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Der Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil geht heuer zu gleichen Teilen an Alfredo Bauer (Buenos Aires) und Fritz Kalmar (Montevideo). Das beschloß der Vorstand der Theodor Kramer Gesellschaft am 14. November 2001. Der Preis ist — mit Unterstützung des Landes Niederösterreich und der Kunstsektion des Bundeskanzleramtes — mit Euro 7.280,- (ÖS 100.000,-) dotiert und wird am 26. April 2002 in Zusammenarbeit mit dem Unabhängigen Literaturhaus Niederösterreich in Krems verliehen. Alfredo Bauer, geboren 1924 in Wien, flüchtete 1939 mit seinen Eltern nach Argentinien, wo er die antifaschistische deutsche Pestalozzi-Schule besuchte. Schon 1944 verfaßte er, angeregt durch den von ihm verehrten Jura Soyfer, Kleinkunststücke für die Theatergruppe des Free Austrian Movement. Er studierte Medizin, etablierte sich als Gynäkologe in Buenos Aires, schrieb für das Argentinische Tageblatt. Gründer und Vizepräsident der Ateneo Argentino Alejandro von Humboldt, veröffentlichte er 1971 eine „Historia critica de los judios“ und verfaßte mit Los compaferos antepasados die vierbändige Geschichte einer Wiener jüdischen Bürgerfamilie vom Revolutionsjahr 1948 bis zur Flucht in die Neue Welt 1938. In deutscher Übersetzung erschienen drei Bände des monumentalen Werks in der Deutschen Demokratischen Republik. Bauer, der spanisch und deutsch schreibt, Werke von Heinrich Heine, Felix Mitterer und Jura Soyfer u.a. ins Spanische übersetzte und auch zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen und Aufklärungsschriften zur Sexologie und Gynäkologie veröffentlichte, arbeitete zuletzt an einem Buch über Benito Mussolini. Alfredo Bauer lebt heute nach wie vor in Buenos Aires. Fritz Kalmar, geboren 1911 in Wien, studierte Jus in Wien und war bis 1938 als Rechtsanwaltsanwärter tätig. 1939 gelang ihm die Flucht nach Bolivien, wo er in La Paz Mitbegründer und später Präsident der „Federaciön de Austriacos Libres en Bolivia“ wurde. Leidenschaftlich zum Theater hingezogen, hat er nicht nur zahlreiche Theaterstücke (1977 wurde Im Schatten des Turmes am Wiener Volkstheater uraufgeführt) und Sketches verfaßt, sondern selbst auch lange Jahre in La Paz und Montevideo, zusammen mit Erna Terrel und bis zu dessen Tod mit Georg Terramare, Theaterabende organisiert und die verschiedensten Rollen gespielt. Die Geschichte des deutschsprachigen Exiltheaters in Südamerika hat er wesentlich mitgeschrieben. Bis 1990 war Kalmar ehrenamtlicher österreichischer Honorar-Generalkonsul in Uruguay und unterstützte in dieser Eigenschaft politisch verfolgte Bürger Uruguays. Trotz vieler Veröffentlichungen (so schon in der von Hermann Hakel herausgegebenen Zeitschrift Lynkeus) erfolgte sein literarischer Durchbruch erst mit dem Band Das Herz europaschwer. Fritz Kalmar lebt in Montevideo. Beide, Alfredo Bauer und Fritz Kalmar, verbanden ihr Engagement für die Wiederherstellung eines demokratischen Österreich, ihr nie nachlassendes Interesse für die Kultur dieses Landes und seine weitere politische Entwicklung mit der Aneignung der Sprache, Kultur und Geschichte der Länder, die ihnen zur neuen Heimat geworden waren. Namentlich Alfredo Bauer hat sich, ausgehend von den Thesen des peruanischen Marxisten Jose Carlos Mariätegui, mit der komplexen Geschichte und sozialen Situation Argentiniens auseinandergesetzt. Für beide geht die Liebe zu Österreich mit der Bereitschaft zur schärfsten Kritik an den landläufigen Selbsttäuschungen und Lügen einher. Besonders Fritz Kalmar hat mit der Geschichte des Sarges, der sich nicht mehr von der Stelle rücken läßt, in Form einer großen Parabel die sogenannte Vergangenheitsbewältigung zur Kenntlichkeit gebracht. Bei beiden, Bauer wie Kalmar, ist die große Vielseitigkeit in Leben und Werk auffällig. Sie wurde herausgefordert durch das Exil, das die gängigen Arbeitsteilungen, Abgrenzungen zwischen den verschiedenen ‚Sparten’ in Frage stellte. Die „Kultur“ lag nicht mehr bereit wie ein Fächer, der bei Bedarf auf- und zugeklappt werden konnte. In der Kultur des Exils entstanden Übergänge, krisenhafte Zusammenstöße, neue Verhältnisse zwischen dem persönlichen Engagement und der betriebenen Sache. Alfredo Bauer und Fritz Kalmar sind gerade in den letzten Jahren mit Buchpublikationen hervorgetreten. Von Bauer erschienen der Stefan Zweig-Roman Der Mann von gestern und die Welt (1993; Grundlage des Librettos zu der 1996 in der Wiener Kammeroper uraufgeführten Oper Aus allen Blüten Bitternis von Christioph Cech), die Sammlung von Chroniken Hexenprozeß in Tucuman (1996) und der „Lebensroman“ der Marie Louise von Habsburg Geliebteste Tochter (1997). Von Kalmar erschienen die „Heimwehgeschichten aus Südamerika“ Das Herz europaschwer (1997), der Roman Das Wunder von Büttelsburg (1999) und der Erzählband Von leisen und von lauten Leuten (2000). Bauer wie Kalmar bestechen durch ihr reichhaltiges Werk und ihre Produktivität, durch ihre Weltoffenheit und Intelligenz. Schreibend finden sie einen Zugang ohne nationalen Vorbehalt zu den menschlichen Dingen, ob in Europa oder in Lateinamerika. Feierliche Verleihung des Theodor Kramer Preises für Schreiben im Widerstand und im Exil: Freitag, 26. April, 20 Uhr, in der ehemaligen Minoritenkirche Krems-Stein. Uraufführung der von dem Komponisten Ulf-Diether Soyka vertonten Theodor Kramer-Gedichte und Aufführung weiterer Vertonungen von Karlheinz Schrödl; Elisabeth Linhart (Sopran), Volker Nemmer (Klavier). (In Kooperation mit dem NÖ Donaufestival.) Zuvor, 18 Uhr, Unabhängiges Literaturhaus, Krems, Steiner Landstr. 3: Eröffnung der Ausstellung Widerstand & Exil über in der NS-Zeit verfolgte und diskriminierte AutorInnen aus Niederösterreich. Eine Einladung mit detailliertem Programm wird noch ausgesandt. — Wer in Krems und Umgebung übernachten will, sollte schon jetzt Zimmer reservieren oder uns seine Reservierungswünsche bekanntgeben. Bitte melden Sie sich bei uns an (Fax 01 7297504, E-mail tkg@aon.at), wenn Sie eine Fahrgelegenheit nach Krems suchen. Bei einer entsprechenden Zahl von Anmeldungen werden wir einen Bus mieten. Alfredo Bauer ist auf Einladung des Unabhängigen Literaturhauses bis Ende Mai 2002 in Krems. Wer eine Lesung oder ein Workshop mit ihm veranstalten will, möge sich ebenfalls an die Theodor Kramer Gesellschaft wenden.