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N schon innig darauf, wenn er in der schneelosen Zeit seine Schneefräse zerlegen und putzen darf, bis sie wieder so glänzt, als wäre sie neu. Aber zurück zu den Hyazinthen. Im Sommer trauen sie, welche im Anschluß an die sauber bezaunte und verflieste Terrasse von C. stehen, die kärcherblank glänzt, sich nicht anders als schnurgerade in die Luft zu begeben. Eigentlich sagt man ja ,wachsen’ dazu. Bei C. funktioniert es meistens nach Plan. Nur bei den boned nicht, weil die eben Menschen sind so wie er, nicht etwa Dinge wie Autos, die man zerlegen und neu zusammenbauen kann, selbst wenn man dafür die allergeschicktesten Hände besitzt. ‚Aufmüpfigkeit’ ist sonst aber was, das er nicht schreiben mag. Und bei ‚grüßen? weiß er bestimmt auch nicht auf Anhieb, ob er jetzt ein scharfes ‚3’ hernehmen soll oder ob es ein ganz normales ‚s’ tut. In dieser Angelegenheit sollte er sich mehr an die Söhne der hiesigen Gastwirte halten. Der junge Iricek-Bub streift beim Grüßen mit seiner Nasenspitze beinah den Boden. Der sollte mit dieser Grüßnummer zum Zirkus. Der Fremdenverkehr ist ein Nest, bloß hineinbrunzen darf man nicht. Dem Urlauber mit Kleinkind macht man in Goisern die Tür wieder zu. Die Windel könnte ja durchlässig sein. Der Urin, Schneefräsenlärm. Soll so bleiben. Ist eingefahren. Tradition. Seit schon so lang. Eine Gegend einfahren, ein Tal. Forststraßen und Waldwege gibt es zuhauf. Protzig und breit. Bis knapp unter den Gipfel des Kalmbergs. Der Wanderer zuckt erschrocken zusammen, weil ständig per Bike Raser an ihm vorbeiziehen. An Autobahn denkt er. Doch statt nach Benzin riecht es kräftig nach Schweiß. Nicht bloß erst einmal hat einen mountainbikenden Menschen ein kräftiger Faustschlag aus dem Sattel gehievt, was im Üblichen nur steile Anstiege zu tun vermögen. G. weiß das genau. Mit schon über vierzig muß es gerade ihm “ noch passieren. Als B-Zug-Schüler wie wild mit den Schiern gefahren (ASKO, Dachstein-Schiklub, Landeskader etc.) dann als Mechanikerlehrling bei Mercedes in Salzburg wie wild mit einem zur Rennmaschine umgebauten, auffrisierten Moped (vom Benzinabzapfen soll erst gar nicht die Rede sein, vom Vorstrafenregister, dem Mutterselbstmord, der eigenen Scheidung) und der Rücksichtslosigkeit der Wanderer hat er nicht gerechnet. Die ' glauben glatt der Weg gehört ihnen allein, weshalb er sanft die Klingel benutzt. Doch vermag er dadurch keinen der Gehenden von der Mitte des Weges zu bringen. Nicht im geringsten macht einer nur Anstalten diese freiwillig verlassen zu wollen, sein Schuhwerk also näher an den Rand und s’Gebüsch zu verlegen. Da kann es natürlich passieren, daß so ein weiches, zartes Vorderrad (völlig unabsichtlich versteht sich) an einen Unter- bis Oberschenkel gerät und ihm glatt eine leichte Zerrung beibringen muß. Der radelnde Mensch ist Hals über Kopf in Tempo und Fahrtwind verliebt. Von Warntafeln hält er (wie man es im Allgemeinen Verliebten so nachsagt) klarerweise nicht viel, weil sich im schnellen Sausen nicht auch schnell. genug lesen läßt. Und je mehr er ins Schwitzen gerät, umso fester tritt er in die Pedale, daß er (pfitschipfeilgleich) die Grashalme links und rechts der Fahrbahn zum Radschlagen zwingt. Gefühle für den Untergrund haben beim Einfahren keinen Platz. Und wenn erst alles eingefahren ist, sind ihre letzen Überbleibsel sowieso tot. Abgestorben. Weg. Genaues Blicken ist hilfreich (das schon), aber keine Notwendigkeit. Man sieht es, wenn man vom Bahnhof aus über die Mühlbachbrücke zum Amtshaus gelangt. Ein Augenschmaus, denkt H., und grinst sich die Lippen breit. Mehr läßt sich einfach nicht verhunzen. Außer dem Sitz der Bundesforste, deren Haus gottseidank unter Denkmalschutz steht, hat der ansäßige Architekt alle öffentlichen und halböffentlichen Gebäude in seine Finger gekriegt und mit seinen Um- und Neubauplänen völlig zerstört. Als hätten die Berge ringsum seine Engstirnigkeit kultiviert, der nahe Gletscher ihm den Kopf eingefroren, seinen Inhalt versteinert, erstickt. Der blutleere Plutzer: eine Goiserer Spezialität. Womöglich ist der Anblick von dered viel Holz und Gestein daran schuld, daß sie sich derart heftig vermehren. Epidemisch, wie schlechter Geschmack. Der ist entschuldbar, weil eingefahren; aber aus kommt man ihm nicht. Irgendwann kreuzt man seinen Weg. Einmal heißt er ‚Festsaal’. Für Bauernkabarett, Heimatbühne, Musikkapellen, Trachten- und Schützenvereine Für die Dichter nicht. Da ist das ‚Trauungssälchen’ im neuen Amtshaus groß genug. Und war vorher der Miniraum im ‚Höplingerhaus’. Dort habe ich Franz Kain in den späten achtziger Jahren zum ersten Mal gesehen. Er hat sich für die Einladung zu lesen freundlich bedankt. In Rußland gelesen, in Goisern zum Schluß. Der Raum mit Zuhörern voll, die ihn hernach heftig beklatschten. Der sozialistische Altbürgermeister H. springt sogar von seinem Sessel auf und schüttelt ihm vor allen Leuten wild die Hand. a Da schaut es aus, als würde der noch nicht Stifter-Preis-Träger was zählen. Ich vergönnte es ihm aus Herz und Hirn. Aber hinter dem, was ich sah, schien müder Schein und schlechtes Gewissen zu stecken. Den neuen Bürgermeister R. (Sozialist ebenfalls) hatte man gar nicht gesehen. Natürlich, da war die Ära ‚Kreisky’ längst vorbei, wo Dichter klein bißchen mehr als Schnorrer waren. Heute (beschleunigt durch Buchinflation und schlechtes Regieren) erscheinen sie mehr und mehr bloß noch als das. : Bei der letzten Bücherbörse in Wien meinte der notorische Büchersammler und Autor Hermann Gail zu mir: „Mit Schreiben verdient man so gut wie nichts.“ Wer, wie Franz Kain, abseits des Gängigen liegt und zeit seines Lebens fast ohne Anschieber auskommen muß, auch dessen Raum zur Entfaltung geht über das ‚Kammerhafte’ selten hinaus. Unterhaltung und Literatur: so hat man es heute gern. Krimis, Spaßbücher, leichte Kost. Amüsant soll es sein. Oder wenigstens spektakulär. Und alles ist gut, wenn es nur anders ist: aufgeblasen, damit man es nicht übersieht. Man begibt sich etwa auf eine ‚LiteRADtour’, eine literarische Radwanderung. Das Abenteuer im Kopf scheint zu wenig. Es muß Bewegung auch in den Fuß. Gemächlich allerdings. So tritt auch H. ins Pedal, weil eilig hat er es nicht. Baute er sonst alte Opel GTs auseinander und wieder zusammen!? Das kann nur einer, der Arbeit als Dauer, als Tätigsein, als Aufgabe liebt. Da sind wir jetzt wieder beim Rasenmähen und bei der Schneeräumerei. Um Eile geht es da nicht. Nur um das Tun. Nichts ist da drawig. (Dieses Wort erinnert im ersten Moment an eine Nerven- oder Hautkrankheit, der Einheimische meint bloß: ‚eilig’ damit. ) Wenn H. auf dem Drahtesel sitzt dann sicherlich nicht, um so schnell wie möglich die Strecke zwischen zwei Punkten zu be19