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wältigen, also in Rekordzeit von A nach B zu gelangern. Das war immer schon so. Wie er vor dreiundzwanzig Jahren vielleicht, vom Agathaer Bierzelt mit dem Inhalt von bestimmt zehn Halblitergläsern Bier im Blut per Rad das Wegelchen in den Ort hinein zu bezwingen ‚versuchte, kam er nicht weit. Bereits kurz nach der Kalvarienbergkirche, wo links und rechts die Felder beginnen, fiel ihm plötzlich das Vorderlicht aus. Er übersah gläsigen Augs eine Unebenheit, verlor die Balance und glitt sekundenzeigerhaft auf Viertel zu, wo ihn ein kurz geschnittener Septemberwiesenboden erfing. Hartnäckig beließ er Körper samt Gesäß in dieser Pose, aber- nicht ein einziger Fotograf tauchte auf. Statt Blitzlichtgewitter: Grillengezirp. Die beiden Freunde waren weitergefahren. Nach drei-, vierhundert Metern fehlte er ihnen, bemerkten der rauschige Gugst und der rauschige Mandi, daß ihnen der rauschige H. abhanden gekommen war. Sie bremsten und fuhren retour. Der eine kicherte laut, der andere stieg beim Umdrehen ab und schiffte vorsichtshalber ins Feld, damit ihm nicht noch die balzig geblähte Blase zerplatzt. Und wie sie radelnd wieder dann beim ' Verunfallten waren, sägte der bereits friedlich neben dem Weg Löcher in die in jener Nacht überraschend laue Luft. Und sein Fahrrad schnarchte mit. Einfahren kann man ohne Zug, ohne Auto, ohne Rad. Einfahren kann man das Heu mit dem ,Mustang’. Wenn erst alles eingefahren ist, hat einfahren keinen Sinn meistens ein, wenn man nicht allzu deutlich Bescheid weiß. Aber wer weiß schon deutlich Bescheid, wo das Wissen nicht wuchert wie der Gstanzel-Gesang. Der Dichter, der weiß. Aber äntahren, das kann auch er. Ch. hat seine Heimatromane, durch die über 30 Ortschaften wandernd (Wien hat beispielsweise nur 23), aus dem Rucksack verkauft.. Franz Kain hat das nicht. Seine Romane sind in Frau N.s Kleinstbuchhandlung, Goisern 8 (per Titel zwei Stück) aufgelegen. Zwei Nachmittage die Woche geöffnet, in der Hauptsaison am Samstag Vormittag dazu. Nach seinem viel zu frühen und unerwarteten Tod (der Tod ist "immer viel zu früh und ist auch immer unerwartet, und wenn man an ihn denkt, ist alles lächerlich, wie man seit Thomas Bernhard weiß) hat Frau N. Franz Kains Romane in den zwei marktstraßenseitig gelegenen Auslagenfenstern plaziert, aber die Wochen bis Weihnachten keinen einzigen derselben verkauft. Da hilft kein Achselzucken, kein Zorn, kein Mitleid. Da hilft keine Schreibenden klein. Das ist eben so. Über dieses bescheidene Maß hinaus gerät sie nur durch eine Verwechslung. Die Wahrnehmung des ‚Möchtlers’ zum Beispiel (meines ersten Romans) beruhte im Grunde auf einem Irrtum. Alle hier haben nämlich geglaubt, daß mit ‚Der Möchtler’ nur die schriftsprachlich korrekte Schreibweise des äußerst bekannten Hausnamens ‚Meechtla’ gemeint ist und haben in der Annahme, _ es handle sich um ein Enthüllungsbuch über denselben, das Buch gekauft. Gelesen haben es wohl nur ein paar, zumal sich dieser Irrtum bereits nach wenigen Zeilen zeigt und also offenkundig ist. Mit den ‚Meechtlan’, von denen es eine ganze Reihe in Goisern Ansäßige gibt, hat das Buch nämlich nicht im Geringsten etwas zu tun. In diesem Fall sind einmal die Richtigen eingefahren. Meistens aber trifft es die Falschen, daß es dir die Gänsehaut bis in die Arschfalte zieht. Aber... dings: der Gletscher läßt das Mitleid nicht aus. 20 Es passiert, daß vieles nicht dorthin gelangt, wo es soll. Dafür sorgen die mit dem zwiegenähten Fell, der doppelten Zunge, dem überschallenden Wuff. Im Kärntnerischen irrtürmlich zum Renner gemacht. Schützen selbst entlegenste Almhütten mit ihrem Gebell, egal ob sie leer sind oder bis unters Schindeldach mit Heu vollgestopft. Sie verscheuchen jeden, der nicht in ihre Nähe gehört. Unter ‚Goiserer Exportschlager’ ganz billig erhältlich. Verkauft sich gut. Und nutzt sich noch weniger ab als der nach einigen Jahren zumindest die Sohle. Das kräftige Wuff des: ‚Goiserer-Dobermanns’ hingegen nie. Hat auch acht Hände, acht Acht gibt auch R., wenn er sich alibihalber am Samstag aufs Rad schwingt, um zum ‚Steeg-Wirt’ zu fahren. Denn hernach mit so viel Promillen im Blut wäre die Fahrt mit dem 100er Audi gefährlich. R. hat nur am 8.8. Geburtstag. Aber da kann er gar nichts dafür. Und derselbe heißt ja August. Hat auch immer einen feinen Witz auf Lager. Wie: DICHTKUNST. „Mi dicht!“ Was soviel heißt wie: Ich habe Durst. Und: „Kunst ma nid nu a Hoiwi bringa? “ hinüber zur Froni, die gekonnt am Zapfhahn hantiert. Ihr Tun ist eingefahren, eingefroren, total routiniert. Und wie erst das von uns allen. In 30 Jahren haben wir die Welt um ein Drittel ihres natürlichen Reichtums beraubt! So steht es in einem von Erich Hackl übertragenen Text des Dichters Eduardo Galeano. Der hat diesen Satz als kleine Randnotiz in einer großen Zeitung erspäht. Und? Was bleibt da weiter noch zu sagen. — Eben: die Eingefahrenheit. Wer schon stellt sich ihr in den Weg? Schnell der Wahrheit die Augen verpickt, mit sofa Geldscheinen vielleicht, damit sie nichts sieht. Aber die tieftiefen Rillen, welche sich von St. Agatha bis Lasern ziehen, von Obersee bis Gschwandt, von Ramsau bis Wiesen, von Pötschen bis Weißenbach, die verschwinden dennoch nicht mehr. In solchen Furchen komme ich höchstens zu Fuß noch voran. Das Fahrrad schmeiße ich weg. Ich schwitze, ich keuche, habe kein Mitleid mit mir. Ich besinge mein Kaff und komme zum Essen zu spät. Rindfleisch, Griesknödel, Kohlrabigemüse (Goiserer Kost), da- — mit auch der Magen was hat. Er kennt es. Und wie. Ist einstudiert, eingestellt, eingefahren. Seit ewig darauf. Und immer noch schmeckt es so gut. Welch ein Gezwitscher. Andreas Tiefenbacher, geb. 1961 in Bad Ischl. Aufgewachsen in Bad Goisern. Seit 1979 in Wien. Geisteswissenschaftliche Studien. Danach diverse Berufe: Schiverkäufer, Betreuer einer Buchhändler. Ab 1992 Sozialpädagoge in einem Internat. Vater dreier Kinder. Mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Literaturpreis der Dombrowski Stiftung für 1993, der Talentförderungsprämie für Literatur des Landes Oberösterreich 1996. Mitglied der Grazer Autorenversammlung. 1996 Stadtessay „Brigitta juchee! “ für Interspot Film im Auftrag von ORF-Landesstudio Wien. 1997 Beteiligung an der Ausstellung „Fleischbeschau“, Galerie Maerz, Linz. Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften, Anthologien und im Rundfunk. Bücher: „Der Möchtler“ (Graz 1995); „Herzkot“ (Graz 1997). Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands. Jg. 18, Nr. 3b, Oktober 2001. Eigentümer, Verleger: Theodor Kramer Gesellschaft, A-1020 Wien, Engerthstraße 204/14. ISSN eh Zulassungsnummer 012021877 V.