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sche Luft, ein jeder davon aus dem Fach: ungut, gehassig, gemein, vielleicht auch tiefer. Egal. Fragen wird man ja dürfen: „Was macht man also in so einer feuchten und kalten Gegend mit einem Balkon!?“ In Anbetracht der lächerlichen Anzahl niederschlagsfreier Tage im Jahr: ein astreiner Luxus, sprich: der ganz weit gegenüber liegende Punkt gelebter Bescheidenheit. Denn, dings..., ich meine, ehrlich gettegt: „Wann nutzt man den selben schon aus! ?7« Man macht ihn also nur den Fuchsienkisteln zulieb!?? — Bloß damit die Nachbarn stehenbleiben und staunen: „Na san de blöemin schee, na wia de schee san!“...??! Das rechtfertigt den ganzen And keine Sekunde, — Ja! Und man vergesse nicht das ständig auf der Terrasse in Massen herumliegende abgeblühte, heruntergefallene Zeug. Trägt man nur mit den Schuhsohlen ins Haus! Die ganze Wegkehrerei jeden Tag. Viel Aufwand um nichts. „Beschäftigungstherapie sag ich“, entfährt es J. Mit solchen Sprüchen befindet er sich aber sofort abseits der eingefahrenen Bahn. Denn ohne beblumten Balkon hat er beim Blumenschmuckwettbewerb des ‚Ortsverschönerungsvereines’ nicht den Funken einer Chance. Auch H., der Auto um Auto (ist gleich Opel GT) erwirbt, um aus ihnen wieder flotte, fahrbare Untersätze zu basteln, hat kaum eine Chance, was zumindest das Finden einer großen, freien Garage betrifft. Die Suche nach ihr scheint schwierig und der "nach einem noch nicht verschandelten Haus nicht unähnlich zu sein. Man geht das gesamte Gemeindegebiet ab und findet kaum eine Hand voll. Was da nämlich weit und breit erneuert und umgebaut und überhaupt frisch errichtet worden ist und wird, entspringt nichts anderem als dem Geist kompletter Zerstörungswut. Das ist wie mit der Handkreissäge Schlüsselblumen pflücken wollen. Keine Spur von Behutsamkeit. Die Verantwortlichkeit von Kitsch geblendet! Das merkt einjeder, der um ein Zielwasser genauer schaut. Exakt diese Fähigkeit scheint den Hiesigen verschlüsselt oder unverschlüsselt abhanden gekommen. eben Anerkennungswürdiges geleistet hat, zu überregionaler Berühmtheit gelangt, mit einem Butterbrot abgespeist wird (sprich: der schmale ungeteerte Schotterweg zum Haus, auf dem höchstens der Briefträger mit seinem Postlermoped problemlos zufahren kann und jeder VW-Käfer sich bereits gegen den angrenzenden Abhang zur Wehr setzen muß, wird nach ihm benannt), nur weil das Fachgebiet, auf dem er zu diesem Ansehen gekommen ist, sobald sich keine Affinitäten zu Blasmusik und Schützenverein ergeben, hierorts mehr oder weniger keinen Wert besitzt und also nichts zählt, obwohl er sich doch eigentlich weit mehr als bloß wenigstens ein Paar Würstl mit Senf und frisch ge_ riebenem Kren verdient hätte. Wie vergessen und angebrannt. Ein Schmarren. Eine mal wirklich passiert. Nein. Hierorts hat das sogar Tradition. Man jodelt. Da versteht dann keiner das Zeug. Hat eben Pech, wer weder Musiker noch Stahel- oder wenigstens Wildschütze ist, sondern bloß ein Bauernphilosoph, ein Dichter, ein Kommunist. ' Alles gelogen! Das gebe ich zu. Aber ich lüge so gern. Darf man nicht eigentlich sein, was man will? Fußballer. Jäger. Gamsbartolympionik. Naturbahnrodelweltmeister. Wenn man nur die richtige Dress über den Biermuskel streift, tut einem 18 hierorts keiner was an. Nur nicht die Stimme gegen etwas erheben, das sich über viel Zeit die Jahrzehnte herauf als Brauchtum festigte. Dann nämlich hätten sie es am liebsten, wenn man gleich mit der Goisererkrawatte um den Hals vom Firstbaum hinunterspringt, mitten hinein in atemfreie Zone, in Herzpumpernlosigkeit, die dir schneller als es lieb ist und es sich denken läßt, die Zunge aus dem Mund fetzt. Dann kannst du endlich kein Wort mehr sagen, mehr schreiben. _ Wer also gegen die Eingefahrenheit schaufelt, der passe auf, der schütze sich, denn der hat es schwer. Wer glaubt sie aus allem herausbügeln zu können, der irrt. Solche Utopisten fahren nur ein. Und Mitleid erwartet sie Die. Aber gut. Jetzt habe ich mich wirklich verfahren. Jetzt wachsen schon Haselnußstauden herein. Zurück auf den Holzweg, wo die Tatsachen sind: _ So ein Täfelchen mit dem Straßennamen darauf hat sich mein Nachbar selber gemacht und an seiner Grundgrenze aufgestellt, direkt am Punkt, wo das geterrte Sträßchen seinen öffentlichen Gemeindecharakter verliert und seinen ganz privaten, grundbesitzrigen bekommt. Da thront in weißen Buchstaben vom blauen Grund der Name: ‚Gamsjäger-Weg’. Aber der Mann hat außer der Verwandlung eines alten 500er Puch in einen sumpfdotterblumengelben Renner ausschließlich Bodenständiges geleistet. Keine Außergewöhnlichkeit, wie ‚Taxi-Orange’ erfunden oder den ,Air-Bag’. Aber genau das ist wohl das Bewundernswerte an ihm: dieses Einfache, Helfende, Unschuldige, dieser Fleiß, diese Ordnung. Und natürlich alles auch sonn- und feiertags. Eigentlich die pure Konkurrenzkämpferei: Doppellitergedergezeuge. Apropos: Der Sonnseitenjérg rennt in Jogging- . schuhen bis nach Tripolis oder New York. Aus Gründen der Kondition. Aber Buben bringt er keinen zusammen. Ein Konkurrenzkampf ist das! Zum Rasten hat man kaum Zeit. Denn immer schiebt schon einer den Rasenmäher aus der Garage hinaus. Oft gewinnt C. Um ein Aizerl ist er schneller. Aber wie er dafür schwitzt! Ich vergönne es ihm. Ich habe kein Mitleid. Doch ich bin bloß faul, lade Schmutz auf die Heimat, ohne Krampen und Schaufel, ohne jenen bei einer Inventur im Elektrodenwerk abgezweigten Arbeitshandschuhen. Ich verwende die nackte Hand. Seit dem 7ler Jahr säubert E. mit der zeisiggrün gestrichenen Schneehexe die Zufahrt zu seinem Garagentor. Letztes Jahr, in diesem schneereichen Winter, hat ihm C. ein Angebot gemacht und dafür keinen Groschen verlangt. Und zwar würde er, sofern E. das wolle natürlich, auch bei ihm mit der Schneefräse fahren. Mit so einem motorbetriebenen Schneehinausschmeißer erspart man sich nämlich einen Gutteil der Anstrengungen, wie sie ei-. nem das Schneewegräumen per Schaufel, Besen, Schieber oder Hexe abverlangt. Man kommt nicht nur kaum ins Schwitzen, „Nein nein“, erwidert E., weil ein Goiserer sich nicht gern helfen läßt. (Das sagt er nicht, das denkt er nur.) Ein RICHTIGER Goiserer hilft sich immer selbst. Denn wenn er vom Dach fällt (was beim Schneeherunterschaufeln jederzeit passieren kann), klammert er sich ja auch nicht an Gott, sondern ist froh, wenn er die Dachrinne erwischt. Und außerdem: die Schufterei ist der Hauptteil seines Lebens. Das hat er so beim Aufsatzschreiben in der Volksschule gelernt. C. nickt. Und E. nickt zurück. Und C. schielt zu seinen Hyazinthen hinüber, die im Winter dort natürlich nicht stehen.