8 Ebd. S.209 9 Martin Heidegger: Nationalsozialistische Wissensschulung. In: Der Alemanne. Kampfblatt der Nationalsozialisten Oberbadens. 1.2.1934 (Abendausgabe); zit.n. Farias S.188 10 Martin Heidegger: Einführung in die Metaphysik. [1935] Tübingen 1953, S.28f. 11 Adolf Hitler: Mein Kampf. 111. Auflage. Miinchen 1934, S.782 12 [Martin Heidegger: Vorlesung tiber die Grundfrage der Philosophie] Vorlesungsnotizen von Helene Weiss; zit.n. Farias S.190 13 Heidegger, Die Selbstbehauptung der deutschen Universität, zit.n. Farias S.157 14 Schmitt, Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte, S.306 15 Vgl. hierzu Raphael Gross: Carl Schmitt und die Juden. Eine deutsche Rechtslehre. Frankfurt am Main 2000, $.117f. 16 Jacques Derrida: Vom Geist. Heidegger und die Frage. Frankfurt am Main 1992. S.48 17 Pierre Bourdieu: Die politische Ontologie Martin Heideggers. Frankfurt am Main 1976. S.111 18 Heidegger, Einführung in die Metaphysik, S.8 19 Farias S.255 20 Martin Heidegger: Das Rektorat 1933/34. Tatsachen und Gedanken. In: Die Selbstbehauptung der deutschen Universität. Frankfurt am Main 1983, S.40 21 Heidegger, Einführung in die Metaphysik, S.28f. 22 Ebd. S.35 23 Ebd. 24 Richard Wagner: Erkenne Dich selbst. [1880/81] Gesammelte Schriften. Hg.v. Julius Kapp. Leipzig 0.J. (1914) Bd.14, S.189f. 25 Carl Schmitt: Die Verfassung der Freiheit. In: Deutsche JuristenZeitung 40/1935, S.1133£.; zit.n. Gross, Carl Schmitt und die Juden, S.118 26 Alfred Rosenberg: Der Mythos des 20. Jahrhunderts. [1930] 7. Aufl. München 1942. S.462 27 Heidegger, Einführung in die Metaphysik, S.29 28 Martin Heidegger: Heraklit. [1943/44] Hg.v. Manfred Frings. Gesamtausgabe Bd. 55. Frankfurt am Main 1979, S. 123 29 Zit.n. Farias S.370 30 Martin Heidegger: Nietzsches Wort ‚Gott ist tot‘. [1943] Holzwege. 7.Aufl. Frankfurt am Main 1994, S.258f. 31 Ebd. S.264 32 Ebd. S.257 33 Ebd. S.265 34 Korrespondenz Martin Heidegger / Herbert Marcuse im Nachlaß Herbert Marcuses. Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main; zit.n. Farias S.374 35 Georg Lukäcs: Die Zerstörung der Vernunft. [1954] Berlin-Weimar 1984. S.658f. 36 Hannah Arendt: Vom Leben des Geistes. [1973/1977] München 1998, S.415 37 Während Herbert Marcuse mit seinen konsequenten Fragen Heidegger zur Schuldabwehr provozierte, setzte Hannah Arendt auf eine Umerziehung des Belasteten. Philosophisch können ihre Schriften als Versuch gesehen werden, Heideggers Ontologie zu rationalisieren. Vita Activa (1958) entspricht in diesem Zusammenhang dem Wunsch, Heideggers Philosophie vom Sein zum Tode in eine vom Sein zur Welt zu wenden. Was bei Heidegger als Alltäglichkeit, als Man und Gerede firmiert, wendet Arendt nun zur Kritik der Arbeit, die den Menschen in ein „animal laborans“ verwandelt. Der Krise der Arbeitsgesellschaft und der Weltlosigkeit des animal laborans empfiehlt Arendt als Möglichkeit des Ganzseinkönnens nicht das Sein zum Tode, sondern das „Herstellen“ und das „Handeln“. In diesen Kategorien ist ihr philosophischer Gegenentwurf zu Heidegger wie zur totalitären Herrschaft formuliert, und unschwer läßt sich darin eine Art Ontologie des New Deal erkennen: das Herstellen und sein Verhältnis zur Arbeit ist — wie ein abstraktes