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auch exilierte Kinder befinden. In den Kinderbeilagen der AIZ und Volks-Illustrierten (VI - die AIZ wurde ab Sommer 1936 unter diesem Namen in Prag fortgeführt) werden Sammlungen von Kindern für Kinder organisiert: Liebe Kinder! Wie ihr sicherlich erinnert, war auf unserer Kinderseite vor kurzem ein Aufruf an euch, dazu beizutragen, das Leben der Kinder im Strasnicer Emigrantenheim zu verbessern. Unser Ruf.an euch, Solidarität zu üben, war nicht vergeblich und wir danken euch dafür. Tatsächlich kamen daraufhin schon verschiedene Geld- und andere Spenden für eure kleinen Kameraden, und ihr könnt euch vorstellen, wie sehr sie sich freuen, zu sehen, daß ihre Alters- und Gesinnungsfreunde an sie denken. |... ]° Die kindlichen Leser und Leserinnen der Kinderbeilagen beteiligen sich an den Sammlungen. Die Leserin der VIKinderbeilage An die kleinen Leser, Klara E. aus Bonskä Bystrica, Slowakei, spendet 30 Kc für das Emigrantenheim.’ Das Interesse des Exils an der Situation der Kinder zeigt sich nicht nur an zahlreichen Artikeln verschiedener (Exil-) Periodika, es dokumentiert sich auch in zahlreichen Aktivitäten, die für Kinder des Exils organisiert wurden. Anzeigen für Veranstaltungen — etwa Weihnachtsfeiern — finden sich immer wieder in Veröffentlichungen des Exils. Verschiedene Vereine der Exilierten — beispielsweise die Demokratische Deutsche Frauenbewegung in Zusammenarbeit mit der Freien Jugend in Mexiko? — veranstalteten Feste für Kinder, um ihren Alltag zu erleichtern. Eines dieser Kinderfeste fand in den Räumen des Freien Deutschen Hauses in Mexiko statt. Laut einer Pressemitteilung in der Zeitschrift Freies Deutschland erschienen etwa fünfzig Kinder, die sich „im Garten bei deutschen und mexikanischen Spielen“® vergniigten. Egon Erwin Kisch, der den Weihnachtsmann spielte und die Kinder alle kannte, beschenkte die Kinder mit zahlreichen Prisenten.'° Aber nicht nur Feste sollten das Leben der Kinder im Exil erleichtern, sondern es wurden verschiedene Wettbewerbe organisiert. So veranstaltete beispielsweise die jiidische Wochenzeitschrift Aufbau unter der Überschrift ‚14 Tage Ferien umsonst’ ein Preisausschreiben für die Kinder der AufbauLeser und -Leserinnen, in dem Kinder zwei Ferienwochen im Fenmore Day Camp gewinnen konnten. Sie sollten unter dem Titel „Ich habe einen neuen Freund gewonnen“ ihre Erlebnisse niederschreiben.'' Die Gewinnerin des Wettbewerbes war Margot Loewy, ein Emigrantenkind, das in ihrer Geschichte einen Hund findet, diesen pflegt und sich schließlich mit der Besitzerin des Hundes anfreundet. Der Nachmittag, den sie mit dieser verbringt, ist „einer der schönsten seitdem ich in Amerika bin.“ Andere Wettbewerbe finden sich in den Kinderbeilagen der Zeitschriften AIZ, VI und Prager Tagblatt. Die Kinder konnten hier unter anderem Bücher oder Spiele gewinnen — bei der materiellen Situation vieler Exilierter sicherlich von Bedeutung. Aber nicht nur in den Zeitschriften des Exils wurde über die Kinder des Exils berichtet und wurden entsprechende Aktivitäten vorgestellt, sondern auch das Radio nahm sich dieses Themas an. Als zum Beispiel das Radio 37 in Paris über die Kulturarbeit der deutschen Emigration sprach, widmete es sich ebenfalls den Kindern der Exilierten. Es wurde dabei nur eine Situationsbeschreibung gegeben, die Kinder bekamen die Möglichkeit, selber etwas darzubieten."” UNSERE KINDERPOST = „Ich hötte mein Versprechen, den Kindern aus dem Emigrantenheim in Strainice ein Poket zu schicken, längst einoelöst, wenn ich nicht die Grippe bekommen hötte. Ich habe sehr long im Bett liegen müssen, und do Kenn. ich die Sochen nicht zusommenpocken Bringt das Paket bitte möglichst bald den Kindern.” » Dos schrieb uns Evo-Moria ous Hohenelbe und wir können ihr mitteilen, daß das Poket richtig eingetroffen ist und schon übergeben wurde. Für die kleinen Leser. In: Die Volks-Illustrierte vom 10.2. 1937 Für die Geflohenen selbst waren die Kinder der Emigration durchaus ein Thema, weniger für die Exilforschung. Eine umfassendere Darstellung über Kindheit und Jugend im Exil fehlt bis jetzt." Rekapitulieren wir im Folgenden, was wir von dem Kinderexil bislang wissen: Hitlers Machtergreifung im Januar 1933 veränderte nicht nur das Leben der Erwachsenen, sondern auch das der Kinder. Dies betraf vor allem die Kinder jüdischer Familien. Freunde und Spielgefährten wandten sich von ihnen ab, und ihre Spielmöglichkeiten wurden mehr und mehr eingeschränkt. Wie das Kinderfest in Mexiko Am 18. Dezember hatte die Demokratische Deutsche Frauenbewegung in Mexiko die deutschsprachigen Kinder zu einem Weibnachtsiest im Freien Deutschen Haus eingeladen. Die fuentzig erschienenen Kinder vergnuegten sich im Garten bei deutschen und mexikanischen Kinderspielen. Spaeter fanden sie sich zusammen in den festlich hergericheten Raeumen bei Kuchen und Schokolade. Nachdem alle gesastligt waren, sassen sie aufgeregt vor der kleinen Buehne des Kasper-Spiel,und spaeter die Schattenspiele, die beide die Freie Deutsche Jugend Mexikos fuer sie inszeniert hatte, mit begeisterten Ausrufen. Nachdem der Tannenbaum angezuendet worden wat, erschien der Weihnachtsmann mit einem grossen Sack, bis oben angefuellt mit Geschenken. Zur allgemeinen Freude der Kinder wurde jedes von ihnen bedacht, denn merkwuerdigerweise kannte der weissbartige Weihnachtsmann sie alle (denn es war E. E. Kisch). Glueckselig verliessen die Kinder um 7 Uhr das Haus, nachdem Frau Martha Berg-André an die anwesenden Muetter die Aufforderung gerichtet hatte, sich auch in Zukunit an den Bestrebungen der Demokratischen Deutschen Frauenbewegung zu beteiligen. Freies Deutschland, Nr. 3, Februar 1944 27